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Teure Taxi-Kamera

Amadeus Schurz muss zahlen, weil er unrechtmäßig Fahrgäste filmte. Er fühlte sich mit der Technik sicherer.

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© René Meinig

Von Alexander Schneider und Sandro Rahrisch

Dass der Dresdner Taxiunternehmer Amadeus Schurz einmal große Probleme bekommen würde, hatte er nicht gedacht, als er 2009 seine Fahrzeugflotte mit Kameras ausrüstete. Die sogenannten Dashcams filmen den Verkehr vor dem Taxi und, speziell in seinem Fall, auch den Innenraum seiner Droschken. Sie nehmen Video und Ton auf und überschreiben die Aufnahmen nach acht Stunden automatisch. Solange die Bilder nicht rechtzeitig auf den PC überspielt werden, bekommt sie also nie jemand zu Gesicht.

Der 54-Jährige hatte gute Gründe für die Technik, die mit 500 Euro für jedes seiner fünf Taxis zu Buche schlug. Er selbst und seine Angestellten waren, wie viele andere Taxifahrer in Dresden auch, wiederholt überfallen worden. Daher habe er sich mit den Fahrern beraten und die Kameras angeschafft. Aufkleber informierten Fahrgäste über den Einsatz. Die Mitarbeiter waren angehalten, die Kunden auf die Audio-Aufzeichnungen anzusprechen, sagt der Taxiunternehmer.

Mit Krawatte gewürgt

Die Kameras seien ein Glücksfall, so Schurz. Nach einem Angriff auf einen Fahrer konnte die Polizei Ende 2013 öffentlich nach vier der acht Täter fahnden – mit Fotos aus dem Taxi. Das jedoch rief Sachsens Datenschutzbeauftragten Andreas Schurig auf den Plan. Dashcams sind aus dessen Sicht immer problematisch, weil sie permanent und anlasslos aufnehmen: „Das ist unzulässig.“

Im März 2014 fuhren zwei Datenschützer zur Kontrolle der Taxifirma in der Pie-schener Heidestraße vor – in einer Dienstlimousine mit eigenem Chauffeur. Darüber wundert sich Schurz heute noch. Sie ließen sich von ihm die Technik vorführen – und alarmierten anschließend gleich die Polizei. Denn das Filmen der Insassen im Taxi ginge gar nicht, sagten die Behördenmitarbeiter damals.

Für eine Straftat, das heimliche Filmen, reichten die Beweise nicht. Wohl aber für ein saftiges Bußgeld. Weil Schurz seine Kameras in den übrigen vier Fahrzeugen ein Jahr lang weiter betrieb, sollte er 9  000 Euro Strafe zahlen. Der Unternehmer nennt die Höhe des Bußgeldes existenzbedrohend. Er zog vors Amtsgericht Dresden. Dort berichtete er, dass sich die Polizei über die Bilder für die Tätersuche gefreut habe. Auch die Staatsanwaltschaft und ein Richter hatten die Fahndung genehmigt.

Taxis seien öffentliche Verkehrsmittel wie Züge – dort gebe es auch überall Kameras, sagt Schurz und klagt: „Datenschutz ist Täterschutz.“ Er selbst sei 2007 in seinem Taxi von einem Räuber gewürgt worden. Um an die Tageseinnahmen zu gelangen, zogen zwei Fahrgäste von hinten die Krawatte zu, erzählt er. Nur mit lautem Schreien konnte Schurz sie in die Flucht schlagen. Heute trägt er Schlipse mit Gummizug, wenn er ins Auto steigt.

Dashcams seien in Dresdner Taxis kein Einzelfall, erzählt Amadeus Schurz. „Gehen sie mal am Flughafen lang und schauen sie in die Fahrzeuge.“ Ob andere Taxiunternehmen tatsächlich Kameras in ihren Autos installiert hatten, weiß Genossenschaftsvorstand Henry Roßberg nicht. Nach dem Prozess wüssten aber alle Bescheid, dass sie ohne Weiteres nicht filmen dürften. Auch dem Straßen- und Tiefbauamt, das jedes Taxi etwa einmal im Jahr kontrolliert, sind keine weiteren Fälle bekannt. Was nicht heißt, dass Henry Roßberg das gefällt. „Ich bin unzufrieden“, sagt Roßberg. Im Bahnhof, in der Straßenbahn, im Einkaufszentrum, überall würde er aufgenommen, ohne dass es dafür einen konkreten Anlass gebe.

Die sächsischen Datenschützer sehen es jedoch ganz anders. Unbescholtene Bürger hätten ein mulmiges Gefühl, weil sie durch das Filmen unter Generalverdacht gestellt würden. Die Erhebung personenbezogener Daten sei grundsätzlich verboten. Selbst die Polizei dürfe etwa bei Demos erst bei einem Straftatverdacht ihre Videokameras anmachen. Der Richter stützte die Sicht des Datenschützers, kürzte das Bußgeld jedoch deutlich auf 1 000 Euro. Generell verboten hat er den Dashcam-Einsatz aber nicht.

Fahrer könnte Trennwand einziehen

„Wir haben nichts gegen Taxifahrer, die sich verteidigen wollen“, sagt Bernhard Bannasch vom Büro des Datenschutzbeauftragten: „Die Frage ist aber: Wie?“ Es sei allgemein bekannt, dass man nicht ohne Weiteres heimlich aufnehmen kann. Laut Bannach seien Dashcams möglich, die sich in einer kritischen Situation, etwa weil ein Fahrgast ausfällig wird, einschalten lässt. „Es ist erwiesen, dass Kameras in solchen Fällen deeskalierend wirken.“ Derzeit werde das bei dem Einsatz von Bodycams bei Polizisten diskutiert.

Für nicht machbar hält Henry Roßberg diesen Vorschlag. „Ich soll erst auf den Aufnahmeknopf drücken dürfen, wenn ich das Messer an der Kehle habe? Da komme ich doch nie wieder an den Schalter.“ Glücklicherweise seien Überfälle auf Fahrer nicht die Normalität, so Roßberg. Immerhin ist bereits Technik eingebaut, die im Notfall helfen soll. So muss jedes Taxi in Deutschland mit einem lauten Alarm ausgestattet sein, der vom Fahrer aktiviert wird. Er lässt die Scheinwerfer blinken und löst Huptöne aus. Auch der stille Alarm ist inzwischen verbreitet. Dabei werden auch Kollegen im Umkreis benachrichtigt, damit sie zur Hilfe eilen können. Das Gesetz erlaube sogar, kugelsichere Trennwände einzuziehen. Früher war das in der BRD sogar Pflicht. Taxiunternehmer Schurz reicht das nicht. Er will seine sichergestellten Kameras zurück, um sie wieder einzusetzen: „Meine Fahrer wollen das auch.“

Auch für den Chauffeur-Einsatz hat Datenschützer Bannasch eine Erklärung: „Wir haben keine eigenen Autos, sind aber gehalten, auf den Fuhrpark des Landtags zurückzugreifen.“