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Vom Hindukusch in die Georgewitzer Skala

Der Wanderweg entlang des Löbauer Wassers wuchert zu. Ein Ziegenhirte aus Afghanistan will ihn wieder schön machen.

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© Matthias Weber

Von Markus van Appeldorn

Georgewitz. Früher hat Bernd Engelmann in seiner ehemaligen Gaststätte „Gemauerte Mühle“ in der Georgewitzer Skala Ausflügler und Wanderer bewirtet. Heute muss er sich oft Beschwerden von ihnen anhören. Nicht etwa, weil‘s bei ihm nichts mehr zu trinken gäbe. Ein Bier oder eine Limonade hat er auf Wunsch immer noch kalt stehen. Der Grund ist ein anderer: „Viele Wanderer beschweren sich über den Zustand des Wanderweges. Bald kann man da gar nicht mehr langlaufen“, sagt Engelmann.

Tatsächlich wuchert der Weg immer mehr zu. Vom letzten Hochwasser oder Sturm gefällte Bäume liegen quer über dem Weg. Bänke sind total zerstört oder so marode, dass man sie nicht mehr nutzen kann. Und an manchen Stellen hat das Hochwasser Teile des Ufers abgetragen. Wanderer müssen schon sehr trittsicher sein, um dort nicht ins Löbauer Wasser zu stürzen. „Für ältere Menschen ist es mittlerweile sehr schwierig, da lang zu laufen“, sagt Bernd Engelmann. Dazu kommt der Wildwuchs einer Pflanze, die hier fremd und gänzlich unerwünscht ist. Der Japanische Staudenknöterich hat sich hier explosionsartig breitgemacht und überwuchert Ufer und Auenwiesen, die einst so charakteristisch für die Naturschönheit der Georgewitzer Skala waren. „Von der Schönheit ist bald nicht mehr viel übrig“, klagt Bernd Engelmann.

Zumindest dem Wildwuchs am Wanderweg hat Engelmann nun den Kampf angesagt. Dafür hat er sich Hilfe geholt: Fressfeinde und jemanden, der sich im Umgang mit ihnen auskennt. Die Fressfeinde sind eine Herde Ziegen. „Die fressen alles“, sagt Engelmann. Der Experte ist Sayd Nowrooz Hassaini. Der 26-Jährige aus Afghanistan lebt seit vier Jahren im Löbauer Asylbewerberheim an der Georgewitzer Straße. „Die Taliban haben mir daheim eine Handgranate ins Haus geworfen“, erklärt er seinen Fluchtgrund. Sein Aufenthaltsstatus ist ungewiss. Nützlich machen will er sich trotzdem und hat auch schon recht passabel Deutsch gelernt.

Schon im Vorjahr traf Sayd Nowrooz Hassaini in Löbau zufällig Bernd Engelmann. Die beiden freundeten sich an. Und irgendwann erzählte er ihm auch von seiner Kindheit. Hassaini stammt aus einem Dorf im Hindukusch – ein karges Gebirge, das auf afghanischer Seite bis zu 5 000 Meter hohe Gipfel hat. „Als Achtjähriger bin ich als Ziegenhirte mit einer Herde durchs Gebirge gezogen“, erzählt er. Stundenlang dauerten die Wanderungen täglich, um die Ziegen in der beinahe vegetationslosen Landschaft sattzubekommen. „In Afghanistan muss man weit mit den Ziegen laufen. Hier wächst ihr Fressen vor der Haustür“, sagt Hassaini. Seine Erzählungen brachten Bernd Engelmann auf die Idee, eine biologische Lösung zur Rettung der Georgewitzer Skala anzustreben. Er besorgte sich eine Herde Ziegen. Mit der zieht Sayd Nowrooz Hassaini nun regelmäßig durch den Wald. Für den jungen Afghanen könnte diese Tätigkeit der Beginn einer beruflichen Karriere sein. „Ich hatte einen Ausbildungsplatz als Schäfer in Kaltwasser gefunden. Aber für dieses Jahr war es bereits zu spät“, erzählt er.

Allein mit ein paar Ziegen werden Engelmann und und Hassaini das Problem in der Georgewitzer Skala nicht lösen können. Das weiß auch Lars Morgenstern, Förster des Löbauer Stadtwaldes. Er kennt die Situation in der Skala, ist für das Gebiet aber nicht zuständig, weil es nicht zum Löbauer Stadtwald gehört. Die Situation hier sei deshalb so schwierig, weil sich die Waldfläche nicht in öffentlichem Besitz befindet, sondern kleinteilig parzelliert ist. „Der Wanderweg läuft über zig Grundstücke in Privatbesitz, die manchmal nur 20 oder 30 Meter breit sind“, sagt er. Wenn zum Beispiel ein quer über dem Weg liegender Baum eine Gefahr darstelle, müsse der Waldeigentümer diese natürlich beseitigen. Oft sei es aber schwierig, überhaupt herauszufinden, auf wessen Grund der Baum steht. Andererseits müssten Wanderer im Wald mit waldtypischen Gefahren rechnen. Und was die großflächige Überwucherung mit dem Japanischen Staudenknöterich angehe, sei es für einen einzelnen Waldbesitzer gar nicht machbar, die Schadpflanzen zu beseitigen.

Auch Holger Freymann, Leiter des Amtes für Kreisentwicklung beim Landkreis Görlitz, würde sich gerne des Problems annehmen – kann zumindest kurzfristig aber wenig Hoffnung machen. „Kürzlich ist unser langjähriger Kreiswegewart Bernd-Joachim Schmidt verstorben, der auch für die Wanderwege im Altkreis Löbau zuständig war“, sagt er. Nun sortiere das für die Wanderwege im Südkreis zuständige Naturschutzzentrum Zittauer Gebirge dessen reichhaltiges Erbe. Vorrangig sieht er aber die Kommune in der Pflicht.