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So wachsen die Pilze

Das trockene Wetter lockt vielerorts kaum Pilze aus dem Boden. Volle Körbe gibt’s nur an ganz besonderen Stellen.

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© dpa

Von Verena Schulenburg

Herbstzeit ist Pilzzeit. Wenn sich die Blätter in den Baumkronen bunt färben, zieht es Pilzliebhaber wieder in die Wälder der Region. Doch wo ist die Chance auf volle Körbe am größten? Und wie gut steht es überhaupt um die diesjährige Pilzsaison? Die SZ hat dazu Experten befragt.

Ist in diesem Herbst eine reiche Pilzernte möglich?
Bisher sieht es nicht danach aus, als ob es für Pilzsammler eine besonders gute Saison gibt, sagt Pilzberater Reiner Helwig. Der Sommer sei einfach zu heiß und zu trocken gewesen und auch noch immer falle zu wenig Regen. „Der Grundwasserspiegel ist generell niedrig“, sagt der 58-jährige Dippoldiswalder, der in Reinhardtsgrimma das Pilzmuseum führt. Vor allem im Flachland seien die Bedingungen schlechter als im Gebirge. In Lagen ab 400 Metern Höhe, etwa ab Schmiedeberg bis nach Altenberg, stünden die Chancen auf volle Pilzkörbe besser als beispielsweise bei Freital. Generell pauschalisieren ließe sich das aber auch nicht. „Sobald etwas mehr Regen fällt, wachsen auch überall Pilze.“

Wo genau sollten Pilzsammler nach Speisepilzen suchen?
Wer ein paar Dinge beachtet, der werde auch fündig, sagt Reiner Helwig. Generell stünden Pilze gern schattig. Im Gebirge würden sie vor allem an Nordhängen wachsen, wo kaum Sonne hinreiche. Nahe Bachläufen oder auf feuchten Wiesen seien Pilze ebenfalls zu finden. Eines sollten Pilzsammler auch wissen: Viele Speisepilze wachsen in Lebensgemeinschaften mit Bäumen, in sogenannten Symbiosen. Dort, wo bestimmte Baumarten stehen, sind auch bestimmte Pilze zu finden, spezifiziert Hans-Jürgen Hardtke. Der 73-Jährige ehemalige Hochschullehrer wohnt in Possendorf, ist Vorsitzender des Landesvereins sächsischer Heimatschutz und leitet unter dem Dach der Deutschen Gesellschaft für Pilzkunde die sächsische Fachgruppe.

Tipps fürs Sammeln und Zubereiten

Als Faustregel gilt: Gesammelt wird nur das, was ohne Ausnahme bekannt ist. Manche Pilzarten, essbar und giftig, sehen sich zum Verwechseln ähnlich, zum Beispiel das Stockschwämmchen und der Gifthäubling. Beide sollten besser gemieden werden.

Beim Pilzesammeln darauf achten, dass die Fruchtkörper über dem Boden abgeschnitten und nicht einfach herausgerissen werden. Sonst besteht die Gefahr, dass der Pilz verletzt wird und nicht erneut wächst.

Transportiert werden Pilze in Körben oder Stoffbeuteln. Bloß nicht in Folie oder Plastiktüten einpacken. So schwitzen Pilze und verderben. Werden sie dann zubereitet und gegessen, kann es zu einer sogenannten unechten Pilzvergiftung kommen. Auch diese kann wie eine Pilzvergiftung bei Giftpilzen lebensbedrohlich sein

Für die Zubereitung werden Pilze 15 bis 20 Minuten gekocht oder gebraten. Sollte etwas von der Mahlzeit übrig bleiben, kann diese noch ein bis zwei Tage später im Kühlschrank gelagert und dann wieder richtig erhitzt werden.

Im Pilzmuseum in Reinhardtsgrimma, Grimmsche Hauptstraße 44, können sich Besucher über die verschiedenen Pilzarten informieren. Geöffnet ist das Museum noch bis Ende November, immer sonntags und feiertags von 10 bis 17 Uhr. (SZ)

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Hardtke weiß, wo welche Pilzarten vorkommen. Steinpilze beispielsweise seien häufig bei Fichten und Buchen zu finden, erklärt er. Rotkappen stünden meist bei Espen und Maronen-Röhrlinge, im Volksmund auch Marone genannt, bevorzugen die Nähe von Fichten. Der Birkenpilz verrät sein Vorkommen bereits im Namen.

Können Pilze ihren Standort ändern oder gar völlig verschwinden?
„Wenn es bestimmte Bäume nicht gibt, dann gibt es auch die Pilze nicht“, stellt Hans-Jürgen Hardtke klar. Das Pilzvorkommen hänge von zwei Faktoren ab: von dem unmittelbaren Wetter und langfristig von der Bewirtschaftung der Wälder und Wiesen. Die meisten Speisepilze mögen es warm, aber vor allem feucht. Auch wenn, wie in diesem Jahr, mancherorts kein Pilz aus dem Boden guckt, obwohl er es im Vorjahr dort tat, müsse das nicht heißen, dass der Pilz verschwunden ist. Im Gegenteil: „Das Pilzmyzel befindet sich unter der Erde. Das ist der eigentliche Pilz“, erklärt der Naturschutzexperte. Das, was von Pilzsammlern geerntet wird, sei lediglich der Fruchtkörper, der sich oberhalb des Erdbodens befinde. „Ein Pilzmyzel kann hundert Jahre oder länger in der Erde leben“, sagt er. Wenn aufgrund der Trockenheit in einem Jahr kein Fruchtkörper wachse, dann könne die Witterung im nächsten Jahr schon pilzfreundlicher aussehen. „Ein Pilz stirbt deswegen nicht in einem Jahr ab“, erklärt Hans-Jürgen Hardtke.

Da Pilze Symbiosen mit bestimmten Bäumen eingehen, hat auch die Waldbewirtschaftung großen Einfluss auf ihr Vorkommen. Das derzeit im Rahmen des Naturschutzes verfolgte Ziel, vermehrt Mischwälder zu etablieren, lässt Fichten weichen und mit ihnen auch Pilze wie die Maronen-Röhrlinge, die auf Fichtenbestände angewiesen sind. Das Pilzvorkommen hänge von der Bewirtschaftung ab. Dies treffe vor allem auf Großpilze zu, zu denen auch die Speisepilze gehören. „Wir leben in einer Kulturlandschaft“, sagt Hardtke, „manche Arten werden durch die Bewirtschaftung mehr gefördert, andere weniger.“

Sind einige Pilze wegen des Waldumbaus vom Aussterben bedroht?
So konkret lässt sich das nicht nachweisen. Allein in Sachsen gebe es nachweislich etwa 7 000 Pilzarten, erklärt Hans-Jürgen Hardtke. Deutschlandweit sind der Deutschen Gesellschaft für Mykologie aktuell mehr als 11 700 Pilzarten bekannt. Diese Zahlen beinhalten aber nicht nur alle Großpilze, die mit bloßem Auge in Wald und Wiese aufzuspüren sind, sondern auch alle Kleinstpilze, die beispielsweise auch auf Blättern wachsen. In ihrer Gesamtheit seien etwa 40 Prozent aller Pilzarten gefährdet, aus unterschiedlichen Gründen. Der Pohrling beispielsweise, ein Baumpilz, komme immer seltener vor. Der Pilz bevorzugt Altholz, auf dem er wächst. Während früher alte Baumstämme öfter im Wald liegenblieben, werden sie heute während der Waldbewirtschaftung weggeräumt. „Dieses Altholz fehlt dem Pilz“, so Hardtke. Mehr als 50 Pilzarten stehen deutschlandweit unter Naturschutz, erklärt Hardtke. Unter den Speisepilzen zählen dazu beispielsweise Steinpilze, Rotkappen oder Pfifferlinge. „Das heißt nicht, dass diese Pilze nicht gesammelt und gegessen werden dürften.“ Laut Bundesartenschutzgesetz dürfe nicht mehr als ein Spankorb pro Person mit Pilzen gesammelt werden. Grundlegend soll nur die Menge mit nach Hause genommen werden, die auch selbst verzehrt werden kann. Kiloweise Pilze aus dem Wald zu schleppen, ist strafbar und kann mit Bußgeldern geahndet werden.