Merken

Zuhause im Unglück?

Vor einem Jahr griff RTL II Familie Thiere aus Großenhain bei der Sanierung des Hauses unter die Arme. Eine Hilfe, die sie ruinieren kann.

Teilen
Folgen
© Archiv/Anne Hübschmann

Von Catharina Karlshaus

Bauda. Nur noch zwei Tage. Zwei Tage, dann hat das Warten hoffentlich ein Ende. Dann bekommen Juliane und Alexander Thiere aus dem Großenhainer Ortsteil Bauda möglicherweise Antworten auf all ihre quälenden Fragen. Dann nämlich hat das junge Paar Gelegenheit, nach Köln zu fahren. An einen bisher unbekannten Ort hat die UFA GmbH am Sonnabendnachmittag zu einer Zusammenkunft eingeladen. Thieres und all den anderen betroffenen Familien möchte Deutschlands Nummer eins im Bereich Film- und Fernsehproduktionen die Möglichkeit geben, sich juristisch und steuerlich beraten zu lassen. Kostenlos.

Ein Angebot, das das Unternehmen mit Hauptsitz in Potsdam nicht ganz freiwillig unterbreitet. Denn was Thieres mit den Meyers, Schulze und Lehmanns aus der ganzen Bundesrepublik verbindet: Sie haben im Quotenrenner „Zuhause im Glück“ mitgewirkt. Ein seit 2005 überaus erfolgreiches Doku-Format auf RTL II, welches als die erfolgreichste Renovierungssendung Deutschlands von sich reden macht. Mehr als 200 Häuser hat das eingespielte Handwerkerteam um die Architekten Eva Brenner, John Kosmalla oder Mario Bleiker bisher hergerichtet. Und getreu dem Motto der Sendung nach eigenem Bekunden ebenso viele Menschen glücklich gemacht. Durch einen Schicksalsschlag in Not geratene Familien, die keine Kraft dafür haben, selbst den notwendigen Umbau ihres Eigenheims zu stemmen.

Menschen wie Juliane und Alexander Thiere. Im Frühjahr 2017 hatte das Fernsehteam in nur acht Tagen ihr sanierungsbedürftiges Heim umgebaut. Mit ihrem nunmehr fünf Jahre alten Jungen Lukas war das Paar vor drei Jahren in das Haus aus den 1930er-Jahren eingezogen. Schon bald kam Tochter Zoe zur Welt – leider unter großer Sauerstoffarmut. Bereits mehrfach operiert, kämpft das kleine Mädchen angesichts vieler schwerer, gesundheitlicher Beeinträchtigungen ums Überleben.

Was RTL II zum Steuer-Debakel sagt

Mit einer Wirtschaftsprüfung im März fing das Dilemma an: Mitwirkende des Quotenhits sollen vom Finanzamt nun zur Kasse gebeten werden. Die Sächsische Zeitung wandte sich deshalb mit einem Fragenkatalog an RTL II.

Seit Jahren existiert nun schon das erfolgreiche Sendeformat. Gab es vorher niemals etwaige Bedenken, dass das Finanzamt Forderungen hinsichtlich einer Steuer aufmachen könnte?

Aus all den Jahren war uns bisher kein Fall bekannt, in dem ein Finanzamt die Renovierungsleistungen bei „Zuhause im Glück“ als steuerpflichtiges Einkommen der Familien bewertet und tatsächlich Einkommensteuern bei einer der Familien eingefordert hat. Wie wir nun kürzlich erfahren haben, vertritt die Finanzverwaltung aber die Ansicht, dass Sach- und Dienstleistungen in sogenannten Helptainment-Formaten als einkommensteuerpflichtiges „Einkommen“ der Teilnehmer zu werten und von diesen damit zu versteuern sind. Dies stellt eine neue Sach- und Rechtslage dar.

Inwieweit wurden die mitwirkenden Familien darüber aufgeklärt?

Das Mitwirken an der RTL II-Dokusoap „Zuhause im Glück“ ist vertraglich geregelt. Die Familien werden vor Beginn der Dreharbeiten darüber in Kenntnis gesetzt, dass die Sachleistungen einkommensteuerpflichtig sein können. Dies ist im Vertrag so vermerkt. Die Umsatzsteuer für die gesamten Bauleistungen übernimmt RTL II.

Welche praktischen Möglichkeiten der Unterstützung sehen Sender und Produktionsfirma UFA nun kurzfristig für betroffene Familien? Ist eine Sonderregelung bis zum Stichtag der Wirtschaftsprüfung denkbar?

Auch wenn wir die Auffassung der Finanzverwaltung dem Grunde und auch der Höhe – des angeblich steuerpflichtigen Einkommens –nach nicht teilen, haben wir auf diese neue Lage reagiert. Mit den Familien, die vom Finanzamt kontaktiert wurden und sich bei uns gemeldet haben, stehen wir in Kontakt. Diese werden auf Wunsch durch einen Steuerberater, welcher von der UFA und RTLII bezahlt wird, unterstützt. Steuerverpflichtungen sind jedoch Privatsache der Mitwirkenden. Dass die Finanzämter nun bei einer Reihe von Familien Steuern einfordern, ist für uns unverständlich. Bei einer streitigen Rechtsfrage wie dieser haben die Finanzämter einen gewissen Auslegungs- und Ermessensspielraum. Wir hoffen, dass sie diesen nutzen, um den Hilfsgedanken des Formates zu unterstützen.

Haben die Familien in der Zusammenkunft am 16. Juni in Köln – eingedenk der Kosten von Anreise und Hotel – Chancen auf individuelle Beratung?

Das Treffen findet auf Initiative der Familien hin statt, um offene Fragen in einer persönlichen Runde klären zu können. Eine individuelle Beratung der Familien erfolgt durch den Steuerberater, der den Familien auf Wunsch an die Seite gestellt wird.

Welche Konsequenzen werden jetzt gezogen?

Wir weisen nunmehr alle neuen Familien vor ihrer Teilnahme an der Produktion explizit auf die neue Situation hin! Dass die Renovierungsleistung nach Ansicht der Finanzämter steuerpflichtiges Einkommen darstellt, und empfehlen ihnen dringend, sich vor ihrer Teilnahme mit einem Steuerberater zu dem Thema auszutauschen.

Die Fragen stellte: Catharina Karlshaus.

1 / 6

Eine berührende Geschichte, aus denen die Macher von „Zuhause im Glück“ jene Sendung kreieren, die an Dienstagen nicht nur gut drei Millionen Zuschauer vor dem Bildschirm fesselt, sondern vor allem den betroffenen Familien hilft. „In Anbetracht unserer Situation würden wir uns wieder dafür entscheiden! Mit der Renovierung wurde uns eine große Sorge genommen“, sagte Juliane Thiere im SZ-Gespräch 2017.

Allerdings: Seit ein paar Wochen dürfte die Familie neuen Kummer haben. Auch bis ins 400-Einwohner-Dorf Bauda hat sich sicher herumgesprochen, was die heile Fernsehwelt ins Wanken bringen dürfte. Eine Wirtschaftsprüfung bei der UFA GmbH, welche im Auftrag von RTL II „Zuhause im Glück“ produziert, hat im März ein steuerliches Problem zutage gefördert. Das Finanzamt betrachtet die Umbauarbeiten sowie die neuen Möbel für die Kandidaten demnach plötzlich als sogenannte Sach-Gagen, eine Art Einkommen, das es zu versteuern gelte.

Für Familien wie Thieres ein finanzielles Desaster. Zwar seien alle Teilnehmer bei Vertragsabschluss mit der UFA im Vorfeld der Dreharbeiten darauf aufmerksam gemacht worden, dass die Zahlung einer Steuer möglich sein könne. Ein Hinweis, der auch vertraglich festgehalten sei. Auf Nachfrage wäre jedoch versichert worden, so etwas habe es bisher noch nie gegeben.

Nun, gut ein Jahr nachdem die Baudaer Familie Besitz von ihrem verschönerten Zuhause genommen hat, aber doch. Juliane und Alexander Thiere hoffen sicherlich – ein Kontakt mit Medien jeglicher Art ist ihnen untersagt –, dass ihnen das Treffen in Köln weiterhelfen kann. Dass konkrete Zahlen zu ihrem eigenen Umbauvorhaben auf den Tisch gelegt werden. Angesichts bekannter Einkommenssteuersätze für gemeinsam veranlagte Ehepartner kann durchaus mit einer fünfstelligen Summe gerechnet werden. Geld, das wohl keine der betroffenen Familien haben dürfte.