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Was Haubitz den Schulleitern schreibt

Der neue Kultusminister Frank Haubitz hat sich in einem persönlichen Brief an die Schulleiterinen und -leiter aller öffentlichen Schulen in Sachsen gewandt. Wir dokumentieren das Schreiben im Wortlaut.

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© Ronald Bonß

„Sehr geehrte Schulleiterinnen und Schulleiter, liebe Kolleginnen und Kollegen,

in meinen ersten Wochen im Amt als Kultusminister war und ist es auch für mich die zurzeit drängendste bildungspolitische Herausforderung, die Lehrerversorgung in den sächsischen Schulen auf ein sicheres Fundament zu stellen. Und zweifellos wird dies auch noch eine gewisse Zeit so bleiben. Dabei ist und bleibt mein Grundsatz, keine Mangelverwaltung zu betreiben, sondern realistische Lösungsansätze mit den vorhandenen, aber auch mit neuen Ressourcen für Schulen anzubieten.

Dafür werbe ich in der Staatsregierung wie auch im parlamentarischen Raum und es bleibt abzuwarten, inwieweit meinen Vorstellungen gefolgt werden kann.

Neben der Schulaufsicht sind Sie, sehr geehrte Schulleiterinnen und Schulleiter, mit Ihren Kollegien meine wichtigsten Partner, um meine Vorstellungen in der Praxis umzusetzen und diese zum Erfolg zu führen. Heute äußere ich mich in verschiedenen sächsischen Tageszeitungen dazu und möchte deshalb auch Sie mit diesem Schulleiterbrief in Kenntnis setzen mit der Bitte, Ihre Kollegien zu informieren.

Zu meinen Vorstellungen gehören sowohl monetäre Maßnahmen wie z.B. die Verbeamtung, bezahlte Mehrarbeit und die Kapitalisierung von Lehrerarbeitsvolumen als auch nichtmonetäre Maßnahmen wie z.B. Arbeitsentlastungen der Lehrerinnen und Lehrer, die ich im Folgenden näher erläutern möchte.

Das Maßnahmenpaket „Zukunftsfähige Schule für Sachsen“ vom Oktober 2016 hat seine Wirkung entfaltet, die Not gelindert, aber das Grundproblem nicht gelöst. Aufbauend darauf muss Sachsen im Lehrerbereich gegenüber allen anderen Bundesländern auch wettbewerbsfähig werden. Die ganze Dramatik wird daran deutlich, dass für das Einstellungsverfahren im Februar 2018 nur 14 Absolventinnen und Absolventen den Vorbereitungsdienst beenden. Dieser Anzahl stehen 660 freie Stellen gegenüber, die ich besetzen muss.

Dabei geht es um nachhaltige Lösungen, die eine langfristige Perspektive schaffen. Dazu gehört für mich zweifellos die Verbeamtung. Mein Ziel ist es, bis zum Einstellungsverfahren im Sommer 2018 allen grundständig ausgebildeten Bewerberinnen und Bewerbern das Signal geben zu können: „Ab Januar 2019 können Sie verbeamtet werden.“ Dies soll der Schlüssel sein, die Lehrerversorgung in Sachsen nachhaltig sicherstellen zu können. Dabei lasse ich mich durch folgende Überlegungen leiten:

Verbeamtung

  • Sie ist ein Signal für hunderte von Sachsen, die den Freistaat einst verlassen haben und jetzt als verbeamtete Lehrerinnen und Lehrer in anderen Bundesländern tätig sind. Ich setze auf die zahlreichen heimatverbundenen Rückkehrer, die ihren Beamtenstatus damit erhalten können.
  • Sie sorgt dafür, dass Lehrerinnen und Lehrer sächsische Stellenangebote nicht mehr ausschlagen und in Nachbarbundesländer abwandern.
  • Sie sorgt dafür, dass Lehrerinnen und Lehrer, die wir in Sachsen ausbilden, auch im Freistaat bleiben. Fast die Hälfte der Lehramtsstudierenden an sächsischen Hochschulen kommt nicht aus Sachsen und verlässt gegenwärtig das Land nach Ende des Studiums wieder.
  • Sie bietet Lehrerinnen und Lehrern im sächsischen Schulsystem eine Perspektive.

Um keine Gerechtigkeitslücke aufzutun und den Schulfrieden in den Lehrerzimmern zu erhalten, möchte ich nicht nur die neuen Bewerberinnen und Bewerber auf Wunsch verbeamten, sondern auch Lehrerinnen und Lehrer, die bereits im sächsischen Schuldienst tätig sind. Da wir nur bis zum 46. Lebensjahr verbeamten können, werbe ich dafür, dass es für die älteren Kolleginnen und Kollegen, die das sächsische Schulsystem in den letzten Jahrzehnten getragen und zum Erfolg geführt haben, einen Ausgleich gibt. Diese Lehrerinnen und Lehrer haben über Jahrzehnte eine sehr gute Arbeit geleistet. Die neue Lehrergeneration kann davon profitieren und auf deren Erfahrungen aufbauen. Es ist mir wichtig, dass diese Arbeit besonders wertgeschätzt wird.

Bezahlte Mehrarbeit

Angesichts der unzureichenden Bewerberlage müssen wir kurzfristig mehr Lehrerinnen und Lehrer vor die Klasse bringen. Hier baue ich auf solidarisches Handeln mit der Bereitschaft zur Mehrarbeit. Von rund 32.000 Lehrerinnen und Lehrern arbeiten fast 11.000 in Teilzeit. Das entspricht einem Arbeitsvolumen von über 2.300 Vollzeitstellen. Mein Ziel ist es, gemeinsam mit Ihnen dieses Potenzial beginnend im Februar 2018 zumindest in Teilen zu heben. Dazu möchte ich folgende Angebote unterbreiten, die noch mit dem Finanzministerium endabgestimmt werden müssen:

  • In allen Schularten sollen die Lehrerinnen und Lehrer die gleiche Vergütung von Mehrarbeit (30,27 €) erhalten. Außerdem sollen alle Kolleginnen und Kollegen, die mehr als vier Mehrarbeitsstunden im Monat leisten, eine Bonusstunde extra vergütet bekommen.
  • Teilzeit kann mit Mehrarbeit kombiniert werden: Wer sich z.B. für zwei Jahre zu drei Mehrarbeitsstunden bereit erklärt, kann im 3. Jahr garantiert in seinen alten Teilzeitvertrag mit einem freien Tag zurückkehren.
  • Lehrerinnen und Lehrer sowie Schulleiterinnen und Schulleiter können aus zwei Sabbatjahr-Modellen wählen (5:1/4:1).
  • Lehrerinnen und Lehrer, die das 63. Lebensjahr vollendet haben und weiter arbeiten möchten, erhalten weiter eine Bindungszulage.
  • Klassenlehrerinnen und Klassenlehrer sollen für ihre Klassenleitertätigkeit eine bezahlte Mehrarbeitsstunde erhalten.

Kapitalisierung von Arbeitsvolumen

Ein Instrument zur optimalen Ausschöpfung aller vorhandenen Ressourcen ist nach meiner festen Überzeugung die Eigenverantwortung von Schule. Sie ist u.a. durch die Ausreichung eines Budgets charakterisiert. Die Schulleiterin bzw. der Schulleiter sollen ein Stundenvolumen erhalten, das sich aus Grundbereich, schulbezogenen Anrechnungen und personenbezogenen Anrechnungen sowie vorerst 50 Prozent Ergänzungsbereich zusammensetzt. Dieses Stundenvolumen steht der Schule vollumfänglich zur Verfügung. Damit soll zum einen den individuellen Bedarfen der einzelnen Schulen Rechnung getragen werden. Zum anderen geht der Schule, die trotz intensiver Bemühungen ihre Stunden mit eigenem Lehrerpersonal nicht absichern kann, nichts verloren. Sie kann sich für den Wert des restlichen Stundenvolumens externe Unterstützung „einkaufen“.

Für den Einsatz von Honorarkräften kommen beispielhaft folgende Tätigkeiten in Frage:

  • Unterrichtsvertretung in Anlehnung an das bestehende Programm Unterrichtsversorgung,
  • Schwimmbegleitung (Grundschule),
  • Ergotherapeut/Logopäde (Förderschule),
  • Pädagogische IT-Dienstleistungen,
  • Betreuung der Schulbibliothek,
  • Schulbuchversorgung und -betreuung,
  • schulische Verwaltungstätigkeiten.

Aber auch nichtmonetäre schulorganisatorische Entlastungen der Lehrerinnen und Lehrer möchte ich vorantreiben. Mit der Einführung des Projektes „Schulverwaltungsassistent“ sollen Lehrerinnen und Lehrer von Verwaltungsarbeiten entbunden werden. Damit können sich die teilnehmenden Schulen verstärkt ihrem pädagogischen Kerngeschäft widmen. Zudem sehe ich in der Schulorganisation Reserven, die gleichfalls Zeit für Unterrichtsvorbereitung oder Korrekturarbeiten der Lehrerinnen und Lehrer schaffen. Dazu können gehören:

  • Reduzierung von Konferenzen und Beratungen
  • Reduzierung der Vorbereitungswoche auf drei Tage
  • Abschaffung des Bereitschaftsdienstes in den Ferien, dafür telefonische Erreichbarkeit der Schulleitung
  • Abschaffung angeordneter Präsenzzeiten an Versammlungstagen
  • keine nicht unterrichtsrelevanten Arbeiten in den Ferien und am Wochenende
  • verbindliche schulartspezifische Maßnahmen wie z.B. der Wegfall des Wortgutachtens in der Bildungsempfehlung oder die Möglichkeit der Zweitkorrektur von schriftlichen Abiturprüfungen an der eigenen Schule

Zweifelsohne gibt es keine einheitliche Lösung für alle Schulen. Eigenverantwortlich zu handeln bedeutet, jede Schulleiterin bzw. jeder Schulleiter hat die Möglichkeit mit dem Kollegium gemeinsam geeignete Maßnahmen auszuwählen und umzusetzen, die an der jeweiligen Schule Entlastung bringen. Dafür habe ich Ihnen Lösungsansätze dargelegt, die nicht nur attraktive Bedingungen für die junge Generation schaffen, sondern auch die Leistung der älteren Generation angemessen wertschätzen und Ihnen für Ihre Führungstätigkeit, egal ob in Mitarbeitergesprächen oder bei der Unterrichtsabsicherung, Handlungsspielraum bieten.

Sehr geehrte Schulleiterinnen und Schulleiter,

ich bin zuversichtlich, dass wir so gemeinsam die Zeiten knapper Lehrerressourcen überstehen können. Dafür möchte ich ausdrücklich um Ihr Vertrauen und Ihre Mithilfe werben. Mit der Gewerkschaft und den Verbänden habe ich ebenfalls die Gespräche aufgenommen.

Abschließend noch ein weiterer Blick nach vorn. Mein Ziel ist auch, den Planungsansatz für den nächsten Doppelhaushalt 2019/2020 auf 100 Prozent Ergänzungsbereich zu erweitern, um die Bedingungen an Schule weiter zu verbessern.

Für den Beginn des neuen Kalenderjahres 2018 plane ich Schulleiterberatungen in den Regionen vor Ort, um Ihnen meine Vorstellungen detaillierter erläutern zu können. Dabei freue ich mich schon jetzt auf den Austausch und weitere interessante Anregungen. In diesem Sinne verbleibe ich

mit freundlichen Grüße

Frank Haubitz“