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Aufregung um ein Anti-Pegida-Lied

Ist es verwerflich, wenn in Klassenzimmern arabische oder No-Pegida Lieder erklingen? In Meißen ist die Frage nun aktuell.

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© Claudia Hübschmann

Von Marcus Herrmann

Meißen. Die Empörung – besonders in den Sozialen Netzwerken – ist groß. Zu Recht oder Unrecht, bei dieser Frage gehen die Meinungen naturgemäß auseinander. Das bringt das Thema so mit sich, speziell in dieser bewegten Zeit, in der sich besorgte Bürger gerne zu Wort melden.

Was war passiert? Am Montagabend tauchte auf der Facebook-Seite des Meißner Pegida-Orga-Vize Siegfried Däbritz ein Post auf. Zu sehen ist ein Foto eines bedruckten Blattes Papier, das mit einem Text in arabischer Sprache inklusive arabischer Buchstaben versehen ist. Darunter taucht unter der Überschrift „Rap“ ein gereimter Vierzeiler auf, der Pegida mehr oder weniger deutlich mit Nazis gleichsetzt. Unter anderem heißt es im Wortlaut: „No Pegida, denn Dresden ist bunt, in dieser Stadt ist kein Platz für Nazis aus diesem Grund“. Beide Texte, sagt Däbritz auf seiner Facebook-Seite, stammten aus dem Musikunterricht der Fünft- und Sechstklässler der Freien Werkschule Meißen. Dort gehöre so etwas nun anscheinend zum Liedgut. Vor allem die arabische Textpassage lässt aufhorchen, entspringe angeblich einem Kampflied islamistischer Rebellen, die darin ein Hohelied auf ihre Heimat und deren Schutz singen.

Bis Mittwochabend wurde der Post 155 Mal geteilt. Neben zum Teil heftigen Reaktionen von Nutzern wie „Das darf doch wohl nicht war sein, Wenns jetzt schon mit den Kindern losgeht haben wir verloren. Warum sind die einheimischen Menschen nur so dumm?“, gab es im Netz auch Fragen, die Raum für Diskussionen lassen. So schreibt Robert Mauersberger: „Pluralistische Meinungsbildung sieht anders aus, als den kleinen Kindern zu suggerieren, alle Pegidamitglieder sowie Asylgegner seien Nazis.“ Auch wenn sein weiterführender Kommentar sich zu direkten Angriffen auf die Lehrer, die Schulleitung und die Werkschule herablässt, muss sich die Schulleitung mit dem ersten Vorwurf nicht doch kritisch auseinandersetzen? In einem Statement seitens der Werkschule versucht das der Schulleiter für Mittelschule/Berufliches Gymnasium Sven Geißler. Gleichzeitig erläutert er den Hintergrund des Vorkommnisses. Geißler bestätigt zunächst, dass es sich tatsächlich um ein Lied und einen Rap handele, die an der Schule gesungen wurden.

Im Herbst dieses Jahres habe eine deutsch-arabische Lehramtspraktikantin in einer Gruppe der Klasse 10, in der ein arabisch sprechender Schüler weilt, ein arabisches Lied eingeführt. Der Schüler habe so die ihm vertraute Sprache und Kultur seinen Mitschülern näherbringen können.

„Inhalt des Liedes ist die Verbundenheit mit dem eigenen Land. Es enthält keine politischen Wertungen und Botschaften“, teilt der Schulleiter mit. Zielsetzung des Unterrichts sei vielmehr die Lautvermittlung des Arabischen, seiner poetischen Sprache sowie die Integration des neuen Mitschülers gewesen. Ferner engagiere sich die Praktikantin in der Flüchtlingshilfe und berichte mit einem Chor von Migranten über eigene Erfahrungen.

In diesem Zusammenhang habe sie auch den Rap vorgestellt. „Der Text wurde von den Kindern und Jugendlichen in den Gruppen besprochen und über die Inhalte diskutiert. In der Diskussion gab es kontroverse Meinungen zur Formulierung des Textes. Diese Diversität war gewünschtes Stundenziel und wurde kompetent von den Lehrern moderiert. Zu keinem Zeitpunkt gab es einen Zwang, diesen Rap zu singen“, erklärt Sven Geißler. Zum Schluss teilt er mit: „Die Freie Werkschule Meißen erachtet die pluralistische Meinungsbildung als eines ihrer primären Ziele. Dazu gehören eine multiperspektivische Sichtweise und die Möglichkeit zu kontroverser Diskussion von komplexen Sachverhalten.“

Doch was für ein Lied aus dem Arabischen wurde da von den Schülern gesungen? Enthält es wirklich keine politischen Wertungen, wie die Schule erklärt? Es handelt sich um das Lied „Sawfa Nabqa Huna (deutsch: „Wir werden hier bleiben“).

Rein textuell ist es nicht verfänglich, an manchen Stellen kämpferisch (etwa: „Mein Heimatland, Heimat der Stolzen trotz aller Feinde, trotz aller Flüche“), aber nicht dezidiert politisch oder gar gewaltverherrlichend. Nichtsdestotrotz hätte den Lehrkräften bekannt sein können, dass das Lied in der arabischsprachigen Welt auch als Hymne von islamischen Widerstandskämpfern verwendet wird. Es gibt aber eben auch eine ganz andere Lesart. So haben es viele Facebook-Nutzer letztlich positiv gesehen, dass sowohl die für einen Rap nicht unübliche Überspitzung des „No-Pegida-Songs“ als auch das arabische Lied im Klassenverband diskutiert worden sind. So schreibt etwa Ellen Scharmentke: „Ich freue mich, dass ihr offen kommuniziert und an Integration und eigenständiger Meinungsbildung eurer Schüler arbeitet.“