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Unzählige Grabsteine

Dietmar Lenk führt seit 2004 den Steinmetzbetrieb in Hirschfelde weiter, den einst sein Großvater gründete. Sein Beruf brachte ihn sogar nach Indien.

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© Rafael Sampedro

Von Jan Lange

Mit seinem Werkzeug schlägt Dietmar Lenk die einzelnen Buchstaben in den Grabstein. Allmählich wird der Name des Toten lesbar. Bereits 2011 ist der Mann gestorben, damals ließen seine Hinterbliebenen den Grabstein nicht beschriften. Nun ist der Hirschfelder Steinmetz beauftragt worden, den Namen doch noch eingravieren. Für Dietmar Lenk ist es einer von etwa einem Dutzend Aufträgen, die er in den kommenden Wochen erledigen wird. Wenn das Wetter schön bleibe, hofft er, kann er bis Mitte Dezember arbeiten. Selbst im Winter, wenn aufgrund des Frostes keine Grabsteine versetzt werden können, ist der Steinmetz nicht untätig. In seiner Werkstatt an der Neißgasse haut er dann Schriften in Grabsteine. Seine Kunden wollen überwiegend gehauene Schriften. Das sei aufwendiger als Bronzebuchstaben, die auf den Grabstein aufgesetzt werden. Bis zu zehn Stunden kann es dauern, bis eine gehauene Schrift fertig ist.

Bei gut 98 Prozent seiner Aufträge handelt es sich um Grabsteine – Dietmar Lenk hat sich darauf konzentriert und ist nach eigener Aussage gut ausgelastet. Der Steinmetz nimmt sich dabei Zeit für jeden Kunden, das gehöre aus seiner Sicht zur Trauerbewältigung. Das bedeutet auch, stets erreichbar zu sein, selbst abends und an den Wochenenden. Wenn Kunden bei ihm auf dem Festnetz anrufen, haben sie immer sofort den Chef am Apparat. Auch dann, wenn Dietmar Lenk nicht in Hirschfelde weilt. Denn der Steinmetz ist in zwei Bundesländern unterwegs. Neben dem Familienbetrieb an der Neiße ist er alle paar Wochen in Rheinland-Pfalz tätig. 1987 hatte er die DDR über Bulgarien und Jugoslawien in Richtung Bundesrepublik verlassen. So kam er nach Rheinland-Pfalz, arbeitete einige Zeit bei einem Steinmetz und fand schließlich eine Anstellung in einer Mannheimer Firma, die neuartige Dünnsteintechnik produzierte.

Als 2003 der öffentliche Bau am Boden lag und Techniker reihenweise entlassen wurden, stand Dietmar Lenk vor der Entscheidung, ob er sich selbstständig machen und den Steinmetzbetrieb in Hirschfelde weiterführen soll. Eigentlich wollte er nie eine eigene Firma leiten, erzählt der 55-Jährige. Und doch entschied er sich für das Familienunternehmen. Das blickt immerhin auf eine fast 80-jährige Tradition zurück. 1939 gründete Gottfried Lenk den Steinmetzbetrieb, 1972 übernahm sein Sohn Gottfried dessen Leitung. Ab 2004 führte schließlich Dietmar Lenk die Geschäfte weiter. Und das ganz allein. Während zu Zeiten seines Großvaters auch der eigene Vater und sein Onkel mit in der Firma tätig waren, später sind es nur noch Vater und Onkel gewesen, handelt es sich heute um einen Ein-Mann-Betrieb.

Dietmar Lenk hat seinen Beruf von 1979 bis 1982 als Steinmetz und Steinbildhauer in Demitz-Thumitz gelernt. Dabei wollte er ursprünglich in einer ganz anderen Branche tätig sein und Autoschlosser werden. Ende der 1970er Jahren waren allerdings die Lehrstellen im Kfz-Gewerbe knapp und so schlug er doch den beruflichen Weg seines Vaters und Großvaters ein. Bereut hat er den Schritt nie. Auch nicht die Entscheidung, den Familienbetrieb in Hirschfelde weiterzuführen. Heute würde er keinesfalls von der Selbstständigkeit in ein Angestelltenverhältnis zurückkehren, erklärt Lenk.

An seinen ersten Auftrag nach der Übernahme 2004 kann er sich noch gut erinnern: Für einen österreichischen Grabmalimporteur ging er damals mehrere Monate nach Südindien. Das Arbeitsleben in diesem Teil der Erde sei ganz anders, meint er. Die dortigen Erfahrungen hätten ihm auch später geholfen. Solche Aufträge sind eine Besonderheit, die Mehrzahl der Auftraggeber kommt aus der Region. Manchmal aber auch aus anderen Ecken Deutschlands. So hatte er vor zwei Jahren einen Kunden aus Hannover, der ursprünglich aus der Oberlausitz stammte. Dietmar Lenk packte alles, vom Zement und Mörtel bis Fundament und Einfassung, in seinen Wagen und fuhr 500 Kilometer bis nach Niedersachsen. Auch einen Auftrag in Südtirol hat er für einen Freund schon mal erledigt. „Aktionen wie diese macht man nicht immer“, so Dietmar Lenk.

Selbst nach dem verheerenden Hochwasser 2010, das schweren Schaden auf dem Firmengelände an der Neißgasse anrichtete, dachte Dietmar Lenk keine Minute daran, den Betrieb aufzugeben, um als Dienstleister dem Handwerk weiter nachzugehen. Er baute den Betrieb wieder auf und will ihn noch eine ganze Weile weiterführen. Ein guter Steinmetz brauche seiner Meinung nach Reife und ein gewisses Alter. Sein Großvater ist bis 70 tätig gewesen, der Vater bis 74. Auch Dietmar Lenk will noch etwa 20 Jahre weitermachen. Dass in der Steinmetzbranche aufgrund neuer Bestattungsformen die Umsätze zurückgehen, macht ihm keine Angst. Die Kunden schätzen die Qualität seiner Steine. Dafür geht der 55-Jährige manchmal lange Wege. So machte er sich 2017 zweimal in die Lombardei auf, um von dort Felsgestein aus einem Steinbruch zu holen. „Man muss sich von der Massenware absetzen“, findet Dietmar Lenk. Das sei in einer kleinen Firma leichter als in einem Großbetrieb.