Merken

Elchbulle tötet seine Tochter

Mit seinem Geweih hat der Bulle die junge Kuh tödlich verletzt. Nun sorgt man sich um die zweite Elchkuh.

Teilen
Folgen
© Arvid Müller/Archiv

Von Peggy Zill

Moritzburg. Es ist ein Familiendrama, das sich am Wochenende im Wildgehege Moritzburg abgespielt hat. Der 13 Jahre alte Elchbulle hat eine seiner Töchter mit seinem Geweih so schwer verletzt, dass sie starb. Schuld sind die Hormone.

„Seit 14 Tagen haben wir Veränderungen im Verhalten der Tiere beobachtet“, erklärt Ronald Ennersch, Leiter der zum Staatsbetrieb Sachsenforst gehörenden Einrichtung. Die Tiere fressen nicht mehr viel, der Bulle habe sich für eine der Kühe besonders interessiert, während er die andere immer wieder weggejagt habe. „Wir wollten den Deckakt mit chemischer Kastration verhindern“, erklärt Tierpflegerin Sandra Kühnel. Der Elch hätte eine Spritze verpasst bekommen. Allerdings scheiterten mehrere Versuche, weil der Tierarzt nicht an ihn herankam. „Ein Brunftverhalten hätte der Elch vermutlich auch nach der Spritze an den Tag gelegt“, so Ronald Ennersch.

Am Sonntagmorgen entdeckte Sandra Kühnel eine ausgehebelte Tür an einer Futterstelle – und Blutspuren. In den kommenden Stunden suchten sie und Ronald Ennersch das etwa fünf Hektar große Gehege mit dem Fernglas ab. Es in der Brunftzeit zu betreten, wäre zu gefährlich. Zu sehen waren nur der Elchbulle und seine „Auserwählte“. In einer Ecke fanden sie schließlich die andere Elchkuh tot. Sandra Kühnel vermutet, dass sich Bulle und Kuh an der Futterstelle begegnet sind, er sie dort bereits in die Ecke gedrängt und verletzt hat.

Nachdem das Wildgehege am Nachmittag für Besucher geschlossen worden war, ist das tote Tier mithilfe eines Baggers aus dem Gehege geholt worden. Der Kadaver wurde dann an die Raubtiere verfüttert. „Das ist der natürliche Kreislauf“, sagt Ennersch.

Das Gehege ist eigentlich groß genug für drei Elche. „In der freien Wildbahn würden sie sich einfach aus dem Weg gehen“, so Ronald Ennersch. In Moritzburg laufen sie sich an den Wasser- und Futterstellen immer wieder über den Weg. Nun machen sich die Mitarbeiter Sorgen um die zweite Elchkuh. „Bisher ist sie unverletzt, aber geschwächt, weil der Bulle sie permanent treibt“, sagt Sandra Kühnel, die gesehen hat, wie sie beim Deckversuch unter seinem Gewicht zusammengebrochen ist.

Deshalb geht es dem Bullen nun an den Kragen. Beziehungsweise an Geweih und Hoden. Heute soll er in Narkose versetzt werden. „Dann trennen wir ihm das Geweih ab und er wird komplett kastriert“, erklärt Sandra Kühnel. Aber auch danach wird er sein Brunftverhalten nicht ablegen. „Für dieses Jahr können wir nicht mehr viel tun, aber für nächstes Jahr“, so Kühnel.

Bis etwa Ende Oktober wird die Brunftzeit noch anhalten. Danach sollen in den Gehegen sogenannte Hochzeitsgänge angelegt werden – auch beim Rotwild. Das sind Zäune oder Pfosten, durch die nur die Kühe passen. Die Hirsche bleiben mit ihren Geweihen hängen. Und auf der anderen Seite können sich die Kühe zurückziehen.

Um den Inzest unter den Elchen zu vermeiden, habe man laut Ronald Ennersch schon lange überlegt, wie die Geschlechter getrennt werden können. „Wir wollten den Bullen abgeben.“ Aufgrund seines hohen Alters habe man diese Idee wieder verworfen. Bei einer chirurgischen Kastration meldete der Tierarzt zunächst Bedenken an. Und die im Sommer 2017 geborenen Kühe weggeben?

Die waren den Tierpflegern ans Herz gewachsen, zutraulich geworden. Nachgedacht wurde auch über einen Zaun im Gehege, aber am Ende entschied man sich für die Hormonspritze, was leider nicht funktionierte. „Elche sind nicht einfach zu halten“, resümiert Ronald Ennersch.

Die Tiere sorgten in den vergangenen Jahren immer wieder für Schlagzeilen. Eine Zwillingsgeburt weckte im Sommer 2016 die Hoffnung auf eine erfolgreiche Zucht. Doch nach wenigen Wochen starb eines der Babys überraschend an Gelbsucht. Kurz darauf auch das zweite. Im Juni 2017 kamen zwei neue Mini-Elche zur Welt. Ein halbes Jahr später starb jedoch die Elch-Mama. Ihre Zwillinge waren da schon groß genug und nicht mehr auf sie angewiesen. Seitdem war der Bulle „alleinerziehend“.