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Tore, Tränen und Tumulte

Rund 1 000 Spiele hat Dynamo-Stadionsprecher Peter Hauskeller schon moderiert. Das nächste ist ein Mammut-Match.

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© Christian Juppe

Von Nadja Laske

Dieser kindliche Ehrgeiz fasziniert Peter Hauskeller immer wieder aufs Neue. Rund 1 000 Fußballspiele hat er in den vergangenen 26 Jahren moderiert. Immer ging es um Ruhm und Ehre, meistens auch um Geld, oft um viel Geld. Wenn der Stadionsprecher am Wochenende aber wieder am Rande des Rasens steht und von dort eine schier unüberschaubare Kinderschar die SZ-Mini-WM austragen sieht, berührt ihn das auf besondere Weise. „Da spüre ich den Ursprung des Fußballs“, sagt der 65-Jährige.

Irgendwie gehört Peter Hauskeller selbst zum Ursprung, zumindest des Dresdner Fußballs. Ein gutes halbes Jahr vor Gründung der SG Dynamo Dresden geboren, wuchs er förmlich in Stadien auf. „Mein Vater war Leiter der Betriebssportgemeinschaft BSG Post“, sagt er. So hieß vor der Wende der heutige Post SV Dresden. Dort begann Peter auch selbst Fußball zu spielen, als Sechsjähriger und hoffnungsvolles Talent. Das Zeug, bei Dynamo zu bestehen, hätte er vermutlich gehabt, doch Papa wollte den Vereinswechsel des Sohnes nicht. Wer weiß, wie dessen Leben sonst heute aussähe. Doch Konjunktive haben bekanntlich wenig Zweck. Das weiß nicht nur Ex-Fußballer Lothar Matthäus: „Wäre, wäre, Fahrradkette“. Peter Hauskeller jedenfalls wäre vielleicht Spitzenfußballer und eben nicht Werkzeugmacher geworden. Dann hätte es ihn später auch nicht hin zu Plattenspieler und Mikrofon gezogen. So hätte einer der beliebtesten Discjockeys der Region nie das Licht der Diskokugel erblickt. Genau die aber leuchtete Hauskeller den Weg ins Dynamo-Stadion.

Dort wurde 1992 die seltene Stelle des Stadionsprechers frei. Viel Zeit, um sich auf sein erstes Spiel vorzubereiten, blieb ihm damals nicht. Doch der Mann mit der Radiostimme ist, auch ohne selbst zu spielen Profi der Fußballbranche: „DJs in der DDR waren bestens ausgebildete Leute, die es gelernt hatten, Menschen zu unterhalten – nicht nur mit Musik.“ Außerdem kannte Hauskeller die Dynamos von Kindheit an, hatte in der Bezirksauswahl mit vielen von ihnen gespielt. Zwar passen deutlich mehr Menschen in ein Stadion als in eine übliche Tanzveranstaltung. Doch an Lampenfieber kann sich der Moderator trotzdem nicht erinnern. „Wenn ich dazu neigen würde, wäre ich sicher nicht so lange dabei.“

Im DDV-Stadion laufen kurz vor der Mini-Weltmeisterschaft, bei der am Sonntag 42 C-Jugend-Mannschaften aus Sachsen antreten, die Vorbereitungen. Der Rasen sieht mit seinem kreisrunden Sonnenbrand recht mitgenommen aus. Den kleinen Kickern wird das gleichgültig sein. Peter Hauskeller steht wie immer an seinem altgedienten Sprelacart-Tisch gleich am Stadioneingang. Den Platz hat er sich zu Beginn seiner Amtszeit selbst gewählt. „Eigentlich war vorgesehen, dass ich ganz oben in einer Kabine sitze und durch Glas aufs Spiel schaue“. So könne er allenfalls ein gegnerisches Tor ansagen, aber doch keins von Dynamo Dresden!

Nein, ein Stadionsprecher muss ganz nah dran sein, körperlich und seelisch. „Die Fans sind sehr sensibel und spüren, welcher Spieler mit Leidenschaft dabei ist, und welcher nur fürs Geld aufläuft. Auch dem Stadionsprecher merken sie das genau an.“ So könnten Pfiffe und Buh-Rufe auch ihn ereilen, doch dafür hat sich das Urgestein inzwischen einen viel zu guten Namen gemacht. „Es gibt im Laufe der Zeit als Stadionsprecher einen Moment, da wird er den Fans langweilig und sie wollen einen neuen. Oder er wird zur Legende.“ Bei aller Bescheidenheit: Hauskeller ist Letzteres geworden und hat entsprechend viel erlebt: Tore, Tränen und Tumulte.

Dass der Ball in 90 Minuten ins Netz geht, hier für Freude, dort für Trauer sorgt, ist relativ normal. Doch auch für Unruhen, die weit über Fangesänge hinaus gehen, muss ein Stadionsprecher gewappnet sein. Ob Ausschreitungen oder Wetterkapriolen, für alle möglichen Aufreger hat er den richtigen Text: „In meiner Mappe stehen vorgefertigte Passagen drin, mit denen ich mich an die Zuschauer wende.“ Doch selbst dann ließe er sich seine persönliche Note nicht nehmen. Weder Begeisterung noch Anweisungen lassen sich einfach ablesen.

Seine Arbeit am Verkaufstresen der Dynamo-Fan-Tankstelle hat Peter Hauskeller aufgegeben. „Die drei Jahre waren schön, aber auch stressig, und nun habe ich ja das Rentenalter erreicht.“ Stadionsprecher aber bleibt er: „Das ist der geilste Job!“

SZ-Mini-WM mit Familienfest, 24. Juni, 9 Uhr bis etwa 17 Uhr, Eintritt kostenlos