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Überraschungen unterm Dach

In Rückersdorf wird derzeit die Kirche saniert. Planer und Bauleute stehen vor immer neuen Bewährungsproben.

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© Dirk Zschiedrich

Von Anja Weber

Rückersdorf. An dem Balken ist nichts mehr zu machen. Der ist morsch, zerbröselt den Zimmerleuten fast unter den Händen. Gleich daneben haben sie bereits einen Balken neu eingesetzt. Und das Ganze könnte sich so fortsetzen. Planerin Uta Hilmes aus Schmölln-Putzkau hat damit gerechnet, als sie den Auftrag für die Sanierung des Daches der Dorfkirche in Rückersdorf angenommen hat. Allerdings waren die Schäden von außen nicht in diesem Umfang sichtbar. „Das ist bei solchen Bauvorhaben meistens so, dass man die Beschaffenheit der Balken erst sieht, wenn diese komplett freigelegt sind“, sagt ihr Vater Lothar Hilmes, ebenfalls Bauplaner. Und er hat schon viele Kirchen saniert. In der Kirchgemeinde Lauterbach/Oberottendorf ist es jetzt mittlerweile die Vierte.

Ebenfalls die vierte Kirchensanierung ist es für den Bauherren, Pfarrer Wolfram Albert aus Lauterbach. In seiner Amtszeit hat er alle Kirchen sanieren lassen. Die in Lauterbach, in Bühlau und in Oberottendorf sind fertig . Als Letztes ist das Rückersdorfer Kirchendach dran.

„Eine weitere Kirche werde ich als Pfarrer nicht mehr sanieren lassen. Aber einige neue Bauprojekte gibt es schon“, sagt er. Und er verweist auf die Besonderheiten in seiner Kirchgemeinde. Anders als in den Nachbarorten habe er in seiner Gemeinde keine Leitkirche. „Wir wollen hier nichts zentralisieren. Jede Gemeinde soll auch ihre eigene Kirche als gleichwertiges Gotteshaus behalten. Das stellt uns natürlich vor große Herausforderungen.“ Schließlich muss er auch baulich alle Kirchen gleich behandeln. Und das kostet. Allein für die Sanierung des Rückersdorfer Kirchendaches hat er rund 260 000 Euro veranschlagt. Für das Bauprojekt bekommt er 80 Prozent der Kosten aus dem Leader-Programm gefördert. Doch auch die Eigenmittel müssen da sein. „Wenn ich jetzt so hier stehe und schaue, denke ich: Wo ist nur das ganze Geld hin“, sagt Pfarrer Albert. Denn das Kirchendach hat schon einiges verschlungen.

Kapelle war dem Bischofswerdaer Erzpriester unterstellt

Nachdem die Bauleute alles abgedeckt hatten, haben sie gleich mehrere Stellen gefunden, an denen das Wasser reingelaufen ist. Hätte dieser Zustand angehalten, wären vielleicht noch mehr Balken verfault. Deshalb habe man sich zur Sanierung des Daches entschlossen, um die Kirche zu retten. Denn sie ist im Ort fest verwurzelt. Rückersdorf verfügte mindestens seit 1346 über eine eigene Kapelle. Sie war dem Erzpriester von Bischofswerda unterstellt; die seelsorgerische Betreuung oblag anfangs dem Geistlichen aus Großdrebnitz. Von 1578 stammt die erste Nachricht über ein eigenes Schulzimmer. Allerdings gab es 1766 einen Dorfbrand, dem auch das Kirchengebäude, das Pfarrhaus und die Schule fast vollständig zum Opfer fielen. Bereits im Jahr darauf konnte die neue Kirche, deren Baukörper mit dem der heutigen weitgehend identisch ist, geweiht werden. Vor allem die Einwohner aus Großdrebnitz hatten da viel mitgeholfen.

1995 wurde das Dach der Kirche schon einmal saniert. Der Schiefer selbst sieht noch gut aus. „Aber die Unterkonstruktion ist dahin“, sagt Lothar Hilmes. Die Schiefer selbst könnte man zwar wieder nutzen, doch das wäre zu aufwendig. Deshalb wird in Absprache mit dem Denkmalschutz die Eindeckung nach historischem Vorbild aus dem 19. Jahrhundert neu verlegt.

Pfarrer Albert ist bei jeder Beratung darauf gefasst, dass ihm die Bauleute neue Überraschungen verkünden. Und wenn sie mit dem kleinen Türmchen beginnen, dann wird es sicherlich wieder so sein. Ob die veranschlagten Baukosten dann überschritten werden, ist noch nicht sicher. „Derzeit haben wir in einigen Bereichen planerisch noch Reserven. Deshalb werden wir erst noch einmal abwarten“, sagt Lothar Hilmes. Pfarrer Wolfram Albert hat inzwischen schon wieder etwas Neues entdeckt. Ein Riss am Außenputz, der quer über den vorderen Bereich der Kirche verläuft. Die Planer können ihn da aber beruhigen. Der Riss sei nicht gefährlich.

Die Dorfkirche hat eine Besonderheit. Das Glockenspiel kommt hier nicht, wie bei anderen Kirchen inzwischen üblich, vom Band, sondern von drei Stahlglocken. „Die sind in einem guten Zustand. Sie haben einen gediegenen Klang“, sagt der Pfarrer. Um die Stahlglocken muss er sich also nicht sorgen. Er wird sich unterdessen einem weiteren Projekt widmen, das noch auf die Vollendung wartetet: der weiteren Sanierung des Pfarrhauses in Oberottendorf – auch so ein ganz spezielles Vorhaben voller Überraschungen.