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Wenn es nachts knallt

Kugelbomben und ein Feuerwerk rissen viele Görlitzer am Wochenende aus dem Schlaf.

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© Pawel Sosnowski/80studio.net

Von Ingo Kramer

Mit Kugelbomben kennt sich Steffi Schmidt mittlerweile aus. „Die wurden in den vergangenen Wochen immer wieder spätabends in Zgorzelec gezündet“, sagt die Anwohnerin aus der Altstadt. Irrsinnig laut seien sie – und kreuzgefährlich. Der Schall breitet sich mühelos über die Neiße aus – und trifft direkt auf das Schlafzimmerfenster von Steffi Schmidt.

Am Sonntagmorgen, gegen 0.20 Uhr, hatte das Ganze aber noch einmal eine ganz neue Qualität: „Zuerst wurden mehrere Kugelbomben gezündet“, berichtet sie. Anschließend gab es ein buntes Feuerwerk mitten auf der Altstadtbrücke. Letzteres sah tatsächlich schön aus, sagt die Anwohnerin. Lautstärke und Uhrzeit fand sie weniger schön: „Ich bin richtig aus dem Schlaf geschreckt.“ Und nicht nur sie: Das Ganze war selbst in Bahnhofsnähe noch zu hören, berichten dortige Anwohner.

Allerdings hat offenbar niemand Polizei, Ordnungsamt oder Feuerwehr gerufen. Alle drei erklären auf SZ-Nachfrage, dass ihnen von dem nächtlichen Vorfall nichts bekannt sei. Für das Abbrennen von Feuerwerk sei die Polizei auch der falsche Ansprechpartner, so Sprecher Thomas Knaup. Es könne zwar sein, dass die Polizei mal deshalb gerufen wird. Sie führe aber keine derartige Statistik. „Aus dem Bauchgefühl heraus werden solche Sachverhalte eher selten an uns herangetragen“, so Knaup. Auch beim Austausch mit der polnischen Polizei stehe das Thema nicht im Fokus.

Bei der Feuerwehr spielen Feuerwerke nur eine Rolle, wenn es etwas zu löschen gibt, sagt Leiter Uwe Restetzki. Beim Brauereifest habe mal eine Rakete einen kleineren Brand ausgelöst: „Dort waren wir aber sowieso vor Ort und konnten schnell löschen.“ Restetzki kann sich an keinen Fall erinnern, wo die Polizei wegen eines illegalen Feuerwerkes gerufen wurde.

Dass das Feuerwerk vom Sonntagmorgen illegal war, bestätigt Ordnungsamtsleiterin Silvia Queck-Hänel. Silvesterfeuerwerk sei außerhalb von Silvester und Neujahr grundsätzlich verboten. Für Ausnahmen brauche es eine Erlaubnis. Die werde nicht über 22 Uhr hinaus erteilt: „Das Abbrennen eines Feuerwerkes um 0.20 Uhr war also keinesfalls erlaubt.“ Die Anzahl von Anträgen nahm bis 2015 stetig zu. In dem Jahr waren es 45 Anträge, von denen 41 genehmigt wurden. Die hohe Zahl gab den Anlass, ab 2016 die Gebühr von 30 auf 50 Euro zu erhöhen. Seit 2017 ist die Antragsanzahl rückläufig. Voriges Jahr waren es 30 Anträge, 2018 bisher erst 24.

Größere Feuerwerke dürfen nur von Personen mit Befähigungsschein abgebrannt werden. Auch „Profifeuerwerker“ müssen die Nachtruhe einhalten – außer bei den Abschlussfeuerwerken zum Brauerei- und zum Altstadtfest. 2018 waren sechs solcher Feuerwerke angemeldet.

„Wie man vereinzelten Beschwerden entnehmen kann, ist die Zahl illegal abgebrannter Feuerwerke sicher weitaus höher als die der genehmigten“, sagt die Amtsleiterin. Genaue Zahlen liegen nicht vor. Für die Ahndung ist die Landesdirektion in Leipzig zuständig. Wer etwas beobachtet, kann sich dorthin wenden – oder an das Görlitzer Ordnungsamt, das die Anzeigen nach Leipzig weiterleitet. Zur Ahndung müssen die Verursacher bekannt sein. „Leider gestaltet sich das in der Praxis recht schwierig, da der Täter sozusagen auf frischer Tat ertappt werden muss“, sagt sie. Hier sei das Ordnungsamt auf Hinweise angewiesen. Die Ermittlung des Verursachers sei im Nachhinein so gut wie unmöglich. Aber zumindest bei einem Vorfall konnte die sofort gerufene Polizei nach Aussage von Silvia Queck-Hänel dieses Jahr unmittelbar vor Ort die Verursacher ermitteln und eine Anzeige fertigen. Die gelangte über das Ordnungsamt nach Leipzig. Steffi Schmidt will aber auch bei der nächsten Kugelbombe nicht die Polizei anrufen: „Ich habe die Sorge, dass sie nicht schnell genug da ist, um jemanden zu erwischen.“