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Der blinde Blitzer

Auf der B 96 wird nachts gerast. Trotz eines „Starenkastens“ in Großpostwitz bei Bautzen - denn der hat eine entscheidende Schwäche.

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© Steffen Unger

Von Katja Schäfer

Großpostwitz. Genervt sind sie. Und enttäuscht. Dabei waren Horst Döcke und Irene Schramm doch so froh, als in Nähe ihres Hauses an der B 96 im Großpostwitzer Ortsteil Rascha ein stationärer Blitzer aufgestellt wurde. Endlich weniger Raserei, endlich weniger Lärm, waren sie zuversichtlich. Knapp fünf Jahre ist das jetzt her und die Hoffnung längst verflogen. „Nachts nutzt der Blitzer wenig. Da rasen einige – vor allem Jugendliche – trotzdem hier lang, werden aber nicht geblitzt. Und wir haben nach wie vor den Lärm“, ärgert sich Horst Döcke, dessen Haus direkt an der Bundesstraße steht.

Schuld an der Misere ist der Fakt, dass der Blitzer immer nur eine Fahrbahnseite erfasst. „Viele wissen das und fahren einfach auf die andere Seite rüber, wenn gerade kein Gegenverkehr kommt“, sagt der Raschaer. Andere bremsen am Blitzer kurz ab und geben danach umso kräftiger wieder Gas. Nicht nur Autos, auch Laster. Fakt sei, so Horst Döcke, dass nachts auf der B 96 regelrechte Straßenrennen gefahren würden. Mit ärgerlichen Folgen für die Anwohner. „Wegen dem ganzen Lärm, den ganzen Abgasen können wir kein Fenster aufmachen“, berichtet Irene Schramm. – Ganz unnütz ist der Blitzer in Rascha aber nicht. Im vergangenen Jahr hat er immerhin 4 640 Zu-schnell-Fahrer erwischt. Das sind im Durchschnitt 13 an jedem Tag, an dem er mit einer Messanlage – die zwischen mehreren Blitzerstandorten hin und her wechselt – bestückt war. Diese Zahl hat seit Einrichtung des Standortes im Jahr 2013 kontinuierlich abgenommen. 2014 wurden durchschnittlich 24 Ordnungswidrigkeiten pro Messtag registriert. 2015 waren es nur noch 17. Offensichtlich gewöhnen sich die Autofahrer immer mehr daran, dass sie an dieser Stelle die Höchstgeschwindigkeit von 50 Kilometer pro Stunde einhalten müssen, wenn sie nicht zahlen oder gar für eine Weile laufen wollen. Im Wesentlichen werden nur noch Ortsunkundige und Unaufmerksame geblitzt.

Umrüstung dauert mehrere Jahre
Dass manch einer an den Messschleifen vorbeifährt, ist nach Aussagen von Dunja Reichelt von der Pressestelle des Bautzener Landratsamtes bekannt. Nicht nur in Rascha komme das vor, sondern an allen stationären Blitzern im Landkreis. Also zum Beispiel auch in Wehrsdorf, Schirgiswalde und Plotzen. Doch ein Ende dieses Zustandes ist in Sicht; wenn auch in weiter Ferne. „Mit der sukzessiven Umrüstung der Anlagen von alter auf moderne Technik ist das Vorbeifahren dann nicht mehr möglich“, sagt Dunja Reichelt. Die neuen Anlagen – eine davon steht zum Beispiel schon in Ottendorf-Okrilla – erfassen gleichzeitig beide Fahrbahnseiten.

Das Auswechseln der Blitzer hat vor drei Jahren begonnen. Aus finanziellen Gründen sind pro Jahr aber nur ein bis zwei Anlagen dran. Bis die Umrüstung aller Standorte im Landkreis abgeschlossen ist, dauert es voraussichtlich noch zehn Jahre, heißt es aus dem Bautzener Landratsamt.

Horst Döcke, Irene Schramm und viele weitere Anwohner der B 96 in der Gemeinde Großpostwitz wünschen sich deshalb zusätzliche Geschwindigkeitskontrollen. Vor allem in den Nächten. Doch nachts sind die mobilen Messeinrichtungen des Bautzener Landratsamtes nicht im Einsatz. Auch auf andere Maßnahmen, die für mehr Ruhe auf der Bundesstraße vor ihren Häusern sorgen könnten, brauchen die lärmgeplagten Großpostwitzer nicht zu hoffen. Das machte Bürgermeister Frank Lehmann (parteilos) deutlich, als der Gemeinderat sich kürzlich mit der Lärmkartierung befasst hat – wie vom Freistaat Sachsen in regelmäßigen Abständen gefordert. „Der Bau einer Umgehungsstraße für Großpostwitz ist unrealistisch, vor allem weil die B 96 hier ja erst kürzlich ausgebaut wurde“, sagte der Bürgermeister. Und auch dem Vorschlag einiger Bürger, die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 30 Kilometer pro Stunde zu reduzieren, räumt er keine Chancen auf Umsetzung ein.

Straße ist größte Lärmquelle
Großpostwitz war – wie viele anderen Städte und Dörfer im Landkreis auch – jetzt zum zweiten Mal dazu aufgefordert, sich mit dem Thema Lärm auseinanderzusetzen. Für Krach sorgt im Gemeindegebiet hauptsächlich die B 96 – und dafür ist der Bund zuständig. Konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Situation stehen momentan nicht in Aussicht. „Ein Ergebnis der ersten Aktion war der Blitzer in Rascha“, erinnert sich Frank Lehmann. Er sollte dafür sorgen, dass sich die Autofahrer auf der Bundesstraße an die zulässige Höchstgeschwindigkeit halten und so vor allem für mehr Sicherheit, aber auch weniger Lärm sorgen. Das klappt jedoch nur bedingt – wie die Erfahrungen von Horst Döcke, Irene Schramm und etlichen anderen Anwohnern zeigen.