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Eine Revue, die berührt

„Go Trabi Go“ in der Comödie löst beim Dresdner Publikum ungekannte Freude aus, auch wenn der Charme des filmischen Vorbilds unerreicht bleibt.

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© ROBERT JENTZSCH

Von Marcus Moeller

Blauer Hut, ramponierte Nase. Da steht er wieder: der Schorsch. Den heimlichen Hauptprotagonisten des Kultfilms „Go Trabi Go“ auf eine Theaterbühne zu bringen, ist ein recht ambitioniertes Vorhaben. Umso schwieriger ist es, auch die Geschichte um ihn herum ins Theater zu bringen. Schließlich prägt das 1991 entstandene Roadmovie ein besonderes Flair – eine Atmosphäre irgendwo zwischen Aufbruchstimmung, Lust und Überforderung, nicht unerheblich gewürzt mit einem selbstbewusst ostdeutschen Charme, der in Vergessenheit geraten scheint. Christian Kühn, Intendant der Comödie Dresden, und Regisseurin Katja Wolff gelingt es letztlich aber doch.

Den Film als Musicalfassung auf die Bühne zu übersetzen, ist dabei einleuchtend. Die von Carsten Golbeck geschriebenen und von Dominik Walenciak komponierten Songs gehen ins Ohr und sind oft einfühlsam im Bezug auf die Emotionen der Protagonisten.

Rotziger und freakiger

Trotz einer gewissen Statik erfreut das Bühnenbild mit Details, die an den Film erinnern: Der Riss in Jacquelines Hose, das Sofa der Ambergers und natürlich Schorsch. All das wird ziemlich originalgetreu auf die Bühne gebracht.

Anders sieht es bei den Protagonisten aus – eine sinnige Entscheidung. Die Darsteller verfallen nicht der Versuchung, Filmgrößen wie etwa Wolfgang Stumph in ihrer Darstellung zu imitieren. Stattdessen interpretieren sie die Rollen eigenständig. So ist Lorenz Liebolds Udo zarter und freakiger als im Film, was auf der Bühne mehr Wirkung hat, als es der trockenere Film-Udo hätte. Lucille-Mareen Mayr kommt als Jacqueline im Vergleich zum Film deutlich rotziger daher, was der Rolle aber keinen Abbruch tut.

Auch das weitere Ensemble überzeugt mit Präsenz und gekonntem Tanz – Tim Ludwig, Thomas Zigon und Silvana Schollmeyer stechen besonders ins Auge. Ein ähnlicher Mut bezüglich Abweichungen im Text hätte der Inszenierung gutgetan. Natürlich ist hier die Liebe zur Filmvorlage spürbar und auch wichtig. Dennoch hätten einige Textsequenzen entweder anders ausgelegt oder weggelassen werden sollen. Der alltagsrassistische Monolog des bayrischen Vaters Bernd Amberger (Tim Ludwig) beispielsweise wird deutlich verstärkt und aggressiver dargestellt, was sehr wirkungsvoll ist. Derartige Modifikationen hätten auch manch anderer Szene gut zu Gesicht gestanden.

Andererseits wird hier und da die Möglichkeit ausgelassen, den emotionalen Tiefgang einiger Filmszenen mit auf die Bühne zu nehmen. Hier ist die Darstellung teils zu karikativ und choreografisch. Dabei wüssten die technisch versierten Darsteller mit mehr Freiraum sicher einiges anzufangen. Was besser gelingt, ist die Hommage an den Film. Es ist spürbar, wie viel Herzblut in der Produktion steckt. In der zweiten Hälfte, nach Leberwurschtbemmchen in der Pause, entwickelt sich zwischen Publikum und Ensemble eine Dynamik, die man als ein „Abfeiern“ des Filmes bezeichnen könnte. Ein schönes kollektives Gefühl, das weit über das Stückende hinaus anhält.

Die Comödie Dresden punktet hier mit besonderer Herzlichkeit und Nähe zum Publikum. So gelingt es letztlich, in den Zuschauern ein Gefühl auszulösen, wie es seit der Wendezeit bei manch einem Dresdner selten geworden sein mag.

Wieder vom 2. bis 20. Oktober fast täglich, teils mit zwei Vorstellungen am Tag; Kartentel. 0351-866410