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Urlaubsnotstand auf dem Bauernhof

Auch Landwirte müssen mal ausspannen. Verreisen ist für sie aber praktisch unmöglich - auch im Rödertal.

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© Thorsten Eckert

Von Thomas Drendel

Gott, ist das anstrengend. Daniel Hammer murmelt leise vor sich hin, als er das Melkgeschirr über den Hof des kleinen Landwirtschaftsbetriebes Oese in Seifersdorf schleppt. Im Stall schließt er es an die Unterdruckleitung an, legt die vier Saugstutzen an die Zitzen der ersten Kuh und streicht über das Euter. „Damit es auch wirklich leer wird“, sagt er. Dabei sitzt er auf einem Schemel. Rechts und links ein Kuhbauch, die Schuhe bis zu den Knöcheln im Dreck. „Eine Woche machen wir das jetzt schon“, sagt er. Einmal morgens ab 6.30 Uhr für zwei Stunden und dann noch einmal am Abend ab 17 Uhr.

Zu viert packen sie derzeit in dem Familienbetrieb mit seinen knapp 20 Milchkühen an: Teresa Benzner, Tierärztin aus Lichtenberg, Anni Melzer und Daniel Hammer, Hobbylandwirte aus Wachau und ein Verwandter. „Familie Oese kann praktisch nicht in den Urlaub fahren. 365 Tage im Jahr müssen sie sich um die Tiere kümmern, dazu haben sie noch Felder zu bestellen. Sie brauchten einfach mal eine Pause“, sagt Daniel Hammer. Landwirtin Danny Oese ist heilfroh über die Hilfe. „Wir sind jetzt fünf Tage weg. Das ist schon eine große Ausnahme. Meist kann ich nur mit den Kindern für ein paar Tage wegfahren. Mein Mann bleibt dann auf dem Hof und versorgt die Tiere.“ Wenn sie doch mal verreist sind, dann haben der Schwiegervater und ein Cousin ausgeholfen. „Für sie ist das natürlich auch eine ziemliche Belastung.“

Ein echter Glücksfall

Daniel Hammer kann das bestätigen. „Das ist harte Arbeit. Am Abend weiß ich, was ich gemacht habe.“ Neben dem eigentlichen Melken müssen die Kühe ja mit Futter versorgt werden und die Anlage peinlich sauber gehalten werden. Das heißt, vor und nach dem Melken wird das Geschirr mit heißem Wasser gespült und Filter werden gewechselt. Das ist für die Oeses auch der Grund, weshalb es recht schwierig ist, Personal zu finden. „Das kann nicht jeder machen. Die Verantwortung ist hoch. Es müssen strenge Hygienevorschriften eingehalten werden. Da darf nichts schief gehen.“ Dass es jetzt doch geklappt hat, ist mehr einem Zufall zu verdanken. „Die Verbindung hat sich über den Verein Wunder Land ergeben, bei dem ich ja auch Mitglied bin“, sagt Daniel Hammer. Familie Oese ist mitunter bei Veranstaltungen dabei. Dort ist er mit Karl Oese ins Gespräch gekommen. „Er hat mir erzählt, wie schwierig es für ihn ist, mal in den Urlaub zu fahren. Da wir selber Schafe halten und auch melken, kenne ich mich auf dem Gebiet schon etwas aus.“ Der Oesehof kein Einzelfall. Genauso geht es Ralf Steglich in Großröhrsdorf. Urlaub ist auch für ihn nahezu unmöglich, gäbe es nicht Helfer, die für ein paar Tage einspringen würden. „Das ist für mich ein Glücksfall. So können wir jedes Jahr im Sommer eine Woche in den Urlaub fahren“, sagt der Landwirt. Bei ihm sind nicht nur rund 15 Kühe zu versorgen, sondern auch Pferde, Schafe, Rassegeflügel. Die Helfer, unter denen ebenfalls Daniel Hammer und andere Wachauer sind, rücken dann jeden Tag früh um 5 Uhr auf dem Hof an. Nach drei, vier Stunden ist die Arbeit erledigt. Am Abend gibt es dann die zweite Schicht. „Für uns ist das immer eine sehr intensive Zeit mit wenig Schlaf. Die meisten haben ja auch noch einen eigenen Beruf.“

Auf Nachbarschaftshilfe zurückgreifen

Andere Höfe haben mit den Hilfskräften offenbar weniger Glück. Manche schalten verzweifelt Anzeigen im Internet. So heißt es bei ebay Kleinanzeigen etwa: Suche für ein bis zwei Wochen im Jahr eine Vertretung für unseren Bauernhof. Aufgaben wären: ca. 30 Milchkühe auszumisten, einstreuen, melken, Kälber tränken, Futtermischwagen fahren. Nur an verantwortungsvolle Personen und die sich mit der Landwirtschaft auskennen. Wie hoch die Trefferquote ist, ist unklar.

Die Berufsgenossenschaft Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau, in der Bauern Mitglied sind, können beim Thema Urlaub nicht weiterhelfen. „Eine Betriebs- oder Haushaltshilfe können wir in solchen Fällen nicht zur Verfügung stellen. Das gilt nur, wenn der Landwirt erkrankt oder einen Arbeitsunfall erleidet. Dann wird er durch uns unterstützt“, sagt Martina Opfermann-Kersten von der Berufsgenossenschaft. Bei Urlaub müssten die Landwirte auf Nachbarschaftshilfe zurückgreifen oder Firmen beauftragen, die solche Dienstleistungen anbieten.

Nach Angaben von Manfred Uhlemann, Geschäftsführer des Sächsischen Landesbauernverbandes, helfen sich Landwirte in der Region meist selbst untereinander. „Oftmals besteht ein gutes Verhältnis unter den Landwirten. Wenn Not am Mann ist, dann springt man gegenseitig ein“, sagt er. Dazu müsste man natürlich auch die Kontakte pflegen.