Merken

Ein Land wie kein anderes

Sachsen reden in der Dresdner Frauenkirche über Sachsen. Es geht dabei nicht nur um schöne Frauen.

Teilen
Folgen
© Ronald Bonß

Von Thilo Alexe

Das ist mal eine unerwartete Eröffnung. Was sie denn, will Moderatorin Alexandra Gerlach von ihren Gästen wissen, an Sachsen liebenswert finden. Die schönen Sächsinnen, die jung und gut ausgebildet sind, lautet eine spontane Antwort.

Sie stammt nicht von einem Mann, sondern von Sylvia Pfefferkorn. Die Unternehmerin, die eine Marketing-Agentur in Dresden führt, engagiert sich im Verein Wirtschaft für ein weltoffenes Sachsen für die Integration ausländischer Fachkräfte. Als sie nach der Wende beruflich gelegentlich nach Köln reiste, so die Marketingfachfrau, sei sie oft gefragt worden, wo sie herkomme. Die Reaktion fiel in der Regel so aus: „Das merkt man ihnen gar nicht an.“

Sylvia Pfefferkorn kann viel erzählen über Vorurteile gegen Ostdeutsche. Im Rahmen des Forums Frauenkirche diskutiert sie mit Sachsens Gleichstellungsministerin Petra Köpping (SPD), der früheren Grünenabgeordneten Antje Hermenau und dem „Prinzen“-Sänger Sebastian Krumbiegel. Motto der Runde am Donnerstag: „Ein Land wie kein anderes? Mit Sachsen über Sachsen reden“.

Ist die aktuelle Außenwahrnehmung des Bundeslandes, in der Pegida und rechtsextreme Protestmärsche eine große Rolle spielen, gerechtfertigt, fragt Gerlach. Das Podium ist sich rasch einig: Nein. Krumbiegel freut sich über tolle Menschen nicht nur im Leipziger Kiez und die allgegenwärtige Musik von Bach, die „der Hammer“ sei. Jeder setzt die Akzente aber anders.

Die Ex-Grüne Hermenau, die mittlerweile für die Freien Wähler aktiv ist, konstatiert mit Blick auf das aktuelle Sachsen-Image: „Ich finde, das Bild ist verzerrt.“ Wie sie empfindet auch Köpping die „Spiegel“-Schlagzeile, die das Wort Sachsen in Fraktur zeigte, als „diskriminierend“. Die Ministerin weist jedoch auf den Rechtsextremismus hin. „Sachsen hat etwas aufzuarbeiten. Aber wir tun das auch.“

Krumbiegel wirft ein: „Das war nicht immer so.“ Als Beispiel führt er die von ihm als Kriminalisierung empfundene Haltung der Regierung gegenüber friedlichen Blockaden von Neonaziaufmärschen rund um den 13. Februar in Dresden an. „Das war ein Fehler.“ Im Verlauf der knapp zweistündigen Diskussion, bei der das Frauenkirchenforum mit Deutschlandfunk Kultur, MDR und Sächsischer Zeitung kooperiert, sagt Sylvia Pfefferkorn angesichts des hohen Fachkräftebedarfs in der Wirtschaft: „Wir müssen weltoffen sein.“

Krumbiegel sieht das auch so, ergänzt aber mit Blick auf Kriegsflüchtlinge, dass in der Debatte auch Humanität und Respekt gefragt seien. Er erhält Applaus. Die Diskussion streift etliche Aspekte. Es geht um die Abwanderung von 700 000 Sachsen seit der Wende. Es geht darum, dass jeder dritte Beschäftigte im Freistaat Geringverdiener ist. Und es geht um das weit verbreitete Gefühl, Bürger zweiter Klasse zu sein.

Hermenau spricht augenzwinkernd von „sächsischer Heimtücke“. Unzufriedene wählten zunächst nicht, dann die Linke, schließlich die AfD und sympathisierten schlussendlich mit Pegida. „Es gibt viele Menschen, die sagen, jetzt habe ich mich genug verändert, es muss jetzt mal reichen.“ Die Thesen sind nicht neu. Doch das Interesse von rund 250 Besuchern zeigt: Der Bedarf an solchen Debatten ist groß.