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Wenn der Kellner aus Afghanistan kommt

Im Kampf gegen den Fachkräftemangel setzen die Gastronomen jetzt auf Migranten als Köche und Restaurantfachleute.

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© Christian Juppe

Von Julia Vollmer

Fast 6 400 Kilometer sind es von Kabul nach Dresden. Diesen weiten Weg nahm Ahmad Rahimi auf sich, damals vor zwölf Jahren, als er vor Krieg und Zerstörung in seiner Heimat Afghanistan flüchtete. Seitdem ist er nie wirklich zur Ruhe gekommen, lebte im Iran, flüchtete von dort aus mit dem Boot nach Griechenland und landete vor zwei Jahren in Dresden. Hier ist der 24- Jährige nun heimisch geworden und fand einen Ausbildungsplatz als Restaurantfachmann. Denn sein Chef Marek Kvasnicak, Manager im Wyndham Garden Hotel, hat dem Fachkräftemangel in der Gastronomie den Kampf angesagt. „Die Lage ist schwer für uns alle und wir müssen neue Wege gehen. Doch ich habe Ahmad Rahimi nicht nur deshalb, sondern vor allem wegen seiner fröhlichen Art und seiner Einsatzbereitschaft eingestellt.“

Die Lage für die Gastronomen in der Stadt wird immer verheerender. Einige Restaurants wie das Bean&Beluga von Sternekoch Stefan Hermann, das Schlosshotel Pillnitz und das Ringhotel Alt Dresden haben mittlerweile an zwei Tagen in der Woche geschlossen – ihnen fehlt Personal. Köche und Kellner sind kaum noch zu finden auf dem Markt. Zuletzt musste das Piazza Nova am Neumarkt Insolvenz anmelden. Einer der Gründe: die hohen Kosten für die Mietköche. Diese müssen öfter aushelfen und verlangen rund 20 Euro pro Stunde.

Immer mehr Hoteliers setzen deshalb jetzt auf Flüchtlinge und Migranten. Unter den 489 Koch-Azubis in Dresden sind zurzeit 19 Flüchtlinge, unter anderem aus Syrien und Afghanistan und 27 Migranten aus anderen Ländern, so Lars Fiehler, Sprecher der Industrie- und Handelskammer. Bei den Lehrlingen zum Restaurantfachmann sind es ein paar weniger. Von 184  Azubis sind sieben Flüchtlinge und neun Migranten. Damit haben sich die Lehrlingszahlen gegenüber 2016 schon leicht verbessert. Denn während 2007 noch 629 Azubis in Dresden ihre Lehre zum Koch begonnen haben, waren es 2016 nur noch 189, sagt Fiehler. Doch die Zahl der freien Stellen schnellt in die Höhe. Derzeit sind 91 Kellner-Stellen frei, vor zehn Jahren waren es nur 38, so Grit Löst, Sprecherin der Arbeitsagentur. Bei den Köchen sind es 76 freie Stellen, 2007 waren es 21.

Ahmad Rahimi ist jetzt im zweiten Lehrjahr und absolviert immer im Wechsel vier Wochen Arbeit im Restaurant und zwei Wochen Berufsschule. „Die deutschen Fachbegriffe fallen mir noch sehr schwer, da muss ich noch viel üben“, sagt er. Doch die Arbeit mit den Gästen bereite ihm viel Freude. Mit der Unterstützung seines Chefs konnte er aus der Erstaufnahmeeinrichtung an der Hamburger Straße in eine Wohngemeinschaft umziehen. Manager Marek Kvasnicak ist froh, ihn gefunden zu haben. Denn er muss aufgrund der fehlenden Leute viele Einschnitte im Ablauf hinnehmen. Er setzt nun auf Buffets statt à la carte, statt Tischwäsche gibt es nur noch Platzsets. „Die familienunfreundlichen Arbeitszeiten und ein immer geringer werdendes Trinkgeld sind Ursachen, warum keiner mehr den Beruf lernen will“, sagt er.

Das beobachtet aus Marc Arendt vom Ringhotel Residenz Alt Dresden. „Viele Gäste geben leider kaum oder gar kein Trinkgeld. Dabei sind unsere Leute darauf angewiesen“, sagt er. „Die Löhne sind tatsächlich niedrig. „Der tarifliche Stundenlohn in der untersten Tarifgruppe beträgt in Sachsen 9,08 Euro brutto“, so Karin Vladimirov von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). Eine ausgebildete Fachkraft bekäme also monatlich 1669 Euro brutto bei einer 40-Stunden-Woche.

Arendt beschäftigt jetzt einen Koch-Azubi aus Pakistan. „Viel Behördenkram“ sei das gewesen. „Aber ich bin sehr zufrieden, er ist pünktlich und sehr engagiert.“ Sehr international geht es auch in der Villa Marie am Schillerplatz zu. 35 Mitarbeiter arbeiten dort in Küche und Service, sie stammen unter anderem aus Syrien, Afghanistan und Marokko, heißt es von der Geschäftsführung. Dresdenweit konnten rund 75 Migranten seit Juli 2016 in die Gastronomie vermittelt werden, so Grit Löst von der Arbeitsagentur. Dehoga-Sprecherin Stephanie Heckel kann den Trend, dass besonders Unternehmen im Gastgewerbe Migranten ausbilden und einstellen, auch bundesweit bestätigen. Der Anteil ausländischer Arbeitnehmer liege bei über 30 Prozent. „Fakt ist aber auch, dass unsere Unternehmer von fehlenden Deutschkenntnissen, kulturellen Unterschieden und fehlenden fachlichen Qualifikationen berichten“, so Heckel. Zudem sei das Erlangen von Beschäftigungs- und Arbeitserlaubnissen häufig langwierig und kompliziert.

Kellner Ahmad Rahimi aus Afghanistan hat für dieses Jahr noch viel vor: unter anderem weiter Deutsch zu lernen. „Vor allem Weinnamen und Gemüsesorten sind schwer für mich. Für viele dieser Dinge gibt es in meiner Sprache gar keine Begriffe.“