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Warum wilde Badestellen riskant sind

Nach dem Tod eines 50-Jährigen warnen die Wasserretter. Der Staatsanwalt entscheidet, ob die Leiche untersucht wird.

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© Norbert Millauer

Von Peter Redlich

Landkreis Meißen. Die Situation ist oft ähnlich: Ältere Männer gehen zum Schwimmen in ein Naturbadegewässer. Sie fühlen sich durch die Erfrischung wohl. Überschätzen aber im ersten Hochgefühl ihre Kräfte und schwimmen zu weit raus. Kreislaufprobleme, Herzversagen. Joachim Weiß vom Wasserrettungsdienst Sachsen des DRK musste Ähnliches auch an anderen Gewässern erleben. So kann es am vorigen Donnerstagabend auch am Dippelsdorfer Teich passiert sein. Die Badestelle am Roten Haus ist bekannt, gut erreichbar. Das ehemalige Strandbad Friedewald hat einen Parkplatz. Noch ein paar Züge nach einem heißen Tag zur Erfrischung. Der Körper ist ausgelaugt von der Hitze, da tut das Schwimmen im 23 Grad angenehm temperierten Wasser gut.

„Die meisten Menschen schwimmen nur wenige Male im Jahr. Viele glauben, sie seien immer noch so belastbar darin wie Jahre zuvor. Das ist aber meist nicht so“, sagt Joachim Weiß. Schwimmziele wie eine Insel im Dippelsdorfer Teich seien dann ein Reiz. Auch in Naturbadegewässern gibt es mitunter Stellen, die plötzlich etwas kälter sind, weil sie tiefer sind oder sich hier ein unterirdischer Wasserzufluss befindet. Schlingpflanzen wachsen derzeit zuhauf in den Seen. Ein Schwimmer kann sich darin verfangen, ohne dass er die Pflanzen sehen kann.

Im Bericht des Gesundheitsamtes des Landkreises Meißen haben die Kontrolleurinnen Barbara Scholze und Nora-Kerstin Rentzsch zwölf Naturbadestellen unter regelmäßiger Kontrolle. Vier weitere sind sogenannte wilde Badestellen – die auch mit deutlich sichtbaren Schildern gekennzeichnet werden. Der Dippelsdorfer Teich mit dem ehemaligen Strandbad Friedewald ist eine davon.

Der ph-Wert wird aktuell mit 8,96 angegeben. Das bedeutet, so Nora-Kerstin Rentzsch, der Teich ist kurz vorm Kippen. Algen machen sich verstärkt breit. Die eigentlich geforderte Sichttiefe von einem Meter ist schon weit unterschritten. Sie beträgt nur noch maximal 30 Zentimeter. Im Eintrag des Gesundheitsamtes heißt es: Optisch schlechte Gewässergüte, aufgrund der geringen Sichttiefe ist eine erhöhte Aufsicht beim Baden geboten. Doch wer beaufsichtigt schon einen 50-jährigen, lange erwachsenen Mann. Der Begleiter des Ertrunkenen hatte der Polizei bei dem Hilfeanruf berichtet, dass der Verunglückte noch eine Extra-Schwimmrunde zu einer Insel drehen wollte. Plötzlich sei er verschwunden gewesen.

„Bei 30 und weniger Zentimetern Sichttiefe wird es auch für erfahrene Taucher äußerst schwierig, etwas zu sehen oder zu ertasten. Das geht allenfalls, wenn das Suchgebiet sehr eingegrenzt werden kann“, sagt der Experte vom Wasserrettungsdienst.

Die Rettungskräfte haben am Donnerstagabend und die Nacht hindurch alles eingesetzt, was möglich war. Männer von Polizei, Feuerwehr und DRK suchten in Schlauchbooten das Schilf ab. Taucher waren im Einsatz. Nachts wurde das Gelände von Schweinwerfern des Technischen Hilfswerkes erleuchtet. Sogar ein Hubschrauber kreiste über dem Unglücksteich. Joachim Weiß: „Hubschrauber suchen mit Wärmebildkamera. Aber wenn der Körper zum Gewässergrund absackt, dann findet auch die Kamera nichts mehr. Am Grund herrschen fast ganzjährig vier Grad in nahezu allen Gewässern in Sachsen.“

Auch mit einem Sonarsuchgerät, wie es die Wasserrettung des DRK in Dippelsdorf einsetzte, wird es mit Algen und vielen Pflanzen ebenfalls sehr schwierig, etwas zu erkennen. Der Dippelsdorfer Teich hat Tiefen bis zu knapp vier Metern. Bei einer Sicht von nicht einmal einem Drittelmeter ist ein Gegenstand oder Mensch hier auch mit Technik kaum auszumachen. Erst über 40 Stunden später tauchte der leblose Körper des Mannes wieder an der Wasseroberfläche auf. Je nach Wassertemperatur, so DRK-Mann Weiß, dauert es zwei bis drei Tage, bis der Körper Auftrieb bekommt. Bei wärmerem Wasser wie jetzt eher.

Laut Polizeisprecher Marko Laske deute alles darauf hin, dass der Mann in Dippelsdorf ertrunken ist. Ob der Körper dennoch obduziert wird, müsse die Staatsanwaltschaft noch entscheiden.