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Wohnen, wo früher das Bier floss

Nach anderthalb Jahren ist die Sanierung des Gasthofs Kohlsdorf beendet. Auf die Mieter wartet Ungewöhnliches.

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© Karl-Ludwig Oberthür

Von Tobias Winzer

Freital. Die Spuren der Geschichte stehen mitten in der Wohnung. Uwe Herrmann, Aufsichtratschef der Ventar Immobilien AG, klopft an eine massive gusseiserne Säule. „Die mussten wir mit einem Schwerlastkran aus dem Gebäude hieven“, sagt der 54-Jährige. Jetzt stehen die Säulen, die einst die Galerieetage des Ballsaals trugen, als Schmuckelemente verteilt in den insgesamt 18 Wohnungen.

In dem ehemaligen Gasthof sind 18 Wohnungen entstanden, im Souterrain zwei behindertengerechte.
In dem ehemaligen Gasthof sind 18 Wohnungen entstanden, im Souterrain zwei behindertengerechte. © Karl-Ludwig Oberthür
Die Bemalung der Flure orientiert sich am Original. Die Säulen standen früher im Ballsaal.
Die Bemalung der Flure orientiert sich am Original. Die Säulen standen früher im Ballsaal. © Karl-Ludwig Oberthür
Die Buntglaselemente der Veranda wurden ausgebaut, aufgearbeitet und wieder eingebaut.
Die Buntglaselemente der Veranda wurden ausgebaut, aufgearbeitet und wieder eingebaut. © Karl-Ludwig Oberthür

Es ist eines der Beispiele, wie bei der Sanierung des ehemaligen Gasthofs Kohlsdorf, der sich zwischen Pesterwitz und Wurgwitz befindet, Altes und Neues miteinander verbunden wurde. Nach anderthalb Jahren ist der insgesamt vier Millionen Euro teure Umbau des denkmalgeschützten Hauses nun beendet.

„Es hätte niemand gedacht, dass aus dem Gasthof überhaupt noch etwas wird“, sagt Herrmann stolz. Sein Unternehmen hat bereits etliche Häuser in Dresden und Umgebung saniert. In Freital war es zum Beispiel für die Rettung des Jochhöhschlösschens verantwortlich. Der Gasthof Kohlsdorf gehörte zu den größeren Herausforderungen.

Der Komplex war vor dem Sanierungsstart im Januar 2017 in einem maroden Zustand. Das Dach drohte einzustürzen. Die einst prachtvolle Veranda war morsch und nicht mehr zu retten. „Mann, war das viel Arbeit“, sagt Herrmann rückblickend. „Es war alles kaputt.“

Dabei zählte der Gasthof einst zu den beliebtesten Häusern in der Freitaler Region. Der Gebäudekomplex war ab Ende des 19. Jahrhunderts Stück für Stück ausgebaut worden. Ein Ballsaal, zwei Gaststuben und zwei idyllische Biergärten gehörten zum Areal. Es gab Tage, da hielten um die eintausend Personen in Kohlsdorf Einkehr. 1958 schloss der Gasthof. Der Saatgut-Großhandel und die Großhandelsgesellschaft Spielwaren verwandelten die großflächige Räumlichkeit mit den hohen Fenstern in Lager. Seit der Wende stand das Haus leer.

Wer das Gebäude heute betritt und es von früher kennt, wird es nicht wiedererkennen. Dank neuer Zwischendecken hat der alte Ballsaal mehreren Wohnungen und einem geräumigen Treppenhaus Platz gemacht. Ein Anbau, der zu DDR-Zeiten hinzukam, wurde abgerissen. „Dadurch hat der Komplex wieder seinen ursprünglichen Zustand“, sagt Herrmann. Die nicht mehr zu rettende Holzveranda wurde originalgetreu nachgebildet und zu Balkonen und Wintergärten für die dahinterliegenden Wohnungen umgebaut.

Der Charme des Alten blitzt an mehreren Stellen im Haus auf. Neben den gusseisernen Säulen konnten auch Buntglasfenster, die einst die Veranda verzierten, gerettet werden. Sie wurden ausgebaut, aufgearbeitet und in den Veranda-Neubau integriert. Ebenfalls in neuem Glanz erstrahlen Sandstein-Köpfe über den Türen und verzierte Kapitelle, die die Veranda trugen.

Eine Besonderheit ist auch die Gestaltung der Flure. Ein Archäologe fand unter mehreren Farbschichten die ursprüngliche Bemalung wieder. Deswegen sind die Gänge nun blau, grau, rot getupft. Die historischen Fenster und Türen wurden aufwendig aufgearbeitet und wieder eingebaut.

Bis Anfang Juni stehen nun noch Arbeiten im Außengelände an. Rollrasen wird verlegt sowie Büsche und Bäume werden gepflanzt. Die Wohnungen sind mittlerweile an die neuen Eigentümer übergeben worden. Laut Herrmann sind das vor allem Kapitalanleger. Sie nutzen die Wohnungen am Rand von Freital als Geldanlage und vermieten diese weiter.

Bislang sind sechs der 18 Wohnungen auf diese Art vergeben worden. Auf dem Portal Immobilienscout24 werden Preise zwischen zehn und zwölf Euro für die Warmmiete aufgerufen.