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Plötzlich Prostituierte

Nur Massage oder mehr? Ein gut gemeintes Gesetz soll den Sexarbeitern helfen. Im Hechtviertel gibt es nun Ärger für einen Salon.

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© Sven Ellger

Von Julia Vollmer

Wo sich sonst der Geruch von Räucherkerzen und Massageölen ausbreitet, riecht es dieser Tage nach Angst. Angst vor der Insolvenz, vor dem Aus für alle, die Läden und Mitarbeiter. Denn das neue Prostitutionsschutzgesetz bedroht die Existenz von Katrin Laux. Sie betreibt die Sinnesart-Studios, auch im Hechtviertel.

Gleich mehrere Punkte aus diesem Gesetz bereiten nicht nur Betreibern wie Laux Sorgen, sondern auch der Stadtverwaltung und den Sozialarbeitern. Das Gesetz gilt seit Juli 2017 bundesweit, in Sachsen tritt das Ausführungsgesetz erst in Kraft, wenn der Landtag dieses beschließt. Eigentlich sollen damit die Bedingungen für die Prostituierten verbessert werden.

Die Masseure, die bei Katrin Laux arbeiten, sollen fortan als Sexarbeiter gelten, und müssen sich offiziell bei den Behörden als Prostituierte anmelden. Egal ob bei der Massage wie in einem Bordell tatsächlich der Sexualakt vollzogen wird oder nicht. Denn darauf legen die Betreiberin und ihre Leute wert: Sex gibt es nicht, aber berührt werden darf überall – auch im Intimbereich.

Die Masseure und der Gast sind dabei nackt oder nur mit einem Tuch bedeckt. Gegenseitiges Anfassen ist erlaubt. „Wenn ich mich tatsächlich anmelden muss, bin ich gezwungen, den Job hier aufzugeben“, sagt Robert. Wie alle Mitarbeiter will er nicht seinen richtigen, sondern nur seinen Arbeitsnamen verraten. Denn er arbeitet im öffentlichen Dienst. Wenn jemand von seinem Nebenerwerb erfährt, droht die Kündigung. Die 70 Euro pro Stunde, die er verdient, bessern seinen Lohn auf.

Die Anmeldung als Prostituierte betrifft nach Schätzungen der Stadt 400 bis 600 Frauen und 100 Männer. Diese arbeiten hauptsächlich in Wohnungen. Rund 150 gibt es und zwei Bordelle – auf der Zwickauer Straße und der Hamburger Straße.

Dass Prostituierte und Masseurinnen sich künftig anmelden müssen, stößt auf Kritik bei den Sozialarbeitern. Auch bei Ulrike Richter von Kobranet. Der Verein kümmert sich um die Sexarbeiter. Viele der Frauen, die in Dresden arbeiten, stammen neben Deutschland aus Thailand, Rumänien oder Bulgarien. „Sie haben Angst, dass ihre Familien von ihrem Job erfahren, wenn sie sich registrieren lassen“, sagt sie. Richter glaubt, viele werden dann illegal weitermachen. Laut Gesetz dürfen die Damen nicht mehr im gleichen Bett arbeiten und schlafen. Doch zwei Mieten – für Wohnung und Arbeitszimmer – könnten sich die meisten nicht leisten. Ein Grund mehr, die Anmeldung zu umgehen, fürchtet sie.

Und noch etwas bedroht künftig die Existenz der erotischen Anbieter wie das Sinnesart-Studio. Das Gesetz sieht vor, dass in einem Umkreis von 200 Metern rund um Kitas, Schulen, Friedhöfe oder Kirchen keine Etablissements betrieben werden dürfen. Bisher gilt in Dresden das Sperrgebiet für Prostitution nur in der erweiterten Innenstadt und den Ortschaften. „Ich kann nicht an den Stadtrand umziehen, dafür fehlen mir die Rücklagen, und meine Mietverträge laufen noch vier Jahre“, so Laux. Das neue Gesetz betrifft nicht nur ihr Geschäft, sondern beispielsweise auch die Studios Royal in Cotta oder die Massageengel. Aktuell gibt es in Dresden 530 Betriebe, die Massagen nichtmedizinischer Art anbieten, sagt die Stadt. Rund 50 davon, bieten Massagen in der Form von sexuellen Dienstleistungen an.

Auch noch neu: Alle Sexarbeiter müssen sich künftig einer Pflichtberatung im Gesundheitsamt unterziehen, und diese kostet Geld. Denn laut Gesetz soll die Stadt die Kosten für die Beratungen wieder reinspielen. Sozialbürgermeisterin Kristin Kaufmann (Linke) rechnet in einem internen Papier vor: Die gesundheitliche Beratung soll 60 Euro kosten, die Anmeldebescheinigung 40 Euro. Unter 21-Jährige, die zweimal im Jahr untersucht werden, müssten pro Jahr bis zu 175 Euro zahlen. Kaufmann befürchtet, dass „die Verwaltung zum Zuhälter der Prostituierten wird.“

Positiv sei die Kondompflicht zu bewerten, sagen Ulrike Richter und auch Christian Willnow von der Aids-Hilfe. Willnow sieht die Regeln sonst aber auch kritisch: „Viele Frauen werden das ab sofort heimlich tun. Welche Studentin, die sich damit ihr Studium finanziert, will schon ihre Daten beim Amt angeben?“

Kritik kommt auch von den Politikern. „Wenn die Gebühren wirklich kommen, bleibt vielen, ihre Tätigkeit aufzugeben und Hartz IV zu beziehen oder illegal weiterzumachen und sich damit Gefahren auszusetzen“, so Linken-Stadträtin Pia Barkow. Für Sozialarbeiter seien diese nicht mehr erreichbar. Das befürchten auch Dagmar Neukirch (SPD) und Katja Meier (Grüne). Sie verweist auf andere Bundesländer. „In Nordrhein-Westfalen oder Mecklenburg-Vorpommern fallen für die Prostituierten keine Kosten an.“ Patrick Schreiber (CDU) will nachbessern. „Es ist wichtig, Lösungen zu finden, welche das Fortbestehen der Massagestudios nicht gefährdet.“ Der Sozialausschuss tagt am 9. Februar dazu.