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Polen macht Druck

Nach dem deutsch-polnischen Bahngipfel regiert in Sachsen das Prinzip Hoffnung.

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© Pawel Sosnowski

Von Michael Rothe

„Gut, dass ich da war“, resümiert Hartmut Mangold seine Teilnahme am 3. Deutsch-polnischen Bahngipfel am Montag im Potsdamer Kaiserbahnhof (die SZ berichtete am Dienstag). Sachsens Verkehrsstaatssekretär war zufrieden, obwohl seine Anliegen in der Abschlussmitteilung kaum eine und in der Absichtserklärung gar keine Rolle spielen: die Elektrifizierung des deutschen Teils der Linie Dresden–Wroclaw (Breslau) und die Sanierung des rund drei Kilometer langen Abschnitts im polnischen Niemandsland zwischen Zittau und dem tschechischen Liberec (Reichenberg). Immerhin widmeten sich diesen Linien zwei der sieben Tagesordnungspunkte.

Der Polen-Koordinator der Bundesregierung, Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD), feiert das Treffen als „wichtigen Teilerfolg“ zur Verbesserung des grenzüberschreitenden Bahnverkehrs und die Absichtserklärung der Deutschen Bahn mit Brandenburg und Berlin zum Ausbau der Strecke Angermünde–Grenze zu Polen, Teilstück der Linie Berlin–Szczecin (Stettin), als „Meilenstein für die europäische Metropolenregion“. Die Länder wollen sich an den Kosten beteiligen. Die Teilnehmer verständigten sich auch auf eine Verbindung Berlin–Breslau–Krakau in Intercity-Qualität. „Das ist der Wiedereinstieg in den Fernverkehr, auf den wir lange gewartet haben“, freut sich Brandenburgs Regierungschef.

Davon kann Sachsen mit seiner als Regionalexpress geführten Dresden–Breslau-Linie nur träumen. Sein Gesandter sieht aber Fortschritte. So soll es bis Ende Juli ein Treffen zur Elektrifizierung des Abschnitts von der Grenze zum Bahnhof Görlitz geben. Dabei wolle er erneut deutlich machen, dass dieses Vorhaben „Teil des Gesamtkunstwerks Dresden–Görlitz sein muss“, sagt Mangold. Er erwarte „ein klares Commitment der Bundesregierung – und das nicht erst irgendwann“. Neben der Aufwertung der Linie im Verkehrswegeplan könne auch das noch undefinierte Elektrifizierungsprogramm des Bundes greifen. „Ich bin einigermaßen optimistisch, dass es ein Finanzierungsmodell geben wird – welches, ist zweitrangig.“ Noch steht das Vorhaben beim Bund im „potenziellen Bedarf“, also auf dem Abstellgleis. Die überfällige Bewertung nach Sachsens Einspruch soll nun im III. Quartal erfolgen.

Der fehlende Kilometer hat es in sich

Polen macht Druck bei der Elektrifizierung und spricht von einer „beschämenden Situation“ auf deutscher Seite. Ausbau und Elektrifizierung waren 2003 beschlossene Sache. Die Nachbarn haben ihre Hausaufgaben fast erledigt. Ende 2019 soll auch auf ihrem letzten Teilstück zwischen Wegliniec (Kohlfurt) und Zgorzelec der Fahrdraht hängen. Dann fehlt nur der Kilometer auf deutschem Gebiet zum Bahnhof Görlitz, damit ihre Gleichstrom-Züge (in Deutschland liegt Wechselstrom an) fahren können. Laut Staatssekretär Mangold will Polen den Bau bezahlen. Deutsche Experten sehen den Anschluss als schwierig an: wegen unterschiedlicher Stromsysteme, zu niedriger Blockhausbrücke, Denkmalschutz- und Umweltbelangen. Sie rechnen erst 2028 mit einer Inbetriebnahme.

Für Zittau–Liberec sollen offene Fragen bis Ende 2018 geklärt sein und ein Vertrag zwischen Deutschland, Polen und Tschechien stehen. Dann wolle die Deutsche Bahn die Federführung übernehmen. Mangold sieht kein Finanzierungsproblem, es gehe um Standards und technische Details. Die Strecke führt drei Kilometer durch Polen, ist dort nur mit Tempo 30 befahrbar.

Unter dem Strich waren die Reaktionen auf das Potsdamer Treffen eher ernüchternd. Der Gipfel habe „keine wirkliche Wende eingeleitet und auch nicht allen Regionen genutzt“, heißt es von der Initiative deutsch-polnischer Schienenpersonenverkehr. Sprecherin Anja Schmotz erwartet vom Bundesverkehrsministerium eine zügige Bewertung der Projekte Dresden–Görlitz–Staatsgrenze und Cottbus–Görlitz, die schon 2015 hätte vorliegen sollen.

Selbst die IG Metall macht sich für Dresden–Görlitz stark. Der „unnötige Standortnachteil der ostsächsischen Produktionsbetriebe“ mangels elektrifizierter Bahnanbindung müsse ein Ende haben, fordert Jan Otto, Erster Bevollmächtigter der Gewerkschaft für Ostsachsen. Das wäre ein Signal für Standortsicherung und Ansiedlungen.

„Unsere Botschaft ist angekommen“, sagt Mangold. „Es saßen die richtigen Leute am Tisch“: so DB-Vorstand Ronald Pofalla und Polens Bahnchef Krzysztof Maminski sowie Enak Ferlemann, Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium. „Unsere Aufgabe ist es, das Thema immer wieder gebetsmühlenartig auf die Agenda zu heben.“ „Außer Spesen nichts gewesen“, kommentiert der sächsische Bundestagsabgeordnete Stephan Kühn (Bündnis 90/Grüne) Mangolds Ausflug nach Potsdam. Brandenburg zeige, wie erfolgreiche Lobbyarbeit gehe und was man mit Kostenübernahme über Planung hinaus erreichen kann. Das sei bei Dresden–Görlitz nötig, um nicht noch mehr Zeit zu verlieren.