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Über das Gute reden

Glücksforscherin Andrea Horn organisiert in Dresden die deutsche Meisterschaft im Crossminton, aber: Was ist das eigentlich?

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© Sven Ellger

Von Alexander Hiller

Da muss Herzblut drinstecken. Den Hallenplan mit 16 abgemessenen Plätzen hat Andrea Horn handgezeichnet – mit Filzer und Lineal auf Millimeterpapier. Die Skizze stellte sie dann auf die Facebookseite. Das mag ein wenig altmodisch klingen, aber man könnte es in Zeiten immer komplexer werdender Technik auch einfach als sympathische Ausnahme betrachten.

Schließlich geht es bei dem Hallenplan nicht um eine x-beliebige Kreismeisterschaft, sondern um die höchstrangige nationale Veranstaltung einer Randsportart: deutsche Meisterschaft im Crossminton. Was zur Hölle …? Horn kennt diese Frage und die daraus resultierende leidige Diskussion über öffentliche Aufmerksamkeit oder vielmehr den Mangel daran.

Namenssuche unter den Spielern

Crossminton hieß nach der Erfindung 2001 anfangs Speedminton, dann Speedbadminton. Zunächst ließ sich aber der gleichnamige Sportartikelhersteller Speedminton seine Marke schützen. Vor drei Jahren beklagte sich dann der Badminton-Weltverband über die Namensähnlichkeit der Trendsportart. „Also war klar: Wenn die Sportart eine Zukunft haben will, müssen wir den Namen ändern“, sagt Horn. Jeder Spieler, der weltweit registriert ist, hatte die Chance, einen eigenen Vorschlag einzubringen. Aus über 90 Ideen durfte dann jeder seinen Favoriten auswählen. „Das Prozedere hat über ein Jahr gedauert“, erinnert sich die gebürtige Chemnitzerin.

Zuträglich waren die Namensirritationen und -änderungen der Rückschlagsportart, die Elemente aus Squash, Tennis und Badminton verbindet, natürlich nicht. „Ja“, bestätigt Horn und nickt dazu, „das ist blöd, aber wir hatten nicht wirklich eine Wahl.“ Die Mitgliederzahlen sind zumindest in Deutschland leicht rückläufig. „Das bereitet mir noch kein großes Kopfzerbrechen. Aber den Fragen müssen wir uns stellen“, sagt sie.

Auch die Speedbats Dresden, die Crossminton-Abteilung des Mehrspartenvereins SG Verkehrsbetriebe, wachsen nicht mehr. Der seit dem 1. Januar 2016 offiziell gültige Name der Sportart wurde offenbar ausgewählt, weil man überall spielen kann.

Denn die Regeln sind deutlich übersichtlicher als der Namenswirrwarr. Gespielt wird auf zwei quadratischen Feldern (5,5 mal 5,5 Meter), die sich im Abstand von 12,8 Metern gegenüberliegen. Als Spielgerät dient ein sogenannter Speeder, der sich äußerlich kaum von einem normalen Federball unterscheidet, aber ein höheres Gewicht und ein verkürztes Flugkleid besitzt und damit natürlich höhere Fluggeschwindigkeiten erreicht – teilweise bis zu 290 Stundenkilometer, natürlich nur auf einem kleinen Teil der Gesamtflugdistanz.

Horn erhofft sich von der deutschen Meisterschaft am Sonnabend und Sonntag in der Ballspielhalle der Energieverbund-Arena gleichwohl auch einen internen Motivationsschub. „Ich denke, dass uns dieses Projekt wieder näher zusammenbringt. Wenn wir das alles auf die Beine gestellt haben, bin ich sehr stolz“, sagt die 33-Jährige, die zu den weltweit besten Spielerinnen zählt. Horn wurde vor wenigen Wochen Europameisterin im Doppel. In der übersichtlichen Einzel-Weltrangliste belegt die Wahl-Dresdnerin den fünften Platz. In der internationalen Doppel-Rangliste kommt sie sogar auf die zweite Position.

Doch die junge Frau weiß aus eigener beruflicher Erfahrung, dass die kleinen Erfolge für das persönliche und gemeinsame Wohlbefinden wichtig sind. Ein kleiner Erfolg wäre, dass die überwiegende Mehrheit der 97 gemeldeten Meisterschaftsteilnehmer am Ende zufrieden wieder nach Hause fährt. Horn ist Diplompsychologin und Psychotherapeutin und hat mit einer Freundin die kleine Firma „Spiegelneuronen Angewandte Positive Psychologie GmbH“ gegründet. Auf einen einfachen Nenner gebracht: Horn erforscht, was Menschen glücklich macht. „Wir wollen über das Gute reden, die Stärken stärken. Das Schlechte gibt es sowieso – und darüber wird auch ausgiebig berichtet“, sagt sie.

Zeichen setzen für eine offene Stadt

Gerade deshalb ist es ihr ein Dorn im Auge, wie Sachsen derzeit von außen wahrgenommen wird. „Eine polnische Spielerin hat mich schon vor zwei, drei Jahren mal gefragt, ob Dresden noch sicher ist. Ich dachte nur: Häää?“, erzählt Horn. Auch darum ließ sich die derzeit beste Crossmintonspielerin der Stadt als Organisationschefin für die deutsche Meisterschaft nur zu gern vor den Karren spannen.

„Wir wollen Dresden als engagierte, offene Stadt zeigen, in der etwas los ist. Das ist mir wichtig“, betont sie. Manche mögen das für eine Floskel halten, aber Horn geht davon aus, dass sich Glück vermehrt, wenn man es teilt. Vielleicht machte sich deshalb auch niemand darüber lustig, als die Organisatorin auf der Facebookseite der Meisterschaft fragte, ob einige Gäste bitte noch Zähltafeln mitbringen könnten. Bei 16 Spielfeldern benötigt man 16 davon. „Wir als Verein brauchen für unsere Spieltage nur zwei. Eine hatten wir noch in Reserve. Zwei weitere haben wir für die Meisterschaft neu angeschafft“, erklärt Horn. In Windeseile hatte sie die nötigen Zusagen für die wichtigen Mitbringsel – hat wohl mit Herzblut zu tun.