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Zum Warten verdammt

Mieter auf der Blasewitzer Straße in Dresden leben seit Wochen mit einer Baustelle. Manche haben nicht mal eine eigene Toilette.

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© Sven Ellger

Von Julia Vollmer

Nur das Allernötigste haben sie mitgenommen. Ein Wandbild hängt vor der Küchentür, eine Blumenvase soll die triste Wohnung ein wenig heimelig werden lassen. Denn die aktuellen vier Wände von Petra Borrmann und Dieter Gössel sind nicht ihre eigenen. Sie leben seit Anfang Oktober in einer Ausweichbleibe. Ihre eigentliche Wohnung in der Blasewitzer Straße 52 wird saniert. Die Alternativlösung ist im gleichen Haus, einem Elfgeschosser in der Johannstadt. Sie fühlen sich nicht wohl dort. „Es ist bald Weihnachten, wir wollen wieder zurück in unsere Wohnung und alles schmücken“, sagt Petra Borrmann.

Die Vonovia lässt das Hochhaus an der Blasewitzer Straße kernsanieren. Drei Wochen sollte die Sanierung der Bäder dauern, sagt die Familie. Jetzt ist Anfang Dezember, und nach wie vor ist das Haus eine einzige Baustelle. Überall liegen Kabel und Bauschutt. „Uns wurde keine einzige Verzögerung kommuniziert seitens der Vonovia, wir wollen endlich wissen, wie lange die Arbeiten noch dauern“, wünscht sich die 56-jährige Mieterin. Es gebe zwar ein Info-Büro der Mieterfirma im Haus, doch das sei immer völlig überlaufen. An der Hotline in Bochum melde sich meist niemand.

Vorerst sind ihr Lebensgefährte Dieter Gössel und sie zum Warten verdammt. Der 75-Jährige leidet unter der Situation besonders. Seit seinem Schlaganfall im Jahr 2012 sitzt er im Rollstuhl. In der Ausweichwohnung kann er ohne die Hilfe seiner Freundin das Bad nicht benutzen. Dass sie überhaupt eine Ausweichwohnung mit funktionierender Toilette und Dusche bekommen haben, ist nur dem Engagement von Petra Borrmann bei der Stadt zu verdanken. Aufgrund der Behinderung ihres Lebensgefährten wurden sie als Härtefall eingestuft. Die anderen Mieter müssen die Duschcontainer auf dem Hof benutzen. Für jeden Toilettengang steht der Weg nach draußen in die Kälte an. „Ein unhaltbarer Zustand“, schimpft ein Bewohner auf dem Gang.

Von Vonovia-Sprecherin Bettina Benner kommt Verständnis für den Unmut. „Uns ist klar, dass das alles Umstände für unsere Mieter bedeutet. Das bedauern wir ausdrücklich, können das im Rahmen der notwendigen Arbeiten aber leider nicht vollständig verhindern.“ Wann genau die Arbeiten fertig sein werden, vermag Benner nicht zu sagen. „Die Bauzeit für das Objekt beträgt rund ein Jahr, auch in Wintermonaten werden verschiedenste Arbeiten ausgeführt.“ Derzeit würden drei Stränge der Bauarbeiten parallel laufen. Baubeginn für den vierten Abschnitt sei Anfang November gewesen. Dort seien zum angekündigten Fertigstellungstermin alle Bäder wieder benutzbar gewesen. Verzögerungen gebe es noch bei den Malerarbeiten. Nach Beendigung der Bauarbeiten würden die Mieter eine Entschädigung bekommen. Was das genau heißt, lässt sie offen. Außerdem würde das Unternehmen alle betroffenen Mieter zu einem Theaterbesuch einladen. Das dürfte für die Betroffenen in der aktuellen Lage nur ein kleiner Trost sein.

Katrin Kroupová vom Mieterverein kennt die Lage an der Blasewitzer Straße. Sie rät allen Mietern, sich bei Problemen mit einer Ausweichwohnung beraten zu lassen. „Wer wegen Sanierungen aus seiner eigentlichen Wohnung ausziehen muss, kann die anfallenden Kosten, etwa für eine Ferienwohnung, beim Vermieter geltend machen.“ Auch einen Vorschuss für diese Kosten müsse der Vermieter zahlen.

Mit Sorgen blickt das Paar Borrmann und Gössel nun in die Zukunft. Zum einen wissen sie nicht, wann sie wieder in ihre Wohnung ziehen dürfen, zum anderen wurde ihnen eine saftige Mieterhöhung von der Vonovia angekündigt. „Statt 606 Euro sollen wir für unsere Dreiraumwohnung nach der Sanierung 700 Euro bezahlen“, erzählt Petra Borrmann. Wie sie das stemmen sollen, wissen sie noch nicht.

Vonovia-Sprecherin Bettina Benner reagiert ausweichend. „Die Mieter haben hierfür eine Modernisierungsankündigung erhalten. In dieser wird über Umfang, Beginn und Dauer der Arbeiten sowie die zu erwartende Mieterhöhung informiert.“ Bei den genannten Mieten handele es sich immer um eine erste Indikation. „Die schlussendliche Mieterhöhung wird erst am Ende der Maßnahmen festgelegt werden können – wenn alle Maßnahmen abgeschlossen und abgerechnet sind.“ Wann das sein wird, bleibt unklar. Zum Warten verdammt sind die Mieter also auch hier.