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Wie viele Bomben liegen noch in Dresden?

Ein Blindgänger wurde unschädlich gemacht - doch es gibt weitere. Wie groß ist die Gefahr für die Stadt?

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© Matthias Rietschel

Von Christoph Springer, Nora Domschke, Sandro Rahrisch und Sarah Herrmann

Nach drei Tagen Ungewissheit ist es geschafft und die 250-Kilo-Fliegerbombe endgültig entschärft. Gut 9  000 Löbtauer, die die letzten Nächte nicht zu Hause verbringen durften, können in ihre Wohnungen zurückkehren.

Besteht aber nun weiterhin Gefahr von noch unentdeckten Blindgängern? Und was ist, wenn Schäden an den Häusern entstanden sind?

Wie viele Bomben gibt es noch und warum sind einige schon entschärft?

Das weiß niemand, sagt Jürgen Scherf vom Polizeiverwaltungsamt. Es sei nicht einmal klar, ob die Flugzeug-Beladungslisten der Briten und Amerikaner, mit denen der Kampfmittelbeseitigungsdienst arbeitet, richtig sind. Außerdem seien in den Nachkriegsjahren viele Blindgänger entschärft und weggeräumt worden. Listen wurden darüber jedoch nicht geführt. Andere Bomben wurden zwar von Trupps, die durch Dresden zogen, unschädlich gemacht, danach allerdings wieder verbuddelt. Vermutlich auch deshalb, weil es damals viel für die Entschärfer zu tun gab. Und selbst Experten streiten, wie hoch der Anteil der nicht detonierten Bomben ist. Scherf schätzt, dass es etwa 15 Prozent sind.

Wer bezahlt die Schäden an Haus oder Auto nach einer Detonation?

Wer kein Risiko eingehen will, sollte sein Auto außerhalb der Evakuierungszone parken. Im Falle einer Detonation sind mögliche Schäden über die Teil- oder Vollkaskoversicherung abgedeckt, sagt der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Weil eine Weltkriegsbombe auch nach 70 Jahren als Folge eines Kriegsereignisses gilt, müssten Versicherer eigentlich nichts zahlen, wenn am Haus etwas kaputt geht. Allerdings sei dem GDV kein Fall bekannt, bei dem die Versicherung bei Schäden nach einer Bombenexplosion nicht gezahlt hätte. Sollten also Gebäudemauern, Dächer, Fenster oder Türen beschädigt werden, übernimmt das die Gebäudeversicherung. Zuletzt gab es derartige Schadensfälle 2012 im Münchner Stadtteil Schwabing und 2010 in Göttingen sowie auf der A 3 bei Aschaffenburg.

Warum ist die Bombe bei vorherigen Bauarbeiten nicht gefunden worden?

Vor etwa zehn Jahren wurde die Löbtauer Straße saniert, damals wegen Hochwasserschäden aus dem Jahr 2002. „Der Baggerfahrer hat vielleicht einen Kabelgraben 20 Zentimeter an der Bombe vorbei gegraben“, erklärt Straßenbauamtsleiter Reihard Koettnitz, weshalb der Sprengkörper nicht bei diesen Bauarbeiten schon entdeckt wurde. Aus Luftbildern und Landkarten schließt der Kampfmittelbeseitigungsdienst, wo Bomben liegen könnten. Zu dieser Bombe in Löbtau lagen keine Informationen vor. Eine Suche mittels Metalldetektoren hätte nichts gebracht, sagt Reinhard Koettnitz. „Da liegen auch Kabel und Rohre im Boden“, gibt er zu bedenken. Eine Bombe hätte man so kaum zweifelsfrei ausmachen können.

Was ist eine Raketenklemme und wie funktioniert sie?

Optisch ähnelt die Raketenklemme einem Formel-1-Lenkrad, sagt Jürgen Scherf vom Polizeiverwaltungsamt. Das rechteckige Gebilde mit dem Loch in der Mitte wird vom Kampfmittelbeseitigungsdienst am Bombenzünder angebracht. Es funktioniert wie eine Schraubzwinge. Zwei Rohre an den Seiten sind mit Pyrotechnik ausgestattet. Diese kann aus der Ferne gezündet werden. Das versetzt die Raketenklemme in eine extrem schnelle Rotation, die den Zünder aus der Bombe drehen soll. „Wird eine Bombe von Hand entschärft, haben wir die nötige Sensibilität“, erklärt Scherf. Eine Maschine habe die nicht. Eine Detonation kann deshalb beim Einsatz der Raketenklemme nie ausgeschlossen werden. Sie wird daher nur genutzt, wenn für den Entschärfer beim Einsatz direkt an der Bombe Lebensgefahr besteht.

Warum wurden entzündliche Materialien als Schutz genutzt?

Die Polizei hat schwere Ballen aus gepresstem Altpapier und Pappe in drei Etagen über der Bombe platziert, weil sie eine sehr gute Dämmwirkung haben, erklärte Polizeisprecher Thomas Geithner. Andernorts, zum Beispiel in einem Waldstück an der B170 nahe Dipps, haben die Beamten schwere, mit Wasser gefüllte Kunststoffkissen auf Granaten und Bomben gelegt, bevor sie kontrolliert gezündet wurden. Im Löbtauer Fall sei bereits klar gewesen, dass die Ballen in Brand geraten könnten. „Aber da vertraue ich den Kenntnissen des Kampfmittelbeseitigungsdienstes, sagte der Polizeisprecher. Sprengmeister Holger Klemig hat gute Erfahrungen mit den Altpapierballen als Dämmstoff gemacht. „Normalerweise zündet eine Bombe so schnell, dass kein Feuer entstehen kann“, sagt der Fachmann. Dieses Mal ging aber nur ein Teil des Sprengstoffs in dem Metallkörper in die Luft, der Rest fing an zu brennen. Die Flammen griffen auf das Papier über und so entstand ein lang andauernder Brand.

Wo kommt die Bombe hin, wenn sie abtransportiert werden kann?

Sie wird zur Kampfmittelzerlegestelle der Polizei in Zeithain gebracht und dort in einem Bunker halbautomatisch in Scheiben gesägt. Die Einzelteile kommen in einen Abbrandofen. Dort verbrennt der restliche Sprengstoff. Übrig bleibt ein Metallteil, das in den Schrott kommt.

Wie kann eine Bombe teildetonieren?

Wenn ein Sprengkörper jahrelang unter der Erde liegt, reagiert er eventuell nicht mehr so, wie ursprünglich geplant. So kann es passieren, dass der Zündstoff nicht mehr zündfähig oder das Material instabil ist. Das kann zu einer sogenannten Teildetonation führen. „Die Bombe wird unberechenbarer“, sagt Jürgen Scherf vom Polizeiverwaltungsamt.