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Veganer-Joe gewinnt auf Cashman

Jockeys wie Jozef Bojko kämpfen als Akkordarbeiter im Rennsattel gegen die Kilos und häufig bloß für ein paar Euros.

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© c by Matthias Rietschel

Von Maik Schwert

Jozef Bojko fällt es immer schwerer, sein Gewicht zu halten. Dafür läuft er jeden Tag und verzichtet auf Essen – bloß gut, dass der Jockey kein Fleisch mag. Seine Kollegen bezeichnen ihn daher als Veganer-Joe. Für seine Ritte am Sonnabend in Seidnitz musste er nicht an seine unterste Grenze. Bis zu 60 Kilo durfte der Slowake auf die Waage bringen und gewann mit dem fünfjährigen Fuchshengst Cashman den mit 25 000 Euro dotierten Großen bwin-Sommerpreis. Dabei spielte er besonders seine Stärke im Endspurt aus.

Rennpferde sind Fluchttiere und wollen nicht in die Boxen. Entsprechend zu tun haben die Starter. Sie ziehen dem Wallach Lake Magadi extra eine Decke über den Kopf und drücken ihn anschließend hinein. Am Ende führt Jockey Bauyrhzan Murzabayev das Pferd im
Rennpferde sind Fluchttiere und wollen nicht in die Boxen. Entsprechend zu tun haben die Starter. Sie ziehen dem Wallach Lake Magadi extra eine Decke über den Kopf und drücken ihn anschließend hinein. Am Ende führt Jockey Bauyrhzan Murzabayev das Pferd im © c by Matthias Rietschel

„Wir hatten einen idealen Rennverlauf“, sagte der 47-Jährige nach seinem Sieg im Listenrennen der Kategorie A, das sich mit der Bundesliga vergleichen lässt. „Cashman zog zum Schluss noch mal an. Er liebt die Seidnitzer Bahn“, ergänzte er. „Bereits im letzten Bogen wusste ich, dass ich den Gewinner reite. Es ist ein unbeschreiblich schönes Gefühl, in so einem bedeutenden Rennen auf dem besten Pferd zu sitzen. Es hätte stärkere Vollblüter gebraucht, um uns zu besiegen.“

Bei seinem Triumph ging alles korrekt zu. Das war nicht immer so. Bojko, der seit 1993 in Deutschland reitet, fiel früher bei Gewichtsbetrügereien auf – 2004 sogar doppelt: am Anfang und Ende der Saison. Er wog nach dem Rennen zwei Kilo weniger als davor. Offenbar entnahm Bojko nach dem ersten Wiegen und vor dem Rennen unauffällig Platten aus dem Sattel und steckte sie nach dem Rennen und vor dem zweiten Wiegen nicht wieder unbemerkt zurück. Die Angelegenheit ging als Blei-
deckenaffäre in die Annalen ein. Der Wiederholungstäter bekam eine Sperre von drei Renntagen für 2005.

Anschließend erhielt er eine neue Chance – und nutzte sie. Bojko arbeitet seit 2006 bei Trainer Andreas Wöhler, für den er auch Cashman zum Erfolg führte, in Gütersloh als Stalljockey. 2008 stürzte Bojko in Hamburg schwer. Doch er wäre nicht Bojko, wenn er sich nicht noch mal zurückgekämpft hätte. 2009 folgte das erfolgreiche Comeback mit den ersten beiden Siegen in Grupperennen, die sich mit der Champions League vergleichen lassen. 2011 gewann Bojko mit dem Derby in der Hansestadt auf Waldpark für Wöhler sogar das hierzulande größte Galopprennen.

Er gehört zu den Akkordarbeitern im Rennsattel. Am Sonnabend ritt Bojko in vier von acht Rennen. Immer am Vorabend schaut er sich im Internet kurz die vergangenen Ritte seiner Pferde an. Das muss genügen. Eine Runde noch durch den Führring – dann reitet Bojko über die Seidnitzer Bahn zu den Startboxen, um ein Gefühl für die Vollblüter zu bekommen. Sie sind für ihn Arbeitsgeräte. Er wechselt die Pferde wie Tennisprofis die Bälle und Schläger. Gut 500 Rennen absolviert Bojko pro Saison. Die Jockeys erhalten immer fünf Prozent der Gewinnsumme und 50 Euro Reitgeld pro Ritt. Renntage funktionieren im 30-Minuten-Rhythmus. Da müssen alle Handgriffe sitzen: umziehen, wiegen, reiten. Vom Absatteln der Stute Flying Gina im zweiten Rennen bis zum Satteln des Hengstes Nahayan im dritten Rennen vergeht keine Viertelstunde. Erfolge sind die Währung in dieser Branche. Wer gewinnt, bekommt von den Trainern die besten Pferde. Das wiederum erhöht die Erfolgsaussichten der Jockeys. „So einfach funktioniert unser Geschäft“, sagte Bojko.

Am Montag arbeitet er wieder in seiner anderen Welt – bei Wöhler im Stall. Täglich ab 6.30 Uhr erledigt Bojko die Morgenarbeit mit den Pferden. Nachmittags buhlt er bei anderen Trainern um Ritte für die nächsten Renntage. Früher, als es noch mehr Veranstaltungen und Wettbewerbe gab, riefen die Trainer die Jockeys an. Der Kampf um die weniger gewordenen Ritte fällt schwerer, einem Siegreiter wie Bojko aber immer noch leichter als den meisten seiner weniger erfolgreichen Kollegen, Er bleibt ein gefragter Mann – auch, weil der Jockey als sehr belastbar, couragiert, erfahren und unkompliziert gilt.

Sein privates Glück fand Bojko mit Annett Keller ebenfalls in Gütersloh. Beide haben zwei Kinder – Tochter Ruby Louise und Sohn Lewin Bobby. Er nimmt seine Familie häufig mit zu Renntagen und startet gern in Seidnitz – sehr zur Freude der Verantwortlichen vom Dresdener Rennverein. Sie sehen es am liebsten, wenn die besten Jockeys bei ihnen reiten und die erfolgreichsten Trainer ihre Pferde nach Seidnitz schicken. „Auch der Umsatz war mit 127 217 Euro erfreulich“, sagte DRV-Vize Rainer Naseband. 5 178 Zuschauer seien angesichts der Sommerferien ebenfalls sehr gut.