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Die Schmutzpolizei

Hygiene ist in den Weißeritztal-Kliniken Aufgabe einer eigenen Abteilung. Auf Spurensuche mit den Experten.

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© Karl-Ludwig Oberthür

Von Tobias Winzer

Pünktlich 9.30 Uhr setzt sich die Patrouille in Bewegung. Matthias Reiter geht voran, er hat ein Klemmbrett unterm Arm. Im Empfangsbereich des Freitaler Klinikums wischt er mit dem Finger über die Oberkante von Bilderrahmen und Informationstafeln, inspiziert die Ritzen der Sessel und schaut auf den Fußboden. Da, der böige Wind, der an diesem Tag durchs Weiße-
ritztal pfeift, hat Blätter durch die große Eingangstür hereingeweht. Reiter sieht die Leiterin des Reinigungsteams an. Ursula Baudendistel nickt. „Das ist nicht zu verhindern, aber wir kümmern uns“, sagt sie.

Bei der Kontrolle wird eine Checkliste abgearbeitet.
Bei der Kontrolle wird eine Checkliste abgearbeitet. © Karl-Ludwig Oberthür
Mit solch einem Trolley ist jede Reinigungskraft ausgestattet.
Mit solch einem Trolley ist jede Reinigungskraft ausgestattet. © Karl-Ludwig Oberthür
Auch der Füllstand und die Sauberkeit von Desinfektionsmittelspendern werden überprüft.
Auch der Füllstand und die Sauberkeit von Desinfektionsmittelspendern werden überprüft. © Karl-Ludwig Oberthür

Nichts ist schlimmer, als wenn Patienten und Besucher schon am Empfang das Gefühl bekommen, hier sei es nicht reinlich genug. Sauberkeit und Hygiene – sie sind hohe Ansprüche an jedem Krankenhaus. Deshalb sind Reiter, Baudendistel und Daniela Menzel, die leitende Hygienefachkraft der Klinik, heute wieder einmal auf ihrer Inspektionsrunde.

Weiter geht es zur Cafeteria, ein gut frequentierter Bereich, in dem sich auch viele Besucher aufhalten. Reiter wischt an den Leisten und Türrahmen entlang, dann geht es in die Besuchertoilette. Daniela Menzel übernimmt das Damenklo. Sie kniet vor dem Waschbecken nieder und schaut nach Tropfnasen, wirft einen Blick auf den Hebel der Mischbatterie, wischt mit dem Finger über den Seifenspender. Nichts, tipptopp sauber.

Das Freitaler Klinikum wird von Ursula Baudendistel und ihren 28 Mitarbeitern geputzt. Sie arbeiten für einen externen Dienstleister, der auf Reinigung spezialisiert ist. Für jedes Patientenzimmer, jeden Gang, jedes Büro, jeden Sanitärraum und OP-Saal, für jede Abstellkammer gibt es einen vorgegebenen Putzplan. Der listet auf, wie oft was mit welchem Lappen gereinigt wird. „Das ist ein ausgeklügeltes System“, sagt Hygiene-Chefin Daniela Menzel. Und es wird oft kontrolliert. Menzel, Reiter und Baudendistel sind heute auf der sogenannten QM-Begehung, einer Kontrolle, die per Augenschein überprüft, wie gründlich Möbel, Einrichtungsgegenstände, Fensterbänke und Fußböden gewienert wurden.

Es geht in die dritte Etage, Gynäkologie. Laut einer hauseigenen Umfrage gab es hier zuletzt einige unzufriedene Patientinnen. Nur wenige, aber die Sauberkeitspatrouille will mal nachschauen. Reiter und Menzel entscheiden sich per Zufallsprinzip für ein Zimmer, klopfen, keine Antwort. Sie gehen hinein, Ursula Baudendistel folgt. Der Raum ist nicht belegt. Über die zwei frisch bezogenen Betten sind Folien gespannt. Matthias Reiter verschwindet im Bad, Daniela Menzel kontrolliert Fensterbank, Heizkörper, Lichtleiste. Sie schaut an die Decke und sucht nach Spinnweben. Nichts. Hinter dem Kopfende eines Bettes wird sie fündig. Eine Holzverblendung, die die gesamte Wand entlangläuft und den Putz vor Stößen mit Bett oder Nachttischschrank schützen soll, ist verstaubt. Der Staub an der Leiste ist aber nicht das eigentliche Problem. Viel wichtiger ist es, dass Stellen, mit denen Patienten oder Besucher in Berührung kommen, absolut sauber und keimfrei sind. „Lichtschalter, die Drücker der Toilettenspülung, Türklinken – dort sollten sich weder Schmutz noch Keime finden“, sagt Menzel. Dafür gibt es extra Kontrollen, bei denen auch Proben genommen werden.

Dahingehend steht das Freitaler Krankenhaus gut da, wie die Auswertung von Umfragen ergab. 15 000 stationäre und 31 000 ambulante Patienten lassen sich im Jahr hier behandeln. Nur 3,5 Prozent bemängeln die Sauberkeit und Hygiene. In einem deutschlandweiten Vergleich aller Helios-Kliniken liegt Freital bei den drei wichtigsten Keimgruppen jeweils im oder unter dem Durchschnitt, in einem Fall an der Obergrenze des Durchschnitts. Das heißt, sowohl mitgebrachte als auch im Krankenhaus erworbene Infektionen kommen hier nicht häufiger vor als anderswo.

Die Internetnutzer sehen das teilweise etwas anders. Als im November in der Sächsischen Zeitung ein Interview zum Krankenhaus erschien, gab es neben Lob auch Kritiken, einige betrafen Sauberkeit und Hygiene. Eine Patientin berichtete, dass sie selbst im Gesundheitswesen arbeite und wisse, wie geputzt werden muss: „So jedenfalls nicht“, kommentierte die Frau. Eine andere schrieb, dass sie eine Woche im Krankenhaus verbracht habe und dabei sei nur einmal eine Putzfrau gekommen.

Kann das sein, Frau Menzel? Die schüttelt den Kopf. „Alle Patientenzimmer werden nach einem bestimmten Plan täglich gereinigt. Das wird dokumentiert und stichprobenartig überprüft.“ Lediglich eine Sonntagsreinigung könne bei Bedarf entfallen, wenn das Zimmer nicht belegt ist. Die Putzfrauen fangen 5 Uhr morgens an. „Teilweise schleichen sie sich herein, wenn die Patienten noch schlafen, die merken das gar nicht“, bekräftigt Matthias Reiter. Oder die Frauen kommen, wenn Patienten zur Untersuchung sind, auf den Gängen herumschlendern, in der Cafeteria sitzen.

Der große Unbekannte der Saubermänner ist allerdings: der Besucher. Was Gäste ins Krankenhaus reinschleppen, ist unkontrollierbar, kann aber zum Problem für die Patienten werden. Daniela Menzel: „Wir bitten daher gerade jetzt in der kalten Jahreszeit alle, die erkältet sind, Magen-Darm-Infekte oder andere Infektionskrankheiten haben, Besuche zu vermeiden.“