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Später Regen

Die Bauern haben sehnsüchtig auf ihn gewartet. Aber hilft er den von der Trockenheit gestressten Pflanzen noch?

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© Norbert Millauer

Von Sven Görner, Jürgen Müller, Marcus Herrmann, Udo Lemke, Peter Redlich

Normalerweise hält sich die Begeisterung der Landwirte in Grenzen, wenn das Getreide erntereif auf dem Halm steht und sich dunkle Wolken darüber abregnen. Doch als am Donnerstag früh die ersten Tropfen fallen, ist das anders. „Für den Regen gibt es derzeit keine gute oder schlechte Zeit“, sagt Heiko Hennersdorf, der für Feldbau zuständige Vorstand der Agrargenossenschaft Radeburg. „Wir brauchen das Wasser um jeden Preis. Der Regen ist überlebenswichtig.“ Da für Sonntag schon wieder Sonne satt und 30 Grad angekündigt werden, macht sich der Landwirt um den Fortgang der Ernte keine Sorgen. „Das Getreide trocknet schnell ab und das Stroh, das noch auf dem Feld liegt, müssen wir eben noch einmal wenden.“

Ohnehin ist die Genossenschaft in diesem Jahr aufgrund der langen Hitze und Trockenheit schon weit im Zeitplan voraus. Nachdem die Ernte zwei Wochen früher als üblich gestartet ist, sind inzwischen die gesamte Wintergerste und die Hälfte Weizen und Roggen vom Feld geholt. Die Ertragsausfälle liegen etwa bei einem Drittel. Auch die ersten 35 Hektar Raps wurden gedroschen und in die Ölmühle nach Riesa gebracht. „Wie hoch der Ölgehalt und damit die Qualität ist, weiß ich noch nicht“, sagt Heiko Hennersdorf. Im Raps werden die Mähdrescher dann wohl als Erstes wieder arbeiten können, denn „der trocknet am schnellsten ab“. Der erfahrene Landwirt geht davon aus, dass die Agrargenossenschaft die Getreideernte noch im Juli beendet. Auf deren Ertrag hat der langersehnte Regen allerdings keinen Einfluss mehr. Denn nicht einmal die Halme, die in diesem Jahr viel zu kurz sind, wachsen jetzt mehr.

Noch nicht zu spät kommt das Nass dagegen für den Mais. Auch die Wiesen brauchen dringend Wasser. Und noch aus einem anderen Grund ist Heiko Hennersdorf froh über den ordentlichen Landregen, der anders als die paar Tropfen am Dienstag endlich auch mal tiefer in den staubtrocknen Acker einsickert. Die Radeburger haben auf einem Teil der abgeernteten Felder in den vergangenen Tagen noch einmal gedrillt. „Auf 100 Hektar Feldgras und auf weiteren 130 Hektar Zwischenfrüchte.“ Mit diesem zusätzlichen Aufwand hofft der Landwirt, die großen Ausfälle beim Grünfutter zumindest etwas kompensieren zu können.

Sicher ist, dass der Regen dem Mais einen Wachstumsschub bringen wird, zumal es ja wieder warm wird. Derzeit fehlt den Pflanzen teilweise noch die Hälfte an Höhe und damit an Masse. Noch mehr Sorgen bereitet Heiko Hennersdorf dagegen die Ungewissheit, ob der Mais tatsächlich Körner ausbildet. „Wenn bei der großen Hitze die Narbenfäden vertrocknen, kann es sein, dass die Kolben leer sind. Das hatten wir vor zwei Jahren schon einmal.“ Körnermais werde die Genossenschaft aufgrund der Ertragsausfälle in diesem Jahr zwar ohnehin nicht verkaufen können, „aber wir brauchen die Pflanzen für unsere Milchkühe. Gras bringt zwar Eiweiß, die Körner aber die Energie.“

„Für das Getreide kommt der Regen zu spät, aber für Futter und Gemüse ist er natürlich gut“, sagt Wolfgang Grübler, Chef der Agrargenossenschaft Lommatzscher Pflege. Trotz allem rechnen die Lommatzscher nur mit Ernteverlusten von etwa einem Drittel im Vergleich zu einer durchschnittlichen Ernte. „Das ist für uns nicht dramatisch. Andere sind da weit schlechter dran, manche Betriebe in Sachsen und Brandenburg sind durch die lange Trockenheit in ihrer Existenz bedroht. Uns hilft natürlich der gute Lößboden in der Lommatzscher Pflege, der Wasser viel besser speichert als andere“, so Grübler. Dass sich die Ausfälle in Grenzen halten, liege aber auch daran, dass die Agargenossenschaft in großem Stil ihre Felder bewässert. So wurden Weißkohl, Bohnen und teilweise auch Erbsen mit künstlichem Regen versorgt.

Nobert Herrmann, Geschäftsführer des Unternehmensverbundes MAP Meißener Agrarprodukte Aktiengesellschaft, eines der größten Landwirtschaftsunternehmen in Sachsen, erklärt: „Für alle Kulturen, die noch relativ grün sind, in denen noch Leben ist, ist der Regen überlebensnotwendig. Also für Kartoffeln und Hopfen, für Mais und Rüben. Ohne den Regen wären auch diese kaputt gegangen.“

Das Agrarunternehmen Starbach Sachsen eG bei Nossen hofft durch den Regen vor allem auf einem Wachstumsschub beim Futteranbau, denn die Silos seien extrem leer. Und auch bei Rüben und Mais sind dort noch positive Effekte möglich, wenn der Regen etwas anhält.

Diese Hoffnung ist vermutlich trügerisch. Denn die 6,9 bis 11,8 Liter je Quadratmeter, die am Donnerstag als Tagesmenge zwischen den beiden großen Landwirtschaftsgebieten im Kreis gefallen sind, werden vorerst wohl der letzte nennenswerte Regen bleiben. Die Wetterfrösche sagen übereinstimmend in allen Diensten für die nächsten zwei Wochen keine wesentlichen Niederschlagsmengen mehr voraus.