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„S-Bahn-Schubser“ verurteilt

Der Fall sorgte bundesweit für Empörung: Zwei Männer stoßen einen anderen in Dresden vor eine herannahende S-Bahn. Nun wurden sie zu mehreren Jahren Haft verurteilt.

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© Sven Ellger

Dresden. Neun Monate, nachdem sie in Dresden einen Mann vor eine herannahende S-Bahn auf die Gleise gestoßen haben sollen, wurden die beiden Täter am Donnerstag verurteilt. Die Männer aus Marokko (24) und Libyen (27) bekamen Freiheitsstrafen von 3 Jahren und 2 Monaten beziehungsweise 2 Jahren und 9 Monaten wegen gefährlicher Körperverletzung und Nötigung.

Der Richter sah die Tat als keinen versuchten Totschlag an. Genau das warf die Staatsanwaltschaft den 24 und 27 Jahre alten Asylbewerbern aber vor. Sie sollen den 41-jährigen Pendler René J. Mitte März morgens um 4.45 Uhr am Haltepunkt Dresden-Zschachwitz angegriffen, auf die Gleise gestoßen und nicht mehr auf den Bahnsteig gelassen haben, als bereits eine S-Bahn aus Richtung Pirna in den Haltestellenbereich einfuhr. Nur mit einer sogenannten Schnellbremsung habe der Lokführer Schlimmeres verhindert.

Der Fall der „S-Bahn-Schubser“ hatte bundesweit für Empörung gesorgt, weil die beiden Verdächtigen nach der Tat nicht sofort verhaftet worden waren, obwohl die Polizei sie in unmittelbarer Nähe gefasst hatte. Die Staatsanwaltschaft begründete das später mit einem Versehen. Erst nachdem die Staatsanwaltschaft den Geschädigten drei Tage nach dem Vorfall nochmals vernommen hatte, wurden die beiden Männer verhaftet. Beide Angeklagte waren bereits wegen kleinerer Delikte polizeibekannt.

Das Opfer, ein 41-jähriger Familienvater aus Dresden, leidet nach wie vor an den Folgen. René J. ist bis heute arbeitsunfähig aufgrund einer Schulterverletzung von der Tat und den psychischen Folgen des Angriffs. Er wurde in nichtöffentlicher Sitzung vom Gericht vernommen. Rechtsanwältin Gesa Israel, die J. als Nebenkläger vertritt, sagte, auch die wirtschaftlichen Folgen seien für die Familie massiv. Aufgrund des Einkommensnachteils habe J. mit seiner Familie umziehen müssen, um Miete zu sparen.

Laut Anklage hatten die alkoholisierten Beschuldigten den Berufspendler um Feuer gebeten, als sie frühmorgens gemeinsam aus einer S-Bahn ausgestiegen seien. Als der 41-Jährige dies verneint habe, sei es zu einer Rangelei gekommen. Die Angeklagten hätten ihn auf die Gleise geschubst und dann noch sein Fahrrad nach ihm geworfen. Eine einfahrende S-Bahn aus Pirna habe eine Gefahrenbremsung einleiten müssen, um den 41-Jährigen nicht zu erfassen. Der Zug sei nur fünf bis zehn Meter vor dem Mann zum Stehen gekommen.

Der Prozess hatte Mitte Oktober vor der Schwurgerichtsklammer des Landgerichts Dresden begonnen. Oberstaatsanwalt Christian Avenarius hatte für die Täter Freiheitsstrafen von sechs beziehungsweise fünf Jahren wegen versuchten Totschlags, gefährlicher Körperverletzung und Nötigung gefordert. Die Verteidiger plädierten auf bewährungsfähige Strafen von unter zwei Jahren. (szo/dpa)