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Wie sicher ist die Görlitzer Altstadt?

Das Zentrum ist gefährlich – sagte vor Kurzem das Innenministerium. Anwohner und Händler sind zwiegespalten.

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© Pawel Sosnowski/80studio.net

Von Matthias Klaus

Görlitz. Rainer Michel hat es drei Mal erwischt: Einbrüche in seinen Häusern in der Altstadt. Für die Immobilienbesitzer dennoch kein Grund zur Klage. „Wissen Sie, ich komme aus Köln. Da gibt es so etwas doch tagtäglich“, sagt er. Empfindet er die Görlitzer Altstadt als ein gefährliches Pflaster? „Ein Witz, diese Aussage“, findet Rainer Michel.

Dabei meint es das sächsische Innenministerium damit ernst. Auf einer Liste von 61 Orten im Freistaat, die von der Polizei vor einem Monat als „gefährlich“ eingestuft werden, steht als einziger Ort in der Oberlausitz „der Bereich der historischen Altstadt Görlitz“. Damit steht die Neißestadt in einer Reihe mit Dresden, Leipzig. Allerdings legt die Polizei den Begriff „historische Altstadt“ ein wenig weiter aus, als allgemeinhin angenommen. Teile der Innenstadt Nord und Ost werden ebenso einbezogen wie von der Nikolaivorstadt. Grenzfall: Marienplatz. Andererseits war der in jüngerer Vergangenheit durchaus immer wieder in den Polizeimeldungen aufgetaucht. So oder so: Anwohner, Händler, Immobilienbesitzer sind zwiegespalten, was das Thema Kriminalität in der Görlitzer Altstadt betrifft. Hinzu kommen noch Touristen, egal ob aus der Region oder von weiter her. Und mittendrin: die polnischen Nachbarn.

Christoph Brixner wohnt seit 20 Jahren am Rand der Görlitzer Altstadt. „Und wie man sieht: Es gibt mich noch“, schmunzelt er. Der Mann vom Touristikbüro I-Vent an der Brüderstraße sieht kein großes Problem mit der Kriminalität in der Görlitzer Altstadt. „Ich war überrascht, als ich davon gehört habe“, sagt er. Von Gästen habe er in dieser Hinsicht bisher ebenso wenig Beschwerden zu hören bekommen.

Dienstagmittag, Sonnenschein, angenehme Temperaturen, die Altstadt ist fest in Touri-Hand. Mittendrin: Angelika und Werner Walter aus der Nähe von Herne. Nein, unsicher fühlen sie sich in Görlitz keinesfalls, sagt Werner Walter. Das Ehepaar macht gern Städtereisen, geraden auch in Deutschland, gerade auch in den Osten der Republik. „Es gibt hierzulande noch so viel zu entdecken“, sagt Angelika Walter. Görlitz hat sie überrascht. Nette Leute, gute Unterkunft, viel zu sehen. „Ich werde die Stadt als Reiseziel weiterempfehlen“, sagt Angelika Walter. Natürlich, sagt ihr Mann, muss man auf seine Siebensachen schon aufpassen. „Aber das ist doch bei jeder Reise so, egal ob Görlitz oder Mallorca“, sagt er. Ein paar Straßen weiter am Fischmarkt ist Michael Dobrohlaw ganz anderer Meinung. „Tourismus, gut und schön“, sagt der Inhaber des Fahrradladens. Aber vor Einbrüchen habe der ihn noch nicht bewahrt. Sechs mal innerhalb eines halben Jahres haben in Michael Dobrohlaws Geschäft Langfinger zugeschlagen, einmal sogar zweimal pro Tag. „Ich sage meinen Kunden immer: Räder anschließen, nichts Wertvolles im Auto liegen lassen“, schildert er. Als eine Scheibe des Geschäftes eingeschlagen worden war, holte der Unternehmer abends Bretter aus dem Baumarkt, wollte das Fenster am nächsten Morgen damit verschließen. Aber inzwischen wurde schon wieder eingebrochen. Die Spuren führen Richtung Altstadtbrücke, schildert er.

Von dort kommt gerade Martyna Kowalska herübergeschlendert. Görlitz ein Kriminalitätsschwerpunkt? Nein, sagt sie, das sehe sie nicht so. Die Polin kommt oft zum Einkaufen nach Görlitz. „Natürlich muss man auf seine Sachen aufpassen, auf das Portemonnaie, auf die Handtasche sowieso. Aber das ist bei uns nicht anders in Polen als in Deutschland“, sagt sie. Dass es damit ausgerechnet in der Görlitzer Altstadt ein größeres Problem geben sollte, kann sich Martyna Kowalska nicht vorstellen. Die Stadt sei doch keine Großstadt. In manchen Teilen von Berlin, Frankfurt hätte sie da schon größerer Bedenken.

Dirk Heilmann, Inhaber des Hotels „Klötzelmönch“ an der Fleischerstraße sieht ebenfalls keinen Grund zur Panik. „Wir hatten in den vergangenen Jahren mal zwei Zechpreller“, erzählt er. Zudem sei am Türschloss herumgefummelt worden, allerdings ohne Erfolg. „Autoklau ist bei uns auch kein Thema“, sagt Dirk Heilmann. Er hat inzwischen eine Überwachung per Video. Die gilt allerdings nur für den Biergarten.

Immobilienbesitzer Rainer Michel sieht von dieser Maßnahme noch ab. „Videoüberwachung habe ich nicht“, sagt er. Kriminalität, ja, die gibt es, findet Rainer Michel. Aber noch halte sich alles aus seiner Sicht in einem ganz normalen Rahmen.