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Ausgelatscht

Die Berthelsdorfer Hausschuh- und Pantoffelfabrik produziert nicht mehr. Damit endet auch ein Stück Ortsgeschichte.

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© momentphoto.de/bonss

Von Anja Beutler und Doreen Reinhard

Es ist ein Bild aus besseren Zeiten: Pantoffelmacher und Firmenchef Andreas Förster türmt die Produkte seiner Firma Ha-Pa vor sich auf: Latschen und Hausschuhe in braun-kariertem Design – das viele noch aus DDR-Zeiten kennen – sind dabei. Dazwischen finden sich neue Formen, Farben und Materialien. Ein bisschen mit der Zeit sind natürlich auch die Berthelsdorfer Latschenfabrikanten gegangen – auch wenn sie auf Maschinen aus den 70er-Jahren produziert haben.

Im vergangenen Jahr endete aber der Weg dieses Pantoffel-Unternehmens in der Insolvenz. Eine Dresdener Insolvenzverwalterin kümmert sich noch um die zu erledigenden Sachen der Ha-Pa Hausschuhe und Pantoffeln GmbH. Zum aktuellen Stand der Dinge macht sie aber keine Angaben. In den Händen des früheren Ha-Pa-Chefs Förster liegt lediglich noch der Immobilienverkauf in Berthelsdorf. Förster selbst hat einen neuen Job, ebenso wie eine weitere der drei zuletzt noch verbliebenen Angestellten. Die anderen beiden Ha-Pa-Mitarbeiterinnen sind im Ruhestand, erklärt Förster. Leicht ist das Ende keinem von ihnen gefallen.

Warum alles so gekommen ist, liegt in seinen Augen vornehmlich an drei Gründen. Erstens war der Absatz der Ha-Pa-Latschen seit mehreren Jahren rückläufig, der Markt schrumpfte nach und nach zusammen. Konkurrenz gibt es schließlich genügend. Zudem ist es modern, sich gar keine Hausschuhe mehr in den eigenen vier Wänden anzuziehen, sondern gleich in Anti-Rutsch-Socken oder barfuß zu laufen. Zweitens bestand keine Aussicht auf eine Firmennachfolge, wenn die bisherigen Mitarbeiter oder die beiden Gesellschafter – neben Förster ist das Verena Neumann – in den Ruhestand gehen. Und drittens saßen der kleinen Firma die Lieferverträge mit den Großmärkten im Nacken. Denn diese verpflichten die Ha-Pa bei einer Bestellung rasch und in voller Höhe zu liefern. Wann welcher Auftrag zu erwarten ist, blieb für den Hausschuhproduzenten aber immer eher dem Zufall überlassen: Zeit und Umfang der Bestellung waren schlecht zu kalkulieren – die Gefahr einer saftigen Vertragsstrafe schwebte daher fortwährend über der Firma. Ein einfacher Ausstieg aus diesen Vereinbarungen war für das Unternehmen laut Förster allerdings nicht so ohne Weiteres möglich.

Früher garantierte der Pantoffel gute Geschäfte. In der Lausitz gab es einige Manufakturen. Allein in Berthelsdorf gab es drei, die sich Anfang der 60er-Jahre zusammenschlossen. Es war die Geburtsstunde der Fabrik, die zehn Jahre später vom Staat vereinnahmt wurde. Die Ha-Pa war nun ein VEB. Die Bilanzen hat das gestärkt, denn der Großhandel regelte den Absatz und ließ sich auf Streitereien über Geschmäcker gar nicht erst ein. An die Füße der Verbraucher kam damals das, was im Schuhladen lag, und im Hausschuh-Fach machte vor allem ein Design Karriere: der Kamelhaar-Treter in Braun-gelb.

Förster hatte den Oldie weiter im Sortiment. „Ist eben ein Klassiker, daran kommt man nicht vorbei“, wenn man auf dem Hausschuh-Markt überleben will, erklärte er noch vor einigen Jahren. Der Zusammenbruch des DDR-Systems hat die Lausitzer Fabrik erschüttert. Gut 60 Mitarbeiter hatten hier jedes Jahr über eine halbe Million Pantoffeln produziert. Verkauft wurden sie von der Ostsee bis zum Erzgebirge. Als die Mauer fiel, wusste keiner, wie es weitergehen soll. Auch Andreas Förster nicht, im Kollektiv damals noch ein Neuling. 1988 hatte er als Maschinenbauingenieur bei der Ha-Pa begonnen und wollte so schnell nicht wieder gehen. Zwei andere Mitarbeiter sahen das genauso. Gemeinsam entschlossen sie sich zum Neuanfang. „Wir haben ganz einfach versucht, unsere Jobs zu retten“, sagt Förster.

Eine ganze Weile ist das auch gelungen. Auch wenn die Ha-Pa nicht mehr existiert, ihre Latschen werden noch ein paar Fußstapfen hinterlassen.