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„Ich kann so nicht weitermachen“

CDU-Fraktionschef Frank Kupfer gibt sein Amt wegen einer Erkrankung auf. Sofort schwelte der Streit über die Nachfolge.

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© dpa

Von Thilo Alexe und Gunnar Saft

Ab sofort herrscht Klarheit. Elf Uhr verlässt der CDU-Fraktionschef Frank Kupfer am Donnerstag sein Büro in der dritten Etage und tritt auf den Landtagsflur vor die kurzfristig eingeladenen Journalisten. Er sei, so sagt der 56-Jährige dort ungewöhnlich leise, an einem Punkt angelangt, „an dem ich so nicht weitermachen kann“. Kupfer macht öffentlich, dass er an einer wiederkehrenden Depression erkrankt ist und sich bereits mehrfach stationär behandeln ließ. Wie viel Kraft es am Ende gekostet hat, trotz Therapie die Regierungsfraktion zu führen und die Krankheit vor der Öffentlichkeit zu verbergen, weiß nur er selbst. Mehrfach war Kupfer seit seinem Antritt als Fraktionsvorsitzender vor vier Jahren krank, Journalisten thematisierten die Privatangelegenheit allenfalls am Rand. Der Krankheitsverlauf zeigt sich als „Auf und Ab“, wie der Politiker sagt. Mal hat er Elan, mal will er niemanden sehen. Seine Ärztin hat ihm zum Rücktritt geraten.

Die Reaktionen sind vielschichtig, es dominieren aber Betroffenheit und Genesungswünsche. Auch für enge Mitstreiter Kupfers ist diese Nachricht überraschend und schockierend. Es habe „alle kalt erwischt“, erzählt ein Fraktionsmitglied über den Auftritt am Morgen. Zunächst beginnt die Zusammenkunft wie üblich mit der Herrnhuter Losung. Danach tritt der Fraktionschef nach vorn und beantragt eine geheime Fraktionssitzung. Alle Mitarbeiter müssen den Raum verlassen, die Abgeordneten und CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer bleiben unter sich. Dann informiert Kupfer die Kollegen über seine Krankheit und den Entschluss, nicht nur sein Chef-Amt aufzugeben, sondern 2019 auch nicht mehr für den Landtag zu kandidieren. Zuvor hatte er seinen Torgauer Wahlkreis fünfmal hintereinander direkt gewonnen. Eine konsequente Zäsur.

Dass die CDU-Fraktion nun noch in diesem Jahr über die Nachfolge entscheiden muss, damit hatte niemand gerechnet. Vielmehr galt unausgesprochen die Vereinbarung, dass solche wichtigen Personalfragen frühestens nach der Landtagswahl am 1. September nächsten Jahres auf die Tagesordnung kommen. Im Vorfeld wollte man sich öffentliche Diskussionen über die Vorzüge und Nachteile des Amtsinhabers oder eines Herausforderers möglichst ersparen. Durch Frank Kupfers persönliche Entscheidung steckt man nun aber plötzlich mittendrin in dieser Debatte.

Frank Kupfer gilt als besonders strammer Konservativer. Und wer ihn so bezeichnet, erntet in der Regel sogar seine freudige Zustimmung. Nach der Landtagswahl 2014 bat – und drängte – ihn der damalige Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU), den einflussreichen Posten des CDU-Fraktionschefs zu übernehmen. Kupfer willigte ein, auch wenn er lieber Agrarminister im Kabinett geblieben wäre. Im Landtag hält der Torgauer später Tillich den Rücken frei und drückt sich dabei nicht vor deftigen Worten – egal, ob er schärfere Abschieberegeln oder einen anderen Umgang mit Wölfen fordert. Für Schlagzeilen sorgt auch seine Gratulation an den wegen einer rigorosen Asylpolitik umstrittenen ungarischen Regierungschef Victor Orbán. Nicht nur der Koalitionspartner SPD ist wenig begeistert.

Unter Tillichs Nachfolger macht es Kupfer nicht viel anders. Allein, Michael Kretschmer war nur schwer anzumerken, ob ihm die Art der Unterstützung auch gefällt. Dafür macht der neue Ministerpräsident nun sofort einen Vorstoß und schlägt Sachsens Ausländerbeauftragten und Ex-Justizminister Geert Mackenroth als Kandidaten für die zum 25. September geplante Neuwahl des Fraktionschefs vor. Eine genau so überraschende wie umstrittene Entscheidung. „Eine valide Personalie, aber ohne Signalwirkung“, heißt es aus Fraktionskreisen. Tenor: Keine Erneuerung, keine Botschaft, keine Dynamik. Zudem nimmt es mancher CDU-Abgeordnete Kretschmer übel, dass sich dieser so direkt in Fraktionsangelegenheiten einmischt.

Viele hatten eher Namen wie den von Fraktionsgeschäftsführer Stephan Meyer oder den Leipziger Georg-Ludwig von Breitenbuch erwartet. Gegen Meyer spricht womöglich dessen Görlitzer Wahlkreis. Aus der Gegend stammt auch Kretschmer, und dort will der Regierungschef künftig für den Landtag kandidieren. Und so viel Görlitzer Vormacht ist wohl nur schwer durchsetzbar. Gerechnet wird mittlerweile fest damit, dass Mackenroth mindestens einen Gegenkandidaten erhält. Der Vorgeschlagene selbst wendet sich am Donnerstag nur kurz an die Fraktion: Er stehe bereit, ansonsten könne man über alles reden.