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Sächsische Schweiz macht Radebeul den Rekord streitig

Heute fast unbekannt, bietet die Struppener Pilztreppe zwei Superlative. Und bringt eine Berühmtheit in Bedrängnis.

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© Daniel Schäfer

Von Yvonne Popp

Struppen. Der Treppenaufgang am Weg entlang des Struppenbachs ist völlig unscheinbar. Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass die schmalen Sandsteinstufen nur Anliegern vorbehalten sind und von Pirna-Niedervogelgesang zu deren am Hang gelegenen Häusern führen. Doch ein kleiner Wanderwegweiser am Fuße der Stufen weist sie als öffentlichen Aufstieg aus: die Pilztreppe.

Die Spitzhaustreppe in Radebeul hat fünf Stufen weniger als die Pilztreppe, ist aber besser ausgebaut und bietet jederzeit einen Ausblick.
Die Spitzhaustreppe in Radebeul hat fünf Stufen weniger als die Pilztreppe, ist aber besser ausgebaut und bietet jederzeit einen Ausblick. © Norbert Millauer

Der erste Teil der Treppe liegt im Freien und steigt gemächlich an. Der zweite Teil führt durch den Wald und ist wesentlich steiler. Auch gibt es hier keine Absätze zwischen den Stufen mehr, die zum Verweilen einladen. Kurz bevor man oben auf dem Plateau des Struppener Ortsteils Ebenheit ankommt, macht die Pilztreppe einen Schwenk zu einer Aussichtsplattform. Von dieser hat die Treppe auch ihren Namen, denn er Aussichtspunkt wird teilweise von einem Unterstand überdacht, der an einen Pilz erinnert. Vom Aussichtspunkt aus führen dann noch 22 Stufen bis auf das Plateau in Ebenheit. Über einen schmalen Weg gelangt man zur Struppener Straße, an der, rechter Hand in etwa 100 Metern Entfernung, das ehemalige Schulgebäude von Ebenheit liegt.

„In der Vergangenheit ist die Pilztreppe die einzige fußläufige Verbindung zwischen Struppen und Niedervogelgesang beziehungsweise Obervogelgesang gewesen“, weiß Klaus Dreßler aus Stadt Wehlen. Hauptsächlich, so sagt er weiter, sei sie von Kindern aus Vogelgesang als Schulweg genutzt worden. Aber auch so mancher Arbeiter aus Struppen oder Ebenheit sei über sie hinab gestiegen, um zum Zug-Haltepunkt zu gelangen.

Als ehemaliger Vermessungsingenieur, der in Dresden zuletzt zuständig für technische Denkmalpflege war, weiß Klaus Dreßler noch mehr. Ihm zufolge schlägt die Pilztreppe mit ihren Abmessungen die bekannte Spitzhaustreppe in Radebeul. Matthäus Daniel Pöppelmann hatte diese einst für August den Starken als Jahrestreppe mit 52 Absätzen zu je sieben Stufen entworfen. Im Zuge einer Sanierung um 1845 wurde sie um fünf Absätze erweitert. Heute umfasst die Spitzhaustreppe 397 Stufen und überwindet auf einer Länge von 220 Metern 76 Höhenmeter. Sie verbindet das Weingut Hoflößnitz mit dem Spitzhaus und gilt als größte barocke Treppenanlage Sachsens.

Obwohl die Spitzhaustreppe wesentlich solider und sauberer gebaut ist als die Pilztreppe, ist diese laut Dreßler der Radebeuler in zwei Punkten überlegen. „Unsere Treppe hat 402 Stufen“, weiß er zu berichten. Auch sei der Höhenunterschied, den man vom Fuß der Stufen in Niedervogelgesang bis nach Ebenheit überwinden muss, mit 85 Metern deutlich höher. Nur die Wegstrecke, die man über die Pilztreppe zurücklegt, sei mit 200 Metern etwas kürzer als die in Radebeul. Auch was die Aussicht betrifft, dürfte die Spitzhaustreppe der Pilztreppe überlegen sein. Durch die denkmalgeschützte Weinberglandschaft Radebeuls aufgestiegen, hat man vom Spitzhaus oder auch vom nahe gelegenen Bismarckturm einen weiten Ausblick auf das Elbtal, Dresden und seine Umgebung.

Die Pilztreppe hingegen führt großteils durch den Wald, wo ab dem Frühjahr das Grün der Bäume die Sicht versperrt. Am Aussichtspunkt aber eröffnet sich ein herrlicher Blick auf Obervogelgesang, die Elbe und die Sandsteinwände in Zeichen.

Bedauerlich findet Klaus Dreßler den Umstand, dass die Pilztreppe heute wenig gepflegt wird. Aber was wahre Schönheit und Größe ist, sei schwer zu definieren und liege am Ende auch immer im Auge des Betrachters, sagt er.