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Angriffe in der Anstalt

Die Arbeit in Sachsens Gefängnissen wird gefährlicher. Ein Grund ist die gestiegene Anzahl von Gefangenen aus einer Gruppe.

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© dpa/Sebastian Willnow

Von Alexander Buchmann

Mehr als 3 600 Menschen sitzen derzeit in Sachsen im Gefängnis. Und die greifen immer öfter die Bediensteten der Justizvollzugsanstalten an. So wie im Juni, als ein Insasse der JVA Dresden in seiner Zelle randalierte und mit einem Stuhl das Fenster zerstörte. Als er daraufhin aus dem Haftraum entfernt wurde, leistete er massiven körperlichen Widerstand und beschimpfte die Beamten.

Allein im ersten Halbjahr 2018 wurden nach Angaben des sächsischen Justizministeriums in den zehn Gefängnissen im Freistaat 23 Übergriffe auf Bedienstete angezeigt. Bleibt es bei dieser Häufigkeit der Vorfälle, droht 2018 ein Rekordjahr zu werden. Die einzige gute Nachricht: Zu schweren körperlichen Verletzungen sei es bei den Übergriffen nicht gekommen, teilt das Justizministerium mit.

Doch die Tendenz bei den Angriffen auf JVA-Beamte ist eindeutig, wie die Antwort des Ministeriums auf eine Anfrage der Grünen-Abgeordneten Katja Meier zeigt. Demnach wurden im Jahr 2014 insgesamt nur sieben Strafanzeigen gestellt, die sich auf einen Vorfall in der JVA Zeithain und sechs in der JVA Dresden verteilen. Im Jahr darauf gab es schon 17 Fälle, 2016 dann 25. Im vergangenen Jahr zählte das Justizministerium 31 Angriffe – nur Fälle, bei denen Anzeige erstattet wurde. Das sind mehr als zehnmal so viele wie noch 2010.

Die Zunahme von Tätlichkeiten gegenüber Bediensteten führt das Justizministerium unter anderem auf den Anstieg bei der Anzahl an Gefangenen mit besonders problematischen Persönlichkeiten zurück. Zudem würden die gestiegenen Gefangenenzahlen in den letzten Jahren das Stresslevel sowohl für die Gefangenen als auch für die Beamten im Vollzugsdienst erhöhen, sagt Ministeriumssprecher Sebastian Hecht. Immerhin sitzen derzeit fast 170 Menschen mehr ein als 2014. Das wirke sich negativ auf das Anstaltsklima aus und lasse die Gefahr von Auseinandersetzungen steigen. Ein anderer Grund sei die ansteigende Zahl ausländischer Gefangener. Diese machten am 1. Juli dieses Jahres 28,5 Prozent aller Inhaftierten aus. An den 23 Übergriffen auf Beamte in diesem Jahr waren nach Ministeriumsangaben 18 Gefangene ausländischer Herkunft beteiligt. 2017 und 2016 entfällt auf diese Häftlingsgruppe knapp die Hälfte der Vorfälle. Vor allem Nordafrikaner würden die Bediensteten vor besondere Herausforderungen stellen. „Nicht selten drohen diese Gefangenen auch Selbstverletzungshandlungen an, um vermeintliche Ansprüche durchzusetzen“, sagt Hecht. Sprachbarrieren und die Herkunft aus verschiedenen Kulturkreisen führten schnell zu Missverständnissen und dadurch zu Spannungen im Haftalltag.

Gänzlich schützen können sich die Bediensteten nicht. Baulich-technische Sicherheitsvorkehrungen wie Alarmsysteme, bauliche Abtrennungen oder die Videoüberwachung von Fluren sollen aber dabei helfen, solchen Vorkommnissen entgegenzuwirken. Die Beamten würden in Deeskalation und Eigensicherung ausgebildet. Sie seien zudem mit einem Funkgerät ausgestattet, über das ein Alarm ausgelöst werden kann, heißt es vom Justizministerium.

Bei den Inhaftierten sollen vorsorgliche Interventionsmaßnahmen durch Psychologen und Sozialarbeiter helfen, Übergriffe zu verhindern. Kommt es dennoch dazu, drohe den Tätern die Einleitung eines Disziplinarverfahrens. Möglich sei auch die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen, etwa die Unterbringung in einem besonders gesicherten Haftraum oder Fesselung sowie die Verlegung in einen anderen Haftbereich oder in eine andere Justizvollzugsanstalt. „Generell werden solche Verstöße von Straf- oder Jugendstrafgefangenen auch im Rahmen der Vollzugs- und Eingliederungsplanung mit negativen Folgen berücksichtigt“, sagt der Ministeriumssprecher. Das kann bedeuten, dass den Gefangenen keine Lockerungen des Vollzuges gewährt werden, etwa ein Ausgang.

Die Leiter der Gefängnisse müssen den Verdacht einer Straftat zudem immer der zuständigen Staatsanwaltschaft anzeigen. „Der Strafrahmen für einen tätlichen Angriff auf einen Vollstreckungsbeamten beträgt drei Monate bis fünf Jahre Freiheitsstrafe“, erklärt der Sprecher.