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Wie Einzelhändler die Stadtteile beleben

Als die Post in Plauen schloss, war der Protest groß. Ein Kioskbetreiber hat das Angebot gerettet. Und wird dafür belohnt.

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© Sven Ellger

Von Annechristin Bonß

Dresden. Bald schon werden wieder die Weihnachtspäckchen gepackt. Und die Schlangen vor der Post werden länger. An diesen Moment im vergangenen Jahr erinnern sich die Plauener mit Grauen. Genau in der Vorweihnachtszeit hatte die Filiale der Post auf der Chemnitzer Straße mitten im Zentrum des Stadtteils geschlossen. Ein schlichter Zettel im Schaufenster informierte darüber. Wer jetzt zur Post wollte, der musste bis zum Nürnberger Ei laufen oder nach Coschütz den Berg hoch und dazu viel Geduld haben. Denn die Schlangen an den Post-Filialen dort wurden länger.

Solche Szenen wird es in diesem Jahr nicht geben. Die Post hat wieder geöffnet. Der Retter heißt Jens Zschoche. Der 42-Jährige betreibt seit knapp 20 Jahren ein Geschäft für Tabak, Lotto und Zeitschriften. Nach und nach hat er sein Angebot erweitert. Nun ist sein Laden auch ein Ort, wo kaputte Schuhe und schmutzige Kleidung abgegeben werden, wo es Briefmarken und Fahrkarten gibt. Auch wechselt Jens Zschoche für ältere Menschen die Batterien, wenn deren Geräte nicht mehr funktionieren. Oder er reserviert Zeitschriften für seine Stammkunden. Und er versorgt Schulbücher mit passenden Umschlägen.

„Die Leute nennen mich manchmal Mutti von Plauen“, sagt er. Das spricht sich rum im Stadtteil. Der Service ist ihm wichtig. Ist aber auch der Schlüssel, um mehr Kunden dauerhaft an sich zu binden und in den Laden zu ziehen. Genau dieser Servicegedanke hat ihn auch zum Post-Retter gemacht. Der ehemalige Standort liegt nur 30 Meter von seinem Laden entfernt. Dort gab es neben den Post-Dienstleistungen auch Schreibwaren und Karten zu kaufen. „Ich wurde gefragt, ob ich die Post übernehmen will“, sagt er. Die Bewerbung bei der Post glückte. Seit Februar ist wieder geöffnet. Jetzt gibt es sogar Schließfächer und die Angebote der Postbank. Auch Verpackungsmaterialien können gekauft werden. Als Leiterin steht Jana Kudlick im Geschäft. Die Lebenspartnerin von Jens Zschoche hat dafür ihren Job aufgegeben. Nun stehen sie beide tagsüber in ihren Läden.

Die Plauener danken es dem Paar. Kaum eine Minute vergeht, in der die Tür mal nicht aufschwingt. Meist begegnen sich mehrere Kunden in dem Verkaufsraum. Das Angebot kommt an. Schmerzlich haben es die Plauener vermisst. Fast täglich hören die beiden Verkäufer Lob und Freude darüber. Jens Zschoche weiß, warum solch kleine Läden wichtig für den Stadtteil sind. „Vor allem die Älteren fahren nicht mehr so oft in die Stadt, um Dinge zu besorgen“, sagt er. Sie laufen von Geschäft zu Geschäft. Halten hier ein Schwätzchen, treffen dort einen Bekannten und finden alles Notwendige nur wenige Schritte von der Wohnung entfernt.

Dabei haben es die kleinen Händler in den Stadtteilen nicht einfach. „Es gibt in Dresden einen Trend einer abnehmenden Zahl der kleinen Geschäfte“, teilt Stadtsprecherin Anke Hoffmann mit. Vor allem kleinere Gewerbe ohne Anbindung an eine große Kette haben es schwer. Nicht nur finanziell, sondern auch was das Personal angeht. „Es ist schwer, qualifiziertes, verlässliches Personal zu finden“, sagt auch Jens Zschoche. Zusammen Urlaub machen, mit seiner Partnerin oder den beiden Kindern, die bei ihm leben, ist schwierig. Das Paar nutzt die verlängerten Wochenenden. „Das gehört dazu“, sagt er.

Anwohner wünschen sich Drogerie

Die Stadtplaner unterstützen die Händler. Dazu haben sie das Einzelhandels- und Zentrenkonzept entwickelt. Das steuert vor allem, welcher Anbieter wo einen neuen Markt eröffnen darf. Dabei wird darauf geachtet, dass kleinere Händler in der Umgebung nicht durch eine zu große Konkurrenz bedroht werden. Aber auch das hilft nur bedingt, wenn es darum geht, Einkaufsvielfalt in den Stadtteilen zu ermöglichen. Die Angebotsbreite, -tiefe und der -umfang nehmen mit der Größe und dem Einzugsbereich eines Stadtteilzentrums zu. Die Regel ist einfach: Waren, die oft gekauft werden, gibt es öfter im Stadtteil als großvolumige Artikel wie Möbel, Bau- und Gartenmarktartikel oder auch Lampen und Elektroartikel. So auch in Plauen.

„Und es fehlt eine Drogerie“, sagt Jens Zschoche. Dieses Problem kennen die Bewohner in vielen Stadtteilen. Auch in der Friedrichstadt, wo sich rund um das Domäne-Einkaufshaus ein reger Handel entwickelt, fehlt es gerade daran. Doch bisher hat keiner der großen Filialisten sich die beiden Stadtteile für einen neuen Standort ausgesucht. Platz für diese Produkte hat auch Jens Zschoche nicht in seinem Laden. Seine Kunden werden ihm trotzdem treu bleiben. Immerhin hat er die Post gerettet.