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Haushaltshilfe auf Kassenkosten

Über 1 000 Dienstleister in Sachsen unterstützen Familien und Schwerkranke. Doch nur wenige nutzen die Leistung.

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© ronaldbonss.com

Von Stephanie Wesely

Schmutzige Wäsche gibt es bei Familie Kimm-Schönherr aus Kirchberg bei Zwickau immer. Hemden, Hosen, Windeln und Lätzchen – alles in dreifacher Ausfertigung, seit die Drillinge Anna, Luis und Erik auf der Welt sind. Alle drei Stunden bekommen die Kinder ihr Fläschchen, müssen gewickelt und beschäftigt werden. Allein kann das Mutter Anja kaum schaffen.

Im Moment schlafen die Kleinen. Zeit für sie zum Durchatmen, denn Anja Schönherr hat eine gute Fee an ihrer Seite. Haushalthilfe Carolin Scheffler unterstützt sie bei der Kinderbetreuung und kümmert sich um den Haushalt. Wochentäglich fünf Stunden hilft die Pflegekraft vom ortsansässigen Johanniter Wohlfahrtsverband der jungen Mutter. „Ein Glücksfall“, sagt Anja Schönherr. Als sie sich bei ihrer Kasse über Unterstützungsmöglichkeiten informierte, wurde ihr eine Liste mit caritativen Einrichtungen ihrer Umgebung ausgehändigt. „Ich konnte mir einen Anbieter auswählen und ihn direkt kontaktieren.“

Ein positives, aber offenbar seltenes Beispiel. Vielen Sachsen ist es schlichtweg nicht bekannt, dass ihnen im Notfall die Kasse eine Haushalthilfe gewährt. Ein solcher Notfall besteht zum Beispiel dann, wenn der Versicherte die Hausarbeit oder die Betreuung der Kinder nicht mehr selbst leisten kann, weil er schwer krank ist, stationär behandelt wird und eine Reha absolviert. Auch aufgrund von gesundheitlichen Problemen in der Schwangerschaft oder nach der Geburt ist eine Haushalthilfe möglich. Die Regelung greift aber nur, wenn die „haushaltsführende Person“ – egal ob Mann oder Frau – ausfällt und keine andere im Haushalt lebende Person die Arbeit übernehmen kann. Der Hilfsanspruch besteht vier bis 26 Wochen, kann aber auf 52 Wochen erweitert werden, wenn der Medizinische Dienst der Krankenkassen die Notwendigkeit bestätigt hat.

Die AOK Plus bewilligte 2017 in Sachsen und Thüringen rund 7 000 Anträge auf Haushalthilfe. Gemessen an der Versichertenzahl ist das nicht einmal ein halbes Prozent. Bei der Techniker Krankenkasse waren es lediglich 400 Anträge. Andere Kassen konnten gar keine Angaben machen.

Grundsätzlich sind die Krankenkassen angehalten, die Haushalthilfe direkt zu vermitteln, wie im Fall von Anja Schönherr. Mehr als 1 000 Anbieter stehen laut Krankenkassen zur Verfügung. Im Ausnahmefall, wenn kein geeigneter Dienstleister dabei ist, können sich die Versicherten auch selbst um Hilfe bemühen.

Die Ausnahme ist in Sachsen aber eher die Regel. Kassenübergreifend wurden nur rund 40 Prozent der Haushalthilfen durch direkte Vermittlung caritativer Einrichtungen erbracht. Der größte Teil suchte sich seine Haushalthilfe selbst.

Das hat auch Einfluss auf die Kosten: „Die caritativen Einrichtungen werden von uns nach aktuellen Vergütungsvereinbarungen bezahlt“, sagt Hannelore Strobel, Sprecherin der AOK Plus. Abgerechnet werde direkt mit den Einrichtungen. Der Versicherte müsse nur einen Eigenanteil von zehn Prozent der täglichen Kosten leisten – mindestens fünf, höchstens zehn Euro. Bei selbst gesuchten Hilfen gehen die Versicherten in Vorkasse und erhalten die Kosten je nach Kasse in unterschiedlicher Höhe zurück. Maximal 9,50 Euro pro Stunde dürfen laut Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung für eine Stunde Hilfe im Haushalt gezahlt werden. Die AOK Plus erstatte maximal 9,50 Euro pro Stunde und 72 Euro pro Tag, wie Hannelore Strobel sagt. Die Barmer in Sachsen zahlt sechs Euro pro Stunde und maximal 48 Euro pro Tag. IKK classic und TK nennen keine konkreten Beträge. Sie erstatten die Kosten in „angemessener Höhe“, wie es heißt.

Geld zurück gibt es aber nur für Dienstleister und für Freunde oder Angehörige des Antragstellers, die einen Verdienstausfall nachweisen können. Ist die gute Fee nicht berufstätig oder kann sie keine Fahrtkosten geltend machen, geht sie leer aus.

Warum trotz schlechter Bezahlung Versicherte lieber eine Kostenerstattung wählen, könne man nur vermuten, so AOK Plus-Sprecherin Strobel. Die Scheu, Fremde ins Haus zu lassen, ist offenbar groß.

Das beobachten die Kassen übrigens auch bei Pflegebedürftigen. Seit zwei Jahren dürfen sie hauswirtschaftliche Dienstleistungen bei der Pflegekasse abrechnen. Ab Pflegegrad 2 stehen ihnen monatlich 125 Euro Entlastungsbetrag zu. Dieses Geld gibt es aber nur für nichtfamiliäre Haushalthilfen, also professionelle Pflegedienste oder Dienstleistungsunternehmen. Mehr als die Hälfte der Pflegebedürftigen lässt dieses Angebot verfallen.

Anja Schönherr hatte gar keine andere Wahl, als sich eine professionelle Haushalthilfe zu suchen. Die Omas der Drillinge helfen ihr zwar. Doch dauerhaft und an jedem Tag können sie das nicht leisten. Der Vater der Kinder ist berufstätig. Um seinen Verdienstausfall zu ersetzen, reichen die Stundensätze der Krankenkasse nicht.

Haushalthilfe Carolin Scheffler ist in den letzten Monaten schon zum Familienmitglied geworden. „Die Drillinge sind mir ans Herz gewachsen“, sagt die 51-Jährige. Mit ihr hätten sie jetzt eben drei Omas.

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