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Polizist will Tatfotos nicht sehen

Ein Mann wird von mehreren Tätern gequält. In Dresden ließ das einen Beamten kalt.

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© Archiv: Fabian Schröder

Von Christoph Springer

Dresden. Kein Rauswurf, auch keine Degradierung oder Kürzung seines Beamtensoldes: Polizist Jens H. ist um die schlimmsten denkbaren Folgen seines Vergehens herumgekommen.

Der Polizeihauptmeister hat zwar im September 2013 versäumt, Ermittlungen wegen einer schlimmen Attacke aufzunehmen, doch das war nur eine versuchte Strafvereitelung im Amt, hat Amtsrichter Jochen Meißner entschieden. Dem Angeklagten konnte nicht nachgewiesen werden, dass sein Versäumnis zu weiteren Qualen des Opfers geführt hat.

H. arbeitete am 26. September 2013 in der Dienststelle an der Osterbergstraße in Pieschen. Gegen Mittag kamen zwei Mitarbeiterinnen aus dem Jugendverein Roter Baum zu ihm, um eine Gewalttat anzuzeigen, die sie im Internet entdeckt hatten. Dort war ein nackter, offenbar verletzter Mann zu sehen. Er hielt ein Schild in den Händen, das ihn als „Kinderschänder“ darstellte. Dazu waren rechtsextreme Symbole zu sehen.

H. regte sich nicht. Auch Fotos wollte er sich nicht ansehen, die die Frauen aus dem Roten Baum im Internet entdeckt hatten. „Er hat gesagt, er hat Familie und die Bilder würden ihn zu sehr beschäftigen“, berichtete Isabell H. am Dienstag vor Gericht. Auch Mails könne die Polizei nicht empfangen, soll der Beamte gesagt haben. Dann schrieb er sich immerhin die Internetadresse der Bilder auf. „Das war dann ruckzuck vorbei“, so die 29-Jährige. „Da kam dann ein Kollege herein, der etwas von Essen erzählte oder dass der Kaffee fertig ist.“ Das sei für den Beamten offenbar wichtiger gewesen als ihr Anliegen, hat sie damals geschlussfolgert.

Eine andere Mitarbeiterin aus dem Roten Baum hat die Beobachtungen aus dem Internet später der Polizei in ihrem Wohnort Pirna gemeldet. Diese Beamten wurden sofort aktiv und informierten ihre Kollegen in Neubrandenburg, die wiederum zügig dafür sorgten, dass das Opfer der Attacken in Sicherheit gebracht wurde. Der Mann musste auf der Intensivstation der Uniklinik Greifswald behandelt werden.

Der Dresdner Polizist Jens H. muss für sein Versäumnis 90 Tagessätze zu je 70 Euro bezahlen. Damit ist er gerade eben noch nicht vorbestraft. Gravierende Folgen für sein Beamtendasein muss er deshalb nicht mehr fürchten.