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Trunkenheitsfahrt im Rollstuhl

Mit mehr als drei Promille war eine Riesaerin unterwegs. Das hatte nun ein Nachspiel.

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© Memasa/Wikimedia Commons

Von Stefan Lehmann

Riesa. Der Vorfall ist alles andere als alltäglich für die Juristen am Riesaer Amtsgericht. Trunkenheitsfahrten werden dort beinahe jede Woche verhandelt. Doch die Frau, die nun als Angeklagte vor dem Gericht sitzt, ist nicht etwa mit Alkohol am Steuer ihres Pkw erwischt worden, sondern auf dem elektrischen Rollstuhl. Im Juni war sie von der Polizei gestoppt worden, als sie in Schlangenlinien auf der Dr.-Scheider-Straße fuhr (SZ berichtete). Der Polizei war die Frau zu dem Zeitpunkt schon bestens bekannt, denn bereits im Vorjahr hatte es einen ähnlichen Vorfall gegeben.

Richterin Juliane Martin hätte es dafür auch bei einer Geldstrafe ohne Anhörung bewenden lassen können. Aber sie wolle sich selbst ein Bild machen, erklärt Martin zu Beginn der Verhandlung. Dass die 57-jährige Angeklagte diesmal vor Gericht erscheinen muss, zumal zu einer öffentlichen Verhandlung, ist ihr sichtlich unangenehm. „Das ist mein Problem“, sagt die Frau und meint damit nicht nur die Trunkenheitsfahrt, sondern wohl auch ihre Alkoholsucht. Mehr als drei Promille stellten die Beamten bei ihr im Juni fest. An den besagten Tag könne sie sich nur in Teilen erinnern, erzählt die Frau. So wisse sie nicht, dass sie auf der Straße gefahren sei. Aber der Tatvorwurf stimme so, gesteht sie gleich zu Beginn. Zehn Jahre lang sei sie trocken gewesen, doch 2017, nach einem Todesfall in der Familie, ging es mit dem Trinken wieder los. Zwei Packungen Wein habe sie da stets getrunken, meistens am Abend, nach der Arbeit. Dazu Schnaps. „Aber ein Alkoholiker merkt das nicht, wie viel er trinkt“, sagt die Frau. Nun sei sie schon seit einer Woche trocken, wolle eine Langzeittherapie beginnen, die Tasche sei schon gepackt. „Aber es tut sich nichts, den Antrag habe ich schon im Juni gestellt.“

Ihr Betreuer, den das Gericht trotz heftigen Protestes der Frau dazubestellt, sieht die Sache etwas anders. Aus der Langzeittherapie werde vermutlich nichts, weil sie schon zweimal abgebrochen habe, sagt er. Da sei es eben schwer, einen Kostenträger zu finden. Das Verhältnis zwischen beiden ist angespannt. Wohl auch, weil die Frau in den vergangenen Monaten öfter den Notruf gewählt hatte, wenn sie zu viel trank – und die Polizei dann direkt den Betreuer aus dem Bett klingelte. Auch nachts, auch an den Wochenenden. Die Riesaerin sei uneinsichtig, müsse wohl noch tiefer fallen, manipuliere die Leute, so das vernichtende Urteil des Betreuers. Ein Nachbar der Frau wiederum wird später gegenüber der SZ sagen, er habe die Frau in zwei Jahren noch nie betrunken erlebt.

Für Gericht und Staatsanwaltschaft ist das letztendlich unerheblich. „Ihr Problem können wir hier nicht klären“, sagt auch der Staatsanwalt. „Aber dass Sie alkoholisiert nicht fahren dürfen, das wissen Sie schon.“ Die halbe Innenstadt von Riesa sei im Juni lahmgelegt gewesen, als die Polizei die Frau stoppte und den schweren Rollstuhl wegschaffen ließ. Weil die Frau schwer betrunken war, greift der Tatbestand des Vollrauschs. Statt 1 750 muss die Frau 1 250 Euro Geldstrafe zahlen. Ob die Frau ihren Elektrorollstuhl wiederbekommt, ist noch offen. Der war von der Polizei eingezogen worden und sei mittlerweile wohl wieder bei der Firma, die ihn vermietet. Eigentlich brauche sie ihn, um auch im Winter mobil zu sein, sagt die Frau. Mit dem Handrollstuhl sei sie nur eingeschränkt mobil. Ob sie ihren alten Rollstuhl aber wiederbekommt, ist laut ihres Betreuers noch offen. Denn der sei nach dem letzten Polizeieinsatz beschädigt gewesen. „Ehe die Schäden nicht bezahlt sind, bekommen Sie den von der Firma auch nicht zurück.“