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Reha mit Roboter

Die Rehaklinik setzt erstmals einen Simulator zum Gehenlernen ein. Vielleicht kommt auch bald die Cyberbrille.

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© Kristin Richter

Von Birgit Ulbricht

Großenhain. Der Patient freut sich jetzt auf sein Mittagsschläfchen“, sagt Therapieleiterin Franziska Winzer lächelnd. Dem Mann rinnt der Schweiß über die Stirn, als er wieder im Rollstuhl sitzt, aber er strahlt übers ganze Gesicht. Er ist gelaufen. Zwar nicht selbst, er könnte noch nicht einmal allein stehen. Aber mithilfe eines Laufroboters, der das menschliche Gehen mit dem Patienten simuliert. Alleine die Lebensfreude, dass etwas passiert, das im Gehirn wieder ganz normales Bewegen auslösen wird, diese erste Hoffnung nach wochen- oder monatelanger Lähmung, zaubert dieses breite Lachen in die Gesichter der Schwerstkranken.

Was für die Menschheit der Schritt auf den Mond war, ist für einen Schlaganfall-Patienten oft überhaupt ein eigener Schritt. Den will der Mann, knapp über 50, unbedingt schaffen. Bei ihm war es eine Hirnhautentzündung, die ihn gelähmt hat. Noch hängt er an einer Art Fallschirmgurt in einem 600 Kilo schweren Stahlgestell. Seine Füße stehen auf schuhkartongroßen Platten, die alltägliches Laufen nachmachen: das Gehen auf gerader Strecke, Stolpern, Ausrutschen oder Treppensteigen. Je nach Lernfortschritt des Patienten reduziert der Laufroboter seine Unterstützung oder hilft zusätzlich. Denn hier lernen beide miteinander – Mensch und Maschine. Der erste eigene Schritt des Patienten ist das Ziel. Und der ist reine Kopfsache.

Bisher mussten die Ärzte mit dem Lauftraining warten, bis der Patient selbst sicher stehend einen Fuß vorsetzen konnte. Jetzt können sie Wochen früher beginnen, wenn eigentlich noch nichts geht, aber das Gehirn schon angeregt werden kann, ein verlorenes Bewegungsmuster wieder zu erlernen. Wertvolle Zeit also, die nicht ungenutzt vergehen darf. Gerade bei Lähmung kommt es auf jede Woche an. Denn durch die künstlichen Fußbewegungen werden die schlaffen Muskeln zwischen Zehen und Hüften zwangsläufig aktiviert. Ziel sei es dabei, die Bewegungen so natürlich wie möglich nachzuahmen. Auch wenn der Laufroboter auf den ersten Blick fast wie ein herkömmliches Laufband aussieht – wer genau hinsieht, erkennt die Fußhalterung, die der Roboter steuert.

Das ist auch der entscheidende Schritt für die Therapeuten: Bisher mussten sie beim Geh-Training auf einem Laufband, im Klinikflur oder im Treppenhaus mit ganzer Kraft den Patienten stützen, mindestens zwei Therapeuten mussten am Boden krauchend dem Patienten einen Fuß vor den anderen setzen. Mehr als 50 Schritte waren da nicht drin. Dann waren alle Beteiligten am Ende ihrer Kräfte.

Der Roboter übernimmt die kräftezehrende Aufgabe des Stützens und Führens, erklärt Franziska Winzer. So können Patienten auch tausend Schritte üben und ganz langsam und behutsam verlorene Bewegungsmuster neu lernen. Sie ist begeistert von dem neuen Kollegen. Auf ein Jahr ist jetzt die Testphase mit dem Laufroboter verlängert worden. In der Zeit wollen die Therapeuten eine Art Zirkeltraining aufbauen. Die Schwerstpatienten sind schon in dieser für sie sehr frühen Phase mit anderen zusammen, sehen deren Erfolge und haben ein großes Ziel: Es aufs richtige Laufband zu schaffen.

Die Ingenieure, die den Roboter mit dem Fraunhoferinstitut zusammen entwickelt haben, mussten lange tüfteln. Sie setzten für die Software menschliche Laufbewegungen zunächst in ein Computerprogramm um. Das Team aus Ingenieuren und Ärzten hat bereits die neue Idee. Mithilfe einer Cyber-Brille und Filmaufnahmen aus der eigenen Wohnung könnte ein teilweise gelähmter Mensch in einer virtuellen Welt auf dem Laufroboter üben und später zu Hause besser klarkommen. Gut möglich, dass die Patienten in der Großenhainer Rehaklinik bald aussehen wie ganz gewöhnliche Cyber-Freizeitspieler.