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Rätsel um Nieskyer Mauer wird gelöst

Bühne samt Bauwerk am Platz der Jugend sollen abgerissen werden. Was das war, will die Stadt noch recherchieren. SZ-Leser können helfen.

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© André Schulze

Von Carla Mattern und Jens Trenkler

Niesky. Wer mit offenen Augen durch Niesky geht, sieht Ähnlichkeiten zwischen der Mauer hinter der Bühne am Platz der Jugend und der Umfriedung entlang der Muskauer Straße. In Höhe des Gebäudes im Technologie- und Betreuungszentrum, in dem unter anderem die Nieskyer Filiale der Agentur für Arbeit ihre Räume hat, steht ebenfalls eine dicke Betonmauer. Die ist zwar deutlich niedriger als das Bauwerk am Platz der Jugend, aber eben auch sehr ähnlich.

Wolfgang Hänsch kann erklären, warum das so ist. Der 75-jährige Nieskyer hat als Maschinenführer im Nieskyer Waggonbau gearbeitet. Früher erstreckten sich Hallen und Funktionsgebäude des Spezialgüterwagenherstellers noch bis vor an die Muskauer Straße. Die hieß bis zur Wende Straße der Befreiung und war von einer Betonmauer umgrenzt. Darin eingelassen seien Schaukästen gewesen, in denen die Nieskyer Bevölkerung unter anderem über den Waggonbau informiert wurde, beispielsweise die Mitarbeiter, die es wegen besonderer Leistungen in die damals übliche „Straße der Besten“ schafften.

In den 1970er Jahren dann sei die Stadt Niesky an den Waggonbau herangetreten, weil sie auf dem Platz der Jugend die Bühne nach hinten mit einer stabilen Mauer abgrenzen wollte. Der Waggonbau verfügte zu DDR-Zeiten über fast alle Gewerke selbst, ganz zu schweigen von einem Kindergarten, dem „Ludwig Ey“-Kulturhaus samt Villa, in der sich jetzt die Molkerei Niesky befindet, einem Betriebsambulatorium, Speisegaststätte, Betriebszeitungsredaktion und vielem mehr. Für den Waggonbau tätige Baustudenten hätten damals den Auftrag erhalten, für die Stadt eine Mauer zu entwerfen. Die sollte zwar einen fahrenden Zug symbolisieren, sei aber vom Volksmund als „Pimmelwand“ bezeichnet worden, erzählt Wolfgang Hänsch. Der Nieskyer hatte sich gleich nach dem Aufruf in der SZ gemeldet, bei dem gefragt wurde, wer etwas von dem demnächst abzureißenden Objekt an der Bühne im Nieskyer Zentrum weiß.

Auch Gunther Juretzek, der in den 1980er Jahren im Waggonbau für die Instandsetzung und Investition verantwortlich war, meldete sich mit interessanten Informationen. „Ursprünglich wollte man hinter der Bühne eine Wand mit Klinkersteinen errichten. Diese hätte sich gut in das Gesamtbild eingefügt. Da sich zu dieser Zeit kaum solches Baumaterial beschaffen lies, hatte man sich für die Betonformsteine entschieden.“ Nach Aussage des heute 79-jährigen Nieskyers wurden die Steine in einem Berliner Betonwerk hergestellt und von Mitarbeitern des Waggonbaus in Zusammenarbeit mit der Bauabteilung der Stadt errichtet. Bereits im Vorfeld hatten Mitglieder eines „Gestaltungskollektives“ verschiedene Muster dafür entworfen. Passend zum Namen des Platzes sollte die Gestaltung der Wand am Platz der Jugend einen Teil des Symbols der Freien Deutschen Jugend (FDJ) enthalten. Dies habe man mit der flammenartigen Positionierung der Betonsteine schließlich realisiert.

Wolfgang Hänsch und Gunter Juretzek helfen möglicherweise auch der Stadt Niesky damit. Denn von der Denkmalschutzbehörde des Landkreises Görlitz gibt es zwar ein Ja zum Abriss des Ensembles an die Stadt Niesky. Aber auch die Forderung, eine Tafel aufzustellen, die darüber informiert, was dort jahrzehntelang stand und den Platz der Jugend prägte. Ende November will sich die Stadt mit den Zeitzeugen treffen und über den Inhalt der Tafel reden.