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Verein will das älteste Haus im Dorf retten

Sogar Ministerpräsident Kretschmer hat sich das Projekt in Eckartsberg erklären lassen. Nun wird es umgesetzt.

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© Rafael Sampedro

Von Holger Gutte

Eckartsberg. Viele Geschichten ranken sich um das alte Umgebindehaus in der Geschwister-Scholl-Straße 79 in Eckartsberg. Seit 1992 steht es leer. War immer mehr dem Verfall ausgesetzt. Jetzt hängen Wimpelketten am Haus der Kohle-Liebsch´n mit dem spitzen hohen Giebel, von dem einst Charlotte Liebig Kohlen lieferte. Plötzlich gibt es wieder eine Zukunft für das älteste Haus im Dorf.

Ministerpräsident Michael Kretschmer und Landtagsabgeordneter Stephan Meyer (5. und 6. von links) haben sich das Haus angesehen.
Ministerpräsident Michael Kretschmer und Landtagsabgeordneter Stephan Meyer (5. und 6. von links) haben sich das Haus angesehen. © Rafael Sampedro
Mit so einem Garant hat Lotte Liebig bis zur Wende Kohlen geliefert.
Mit so einem Garant hat Lotte Liebig bis zur Wende Kohlen geliefert. © Rafael Sampedro

Für einen symbolischen Euro hat es Eckartsbergs neuer Verein, der Förder- und Historikverein der Feuerwehr Eckartsberg/Radgendorf, im August gekauft. „Alte Lotte“ nennen die Mitglieder ihr ehrgeiziges Projekt. Der Verein will finanziell und ideell die Ortswehr und deren Jugendwehr unterstützen. Das Haus mit seiner großen Lkw-Garage soll zum Zentrum dafür werden und mit seinen Angeboten junge und alte Leute im Dorf anziehen. Schon jetzt gibt es Projektpläne. Eines davon brennt den Eckartsbergern schon lange auf den Nägeln. Die Kameraden ihrer Feuerwehr sind sehr jung. Fast alle sind noch nicht mal 40 Jahre alt. Das ist gut, aber auch ein Problem, schildert Vereinsvorsitzender Henry Stuff. Viele Kameraden sind zwischen 31 und 40 Jahren alt. Noch größer als deren Anzahl ist aber die Anzahl ihrer Kinder. Die Einsätze, so wie jüngst bei den Bränden in Olbersdorf, passieren aber zu Zeiten, wo die Kitas geschlossen oder die Partner auch auf Arbeit sind. Deshalb soll ein Netzwerk für die Kinderbetreuung gebildet und sie in der „Alte Lotto“ von Omas betreut werden. Bei einem anderen Projekt soll bei der Jugendfeuerwehr das Interesse an technischen Berufen geweckt werden, indem sie alte Technik herrichten und pflegen. Im Dorf fehlt ein Jugendtreff. Vielleicht sind jetzt mehr von der Arbeit in der Jugendwehr begeistert, hofft der Verein, deren Mitglieder nicht unbedingt in der Wehr sein müssen. Zudem will der Verein mit Bildungs- und Forschungseinrichtungen kooperieren und interessante Bildungsangebote für alle Bürger anbieten. Auch eine Ferienwohnung soll eingerichtet werden.

Aber erst mal müssen Haus und Scheune saniert und vieles davon in Eigenleistung gemacht werden. Dennoch werden etwa 300 000 Euro gebraucht. Mithilfe der Gemeinde ist es gelungen, die Grundschuld auf die Immobilie zu löschen. „Das war nicht einfach“, sagt Bürgermeister Markus Hallmann (Freier Wählerverein). Die Leute im Ort sind neugierig, was hier geschieht. „Über 200 Leute sind allein am Tag des offenen Denkmals zu uns gekommen und haben sich das Haus angesehen“, berichtet Vereinsmitglied Bert Salomo.

Zu den ersten Besuchern gehörte Lotte Liebigs Großnichte Bettina aus Weißwasser. Im Haus ihrer Oma in Eckartsberg wurden bei ihr Erinnerungen an eine spannende Kindheit wach. Sie weiß noch genau, wie es hier früher mal aussah. Obwohl das Haus klein ist, hat Charlotte Liebig darin nicht allein gelebt. Ihre Mutter Frieda und ihre Schwester Erna – die Oma der Großnichte – wohnten auch darin. Und sie kann sich auch gut an Lotte Liebig erinnern. Sie hatte immer eine Strickmütze auf, einen blaugrauen Kittel und Stiefel an, erzählt sie. „Auf uns Kinder wirkte sie manchmal wie im Märchen von Hänsel und Gretel, wenn sie in ihrer Küche saß, die nur spärlich von einer kleinen Lampe beleuchtet war“, schildert sie. Deshalb haben sie sich anfangs nicht ins Haus getraut. In der kleinen Küche spielte sich alles ab, sie diente auch als Büro. Aber der Schein trügte, wenn sie selber auch keine Kinder hatte, Lotte Liebig war sehr kinderlieb, fügt ihre Großnichte hinzu. Schmunzelnd stellt sie fest, dass es die ausgetretenen Treppenstufen zum Obergeschoss immer noch gibt. Ihr Knarzen hat sie als Kind immer verraten, wenn sie auf den Dachboden rumstöbern wollte. „Ich finde es gut, was der Verein jetzt hier plant“, sagt sie.

Das findet auch Volkmar Nowak. Er gehörte zu denen, die sich in den letzten Jahren vor der Wende bei Lotte Liebig als Kraftfahrer gelegentlich etwas dazuverdienten. Lotte Liebig hatte besondere Auftragszettel, erzählt er. Blaupapier zum Durchpausen hatte sie nicht. Dafür aber einen Blaustift. Den leckte sie vorher an, das ging auch. „Sie schrieb die Aufträge in einer schön geschwungenen altdeutschen Schrift. Das hatte was.“

Spendenkonto: Förder-/Hist.-verein Feuerwehr Eckartsberg/Radgd.; IBAN: DE65850501000232055432; BIC: WELADED1GRL; Sparkasse Oberlausitz-Niederschl.