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Wenn Lokführer fehlen

Immer wieder fallen auf den Strecken im Südkreis Züge wegen Personalmangels aus. Gewerkschaften wundert das nicht.

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© dpa-tmn

Von J. Fritzsche & R. Altmann-Kühr

Der Flug ab Frankfurt ist gebucht, der ICE-Anschlusszug fährt in zwei Stunden ab Dresden – und dann das: Der Trilex von Zittau in die Landeshauptstadt kommt nicht. Der Zug fällt aus, informiert eine Durchsage auf dem Bahnsteig. Das ist vor Kurzem einer Eibauerin passiert, die vom Bahnhof in Eibau aus ihre Urlaubsreise starten wollte. Sie hatte Glück, das Zugunternehmen schickte einige Zeit später einen Bus als Ersatz, der die Passagiere mit Verzögerung bis nach Bischofswerda brachte. Dort konnten sie mit anderen Zügen bis Dresden weiterfahren. Das ist nicht der erste Vorfall dieser Art, den die Eibauerin erlebte. Es sei ihr schon zum dritten Mal passiert, dass der Trilex ausfällt.

Nicht immer haben die Ausfälle mit Streiks oder umgestürzten Bäumen zu tun. Oft fehlt einfach ein Lokführer. Meldet sich ein Lokführer krank, gibt es auf die Schnelle keinen Ersatz, ist vom Zugpersonal zu erfahren. Das ist längst kein Einzelfall mehr. Besonders gravierend war der Mangel an Lokführern zu Jahresbeginn – und das bei so ziemlich allen Bahnunternehmen, die in der Region unterwegs sind. „An einem Tag waren gleich mehrere Züge auf der Hauptstrecke zwischen Dresden, Bautzen und Görlitz betroffen“, so Sandra Trebesius, Sprecherin des Verkehrsverbunds Oberlausitz-Niederschlesien (Zvon). Die Grippewelle hatte zugeschlagen und es sei deutlich geworden, wie dünn die Personaldecke bei den Zugunternehmen ist.

Jörg Puchmüller von der Länderbahn, die auch für die Trilexzüge im Südkreis zuständig ist, spricht allerdings davon, dass Zugausfälle die absolute Ausnahme seien. 2017 habe das Unternehmen bei 95 Prozent Pünktlichkeit gelegen. Fällt ein Zug aus, liege die Ursache oft nicht beim Zugunternehmen, sagt er – auch mit Blick auf die Stürme und Unwetter in den vergangenen Monaten. Auch die erheblichen Verzögerungen bei der Baustelle am Zittauer Bahnhof hätten im vergangenen Jahr den Fahrgästen Geduld abverlangt.

„Dennoch kann es trotz sorgfältiger Dienstplanung aber auch vorkommen, dass sich Triebfahrzeugführer kurzfristig krankmelden“, räumt Puchmüller ein. Dann sei es insbesondere am Wochenende schwierig, innerhalb von manchmal nur ein, zwei Stunden einen Kollegen aus der Freizeit zu holen. Klappt das nicht, wird der drohende Ausfall nach Möglichkeit mit Busnotverkehr kompensiert. Auch das sei aber schwierig so kurzfristig auf die Beine zu stellen. „Zum Glück haben wir mit der KVG Dreiländereck einen sehr flexiblen Partner.“ Falls ein solcher eher seltener Fall eintritt, erklärt Puchmüller, greifen natürlich die gesetzlich verbrieften Fahrgastrechte. Passagiere können zum Beispiel andere Züge nutzen oder erhalten eine Entschädigung. „Zusätzlich versuchen wir, durch unsere Kundenbetreuer die betroffenen Fahrgäste vor Ort zu informieren und zu betreuen. Aber ärgerlich ist so ein Fall allemal – auch für uns“, so Puchmüller.

Helfen können die Verkehrsverbünde da nur wenig. Sandra Trebesius vom Zvon verweist allerdings auf eine neue gesetzliche Regelung, dass bei Neuvergaben von Zugverbindungen – wie jetzt zwischen Dresden, Bautzen und Görlitz sowie Zittau – der neue Anbieter das Personal übernehmen muss. Das schaffe ein wichtiges Stück Sicherheit für die Mitarbeiter, die sich dann nicht erst nach anderen Stellen umsehen. Im Dezember 2019 wird hier also ein neues Zugunternehmen an den Start gehen – eine Tochter der Deutschen Bahn –, aber das Personal wird dasselbe bleiben.

Gründe für den Lokführer-Mangel sehen die beiden Bahn-Gewerkschaften unter anderem darin, dass nicht nach Bedarf, sondern nach Budget ausgebildet werde. Zudem habe bisher überwiegend die Deutsche Bahn Lokführer ausgebildet, „und das vor allem im Hinblick auf den eigenen Bedarf, der natürlich viel geringer ist als die Zahl der Lokführer, die gebraucht wird“, ärgert sich Uwe Reitz von der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG). Wie die Bahn dazu mitteilt, habe man im vergangenen Jahr deutschlandweit 800 Lokführer eingestellt und rund 400 junge Leute ausgebildet. In diesem Jahr werden es sogar 500 Azubis sein, heißt es aus der Bahn-Pressestelle auf SZ-Nachfrage. Auch die Länderbahn bildet aus, so deren Sprecher Jörg Puchmüller. „Wir bilden zudem auch Ausbilder aus, um für Fachkräftenachschub zu sorgen“, beschreibt er. Ein Fakt, den auch Zvon-Sprecherin Trebesius hervorhebt. „Die Bahnunternehmen haben das Problem erkannt.“ Dennoch reichen all diese Versuche bei weitem nicht aus, ist Gewerkschafts-Sprecher Uwe Reitz überzeugt. Vor allem dürfe es keine „Kurzausbildung“ mehr geben, „über wenige Monate, sondern eine richtige Berufsausbildung, auf die man stolz sein kann“, macht er klar. „Hier haben die Arbeitgeber leider geschlafen und versucht, ihre Vakanzen zu decken, indem sie Lokführer bei anderen abgeworben haben.“ Aber das funktioniere heute einfach nicht mehr. Ähnlich sieht man das bei der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL). Die Deutsche Bahn zum Beispiel habe seit der Wiedervereinigung Tausende Lokführerstellen abgebaut und es lange versäumt, für Nachwuchs zu sorgen, so GDL-Sprecherin Gerda Seibert. „Heute liegt das Durchschnittsalter der DB-Lokomotivführer bei fast 50 – und das Problem wird sich somit noch verschärfen, weil viele in den Ruhestand gehen!“ Und Nachwuchs? Den sieht man bei beiden Gewerkschaften eher verschreckt durch Aussagen der Bahnchefs, es werde bald autonom fahrende Züge geben. Wo sei da noch die Perspektive? Der Lokführerberuf müsse wieder attraktiver werden. Freie Tage könnten kaum geplant werden, „da die Schichtpläne nach wie vor relativ unverbindlich sind“, beschreibt EVG-Sprecher Reitz. Immerhin gehören Dumpinglöhne für Lokführer mittlerweile der Vergangenheit an, freut sich Gerda Seibert von der GDL. Seit ihre Gewerkschaft eigenständige Tarifverträge abschließe, wurden die Stundenlöhne bei der Deutschen Bahn um 40 Prozent erhöht. Und der Flächentarifvertrag gelte mittlerweile für 97 Prozent des Zugpersonals in Deutschland. Und doch fehlt es an Personal. Da könne man durchaus auch auf Seiteneinsteiger setzen, findet die Lokführer-Gewerkschaft.