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Wie sicher soll das Rathaus sein?

Nach zahlreichen Übergriffen auf Verwaltungsmitarbeiter gibt es noch immer kein Konzept – aber Streit um den Schutz.

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© Christian Juppe

Von Andreas Weller

Nachdem der Gesamtpersonalrat im Rathaus bereits im Frühjahr Alarm geschlagen hat, weil es immer mehr Übergriffe auf Mitarbeiter gibt, sucht die Stadtspitze nach einem Sicherheitskonzept für die Verwaltungsgebäude. Doch es gibt Unstimmigkeiten. Der für Personal zuständige Bürgermeister Peter Lames (SPD) hat nach SZ-Informationen konkrete Vorschläge gemacht, wie zunächst das Rathaus am Dr.-Külz-Ring sicherer werden kann. Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) will aber das Prinzip des „offenen Rathauses“ beibehalten und den Zugang nicht beschränken.

Demnach hat Lames vorgeschlagen, nur noch den Haupteingang als öffentlichen Zugang zu nutzen. Die ganzen Nebeneingänge sollen geschlossen werden. Derzeit kann von allen Seiten ins Rathaus gegangen werden. Hinter dem Haupteingang soll es dann eine Art Schleuse geben, wie im Landgericht. Dort wurde die Schleuse nach dem Mord an der Ägypterin Marwa El-Sherbini im Juli 2009 eingeführt. Alle Besucher müssen wie an Flughäfen durch einen Metalldetektor laufen und die Taschen werden durchsucht. So ähnlich solle auch im Rathaus kontrolliert werden.

Gründe für die Sicherheitsmaßnahmen gibt es genug. Im vergangenen Jahr meldeten 39 Mitarbeiter der Verwaltung gewalttätige Vorfälle durch Kunden. Im Sozialamt gab es eine Beißattacke, Betrunkene pöbelten Mitarbeiter an, Mitarbeiter des Ordnungsamtes wurden tätlich angegriffen, es kam zu verbalen Entgleisungen, Drohungen in den Amtsstuben und vielem mehr. 20 Fälle ereigneten sich in Büros, 18 durch Kinder und Jugendliche gegen Mitarbeiter des Jugendamtes und ein Vorfall im Außendienst – als beim Stadtfest ein Besucher Widerstand gegen die Polizeibehörde leistete.

Streife und ein neues Notrufsystem

Die Vorsitzende des Gesamtpersonalrates im Rathaus, Ines Leiteritz, hat diese Fälle aufgelistet. In der Zeitung, die der Personalrat herausgibt, schreibt sie: „Wir werden immer wieder mit Berichten von Beschäftigten konfrontiert, aus denen hervorgeht, dass sie durch Bürger Dresdens zunehmend ungebührlich attackiert werden. Es gibt vermehrt nervenaufreibende Konfliktgespräche, Pöbeleien, Beleidigungen, vereinzelt Sachbeschädigungen bis hin zu Drohungen und körperlichen Übergriffen.“ Leiteritz rechnet mit einer hohen Dunkelziffer, da viele Mitarbeiter Vorfälle nicht den entsprechenden Stellen melden und diese somit nicht in der Statistik auftauchen. Der Zustand sei „nicht zu tolerieren“. Gegenüber der SZ äußert sie sich nicht dazu. Ebenso will Lames nicht den offenen Konflikt mit OB Hilbert. Aber die Sicherheit der Mitarbeiter gehe vor.

Das Amt für Hochbau und Immobilienverwaltung arbeite an einem Sicherheitskonzept, heißt es aus dem Rathaus. Das Konzept und Stellungnahmen dazu befinden sich noch in der Abstimmung. „Herr Hilbert äußert sich nach Vorliegen des Konzeptes“, so Sprecherin Barbara Knifka. „Im Konzept geht es darum, die richtige Balance zu finden zwischen der Sicherheit für die Mitarbeiter und Besucher einerseits und der notwendigen Offenheit und Transparenz eines Verwaltungsgebäudes im 21. Jahrhundert andererseits.“

Die benannten Übergriffe werden ausgewertet, sagt Knifka. Daraus werden auch Schlussfolgerungen für das künftige Sicherheitskonzept gezogen. „Dieser Auswertungs- und Abwägungsprozess ist noch im Gange. Geprüft werden auch Sofortmaßnahmen, die bei Bedarf bis zur Umsetzung des Sicherheitskonzeptes realisiert werden.“ Den rund 6 500 Mitarbeitern der Kernverwaltung werden Schulungen angeboten. Dabei lernen sie eine deeskalierende Kommunikation und auch den Umgang mit möglichen Gefahrensituationen. Als Sofortmaßnahmen läuft der Sicherheitsdienst seit einer Weile regelmäßig Streife im Haus, um in Gefahrensituationen einzugreifen. Seit Mai gibt es ein neues mobiles Notrufsystem, das schneller und einfacher funktioniert als ein Handy. Im Sozialamt an der Junghansstraße gibt es ein spezielles Sicherheitsteam, weil der Bereich besonders sensibel ist. Häufig treffen die Attacken Sozialarbeiter. Gelegentlich gebe es auch Probleme mit Reichsbürgern.

Die Personalratschefin fordert in ihrem Beitrag eindeutig, dass die Verwaltung sich vom Prinzip des „offenen Rathauses“ verabschieden müsse. Bisher komme jeder nahezu ungehindert zu den Bürozeiten ins Rathaus. Bei den mehr als 50 weiteren Standorten der Verwaltung ist es ähnlich.

Wann das Konzept der Verwaltung fertig ist, könne noch nicht genau gesagt werden. Wie sicher das Rathaus, die anderen Standorte der Stadtverwaltung und auch das geplante Verwaltungszentrum am Ferdinandplatz werden, entscheidet am Ende Oberbürgermeister Hilbert. Denn er hat als Chef der Verwaltung sozusagen das Hausrecht.