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Wie weiter im Streit bei Dynamo?

Drei ehemalige Mitspieler fordern, Eduard Geyer als Ehrenspielführer abzulösen. Die SZ erklärt den Fall und wer jetzt was entscheidet.

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Von Sven Geisler

Der Streit unter Dynamos Ehrenspielführern gelangte vor gut einer Woche in die Öffentlichkeit. Klaus Sammer, Hans-Jürgen Kreische und Dieter Riedel fordern, Eduard Geyer den Titel abzuerkennen. Ihrer Meinung nach dürfe ihr früherer Mitspieler nicht für die Tradition des Vereins stehen. Sie begründen ihren Antrag damit, dass Geyer dem Staatssicherheitsdienst der DDR intensiv berichtet habe. Außerdem stehe er als Spieler weit weniger für die Erfolge als andere.

Schöne, heile Dynamo-Welt am 15. November 2015: Präsident Andreas Ritter (r.) und sein Vize Michael Winkler (l.) übergeben Eduard Geyer die Urkunde als Ehrenspielführer der SGD. Jetzt erklärt das Präsidium, bei der Auswahl „ausschließlich sportliche Krite
Schöne, heile Dynamo-Welt am 15. November 2015: Präsident Andreas Ritter (r.) und sein Vize Michael Winkler (l.) übergeben Eduard Geyer die Urkunde als Ehrenspielführer der SGD. Jetzt erklärt das Präsidium, bei der Auswahl „ausschließlich sportliche Krite © Dehli-News

Das Präsidium des Vereins hatte in einer Stellungnahme am 1. Juni erklärt, den Antrag abzulehnen. Es gebe keine Veranlassung, Maßnahmen zu ergreifen, hieß es in dem Schreiben. Daraufhin erklärten Sammer, Kreische und Riedel, selbst als Ehrenspielführer zurücktreten zu wollen. Was seitdem passierte und wie es jetzt weitergeht – die SZ beantwortet die wichtigsten Fragen.

Was hat der Verein seit der Veröffentlichung der Vorwürfe getan?

Bisher gibt es nur die Erklärung des Präsidiums, erledigt ist der Fall damit jedoch nicht. Auf fünf konkrete Fragen der SZ gab es lediglich die – inoffizielle – Antwort, dass sich der Ehrenrat mit der Angelegenheit befasst und es vorerst dazu keine weiteren öffentlichen Äußerungen geben werde. Bekannt geworden ist, dass der Ehrenrat für den 15. Juni eine gemeinsame Sitzung mit dem Präsidium anberaumt hat, zu der die drei Kritiker eingeladen werden sollen. Geyer soll dagegen nicht dabei sein. Es wird also kein Schlichtungsversuch, vielmehr soll das weitere Vorgehen in der Streitfrage abgestimmt werden.

Welche neuen Erkenntnisse aus der Geyer-Akte gibt es?

Es seien Dokumente aufgetaucht, durch die er nicht mehr als Mitläufer erscheint, betonte Riedel. Es ist möglich, dass er diese Unterlagen erst jetzt gesehen hat, sie sind jedoch schon länger bekannt. In einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel hatte Geyer bereits 1992 dazu Stellung genommen, ein weiteres Mal, nachdem die Bild am Sonntag die Geschichte im August 2000 erneut gebracht hat. Damals war er als Trainer mit Energie Cottbus gerade in die Bundesliga aufgestiegen. Die SZ konfrontierte Geyer vor Ort bei einem Pokalspiel in Hamm mit den Vorwürfen und berichtete ausführlich.

Inzwischen liegt der SZ Geyers Stasi-Akte in Auszügen als Kopie der Behörde des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen (BStU) vor. Demnach hat er regelmäßig und ausführlich auch über Mitspieler berichtet. Die besonders kritischen Passagen und Belege hatte der Journalist und Autor Ingolf Pleil allerdings bereits im März 2001 in dem Buch „Mielke, Macht und Meisterschaft“ veröffentlicht. Darin sind sowohl Geyers handschriftliche Verpflichtungserklärung als auch der mit seiner Unterschrift quittierte Empfang von 500 Mark der DDR sowie 100 D-Mark vom 10. November 1986 abgedruckt. Zwei weitere Zahlungen in Höhe von je 300 Mark sind demnach aktenkundig. Geyer hat bisher bestritten, Geld erhalten zu haben.

Welche Lösungen könnte es in dem Streitfall geben?

Die Ehrenspieler werden vom Präsidium ernannt. In den Statuten des Vereins ist nicht festgeschrieben, ob und wie der Titel aberkannt oder zurückgegeben werden kann. Der Ehrenrat prüft nun, ob das Präsidium bei der Entscheidung für Geyer „Ermessensfehler“ begangen hat. Das könnte die Bewertung seiner Stasi-Mitarbeit und der sportlichen Verdienste betreffen. Die Konsequenz wäre, sie zurückzunehmen – und den Antragstellern recht zu geben.

Kommt das Kontrollgremium jedoch zu der Auffassung, das Präsidium habe im Rahmen seines Ermessensspielraumes entschieden, müssten das die Geyer-Gegner entweder akzeptieren oder – wie angekündigt – selbst als Ehrenspielführer zurücktreten. Eine Versöhnung, etwa durch einen Mediator, scheint ausgeschlossen zu sein.

Wie erfolgte die Auswahl der Ehrenspielführer?

In der Beitrags- und Ehrenordnung heißt es in Paragraf 4, Ziffer 5: „Früher aktive Mitglieder, welche sich in hervorragender Weise um den Verein und dessen Tradition verdient gemacht haben, können vom Präsidium zum Ehrenspielführer ernannt und mit einer Urkunde ,Ehrenspielführer der SG Dynamo Dresden’ bedacht werden. Sie sind von der Beitragszahlung befreit.“ In der Stellungnahme zu Geyer erklärt das Präsidium: „Bei der Ernennung zum Ehrenspielführer werden ausschließlich sportliche Kriterien herangezogen.“ Die gegen ihn erhobenen Vorwürfe hätten keine Rolle gespielt, „da er die Betroffenen persönlich um Entschuldigung gebeten und eine umfassende öffentliche Aufarbeitung bereits stattgefunden hatte“.

Außer den vier in den Streit verwickelten Ex-Spielern wurden die inzwischen verstorbenen Wolfgang Oeser und Reinhard Häfner sowie Hans-Jürgen Dörner, Hartmut Schade und Ulf Kirsten ernannt.

Wer darf darüber entscheiden, die Fotos im Stadion abzuhängen?

Auf Initiative der aktiven Fanszene, der Ultras Dynamo wurden die Fotos angefertigt und zum „1. Dresdner Traditionstag“ am 16. April 2017 im Stadion enthüllt. Präsident Andreas Ritter erklärte danach: „Es ist diese Form der Fankultur und des Vereinslebens, die Dynamo glänzen lässt.“ Die Kosten beliefen sich nach Informationen der SZ auf etwa 7 000 Euro. Der Verein dankte Hauptsponsor Feldschlösschen, den Firmen Eastprint und Vertikalis sowie der Stadion-Projektgesellschaft für die Unterstützung und rechtzeitige Umsetzung der Idee. Dynamo könnte die Bilder auf seine Kosten jederzeit entfernen lassen.

Warum ist der Streit überhaupt öffentlich geworden?

Sammer, Kreische und Riedel erläuterten ihr Anliegen bereits am 30. Januar im Ehrenrat, der ihren Antrag danach an das zuständige Präsidium verwiesen hat. Bis zum 15. März sollten Ritter sowie seine Stellvertreter Diana Schantin und Michael Winkler dazu Stellung nehmen. Auf die Frage, ob sie dem Präsidium eine Frist setzen, meinte Kreische im Gespräch mit der SZ am 31. Mai: „Was heißt Frist? Die Termine sind doch längst verstrichen. Wir sind ganz fair an die Sache rangegangen, um keine Unruhe zu stiften, aber jetzt wollen wir eine Klärung bis zum Saisonstart.“ Nach der wird kurzfristig gesucht.

Für eine langfristige Lösung hat der Ehrenrat bereits im Januar eine Sitzung aller Gremien angeregt, „die über die Grundsätze im Umgang mit IM’s entscheiden sollte“. Eine differenzierte Aufarbeitung dieses Teils der Geschichte durch den Verein steht bisher aus. Mit den Recherchen von Ingolf Pleil liegt aber eine Grundlage dafür vor.