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Nichts mehr zu retten

Noternte in Skaup: So früh wurde der Weizen noch nie vom Feld geholt. Muss er aber, denn er ist vertrocknet.

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© Kristin Richter

Von Catharina Karlshaus

Großenhain. Die berühmtesten Felder Deutschlands sind am Boden. Staubig, vertrocknet, die Pflanzen darauf haben längst kapituliert. Zwischen Skaup und Uebigau, dort, wo bereits vor drei Jahren ein Team des ZDF seine Kameras auf den extrem ausgedörrten Sommerhafer gehalten hatte, ist an diesem Junitag 2018 die Misere unübersehbar. „Schauen Sie sich doch diese Kümmerlinge an! Selbst wenn es am Donnerstag ein paar Spritzer Regen gibt, ist beim Weizen absolut gar nichts mehr zu retten“, sagt Manfred Engelmann.

Durch die Dauerhitze und die extreme Trockenheit sind erhebliche Schäden bei der Ernte zu befürchten.
Durch die Dauerhitze und die extreme Trockenheit sind erhebliche Schäden bei der Ernte zu befürchten. © Kristin Richter

Gerade kommt der Geschäftsführer der Agrargenossenschaft Skäßchen von einem der Nachbarfelder. Wie Asche ist ringsum die Erde, in der auf insgesamt 1 400 Hektar Weizen, Gerste, Hafer, Roggen und Mais angebaut werden. Der mineralreiche Sandlößboden lässt das wenige Wasser schneller in tiefere Schichten versickern. Aber geregnet hat es ohnehin schon lange nicht mehr ergiebig. Am Dienstagabend hat die Agrargesellschaft deshalb auch die Notbremse gezogen. Seine Mitarbeiter haben damit begonnen, in Skaup die Wintergerste abzuernten. So früh wie noch nie und ein absolutes Novum, auch für den erfahrenen Landwirt Manfred Engelmann. „Das hat es wirklich noch nie gegeben! Wir haben immer in der ersten Dekade vom Juli begonnen, und heute ist gerade mal der 20. Juni“, rechnet der 65-Jährige vor und schüttelt den Kopf.

Wie er betont, bleibe den Bauern der Region aber nichts anderes übrig. Auch wenn kampferprobte Haudegen wie Engelmann in der Vergangenheit den schnellen Auswirkungen des vielzitierten Klimawandels manchmal etwas skeptisch gegenüber gestanden haben. Angesichts von einem ausgefallenen Frühjahr, einem späten Winter mit starkem Schneefall, welcher dann nahtlos in einen vorgezogenen Sommer mit konstanten Temperaturen um die 26 bis 30 Grad Celsius kippte, sei er jedoch eines besseren belehrt worden. Durch die Dauerhitze und die extreme Trockenheit – für das Großenhainer Land werden für die nächsten zwei Tage ganze zwei Liter Niederschlag vorausgesagt – befürchtet Manfred Engelmann inzwischen erhebliche Einbußen und Schäden bei der Ernte.

Eine, die im Falle des Weizens das Wort eigentlich gar nicht mehr verdiene. Von der Wurzel an sind die Pflanzen abgestorben und vertrocknet. Die Ähren stehen zwar aufrecht und geradezu mit Gardemaßen unterm azurblauen Himmel. Aber genau das sei der springende Punkt: „Eigentlich sollte das bestes Brotgetreide werden. Doch durch die anhaltende Trockenheit wurden gar nicht erst Körner ausgebildet“, erklärt Manfred Engelmann.

Bestenfalls könne der Weizen, dessen Boden aufwendig gepflügt, bestellt, gedüngt, pflanzenschutztechnisch behandelt worden ist, an die Schweine verfüttert werden. Denn auch wenn die Weizenerträge nur reichlich ein Drittel des Vorjahres erreichen würden und das für gehörig Frustration sorge: aus ethischen Gründe werde natürlich abgeerntet. Drauf bliebe nichts.

Ein Dilemma, das der seit über 40 Jahren im Beruf stehende Agraringenieur durchaus kennt. Denn traurig, aber wahr: Solche Perioden seien nun mal kein Einzelfall. Erst recht nicht im Großenhainer Land. Ein Fleckchen Erde, welches sich ohnehin im sogenannten Dürregürtel befindet. Die Flächen nördlich und östlich der Elbe sind dabei besonders stark betroffen. Über Zabeltitz, Görzig, Übigau zieht sich der Dürregürtel bis hinter nach Schönfeld, Thiendorf oder Ponickau. Zu selten regnet es in dieser Gegend und wenn doch, dann sind die Niederschlagsmengen nach Ansicht von Experten nicht ergiebig.

Bedingungen, die den Bauern in Skäßchen 1947 die bis dahin schlechteste Ernte bescherte. Fünf Monate, so erinnern sich noch gut die Älteren im Dorf, hatte es damals nicht geregnet. 2003 folgte dann durch Hitze und Trockenheit ein ähnliches Desaster. Hafer und Leinen, so Manfred Engelmann, mussten als Totalausfall verbucht werden, beim Mais hatten sich kaum Kolben ausgebildet. Insgesamt letztlich über 60 Prozent Verlust für die Agrargenossenschaft und nur aufzufangen gewesen durch Ausgleichszahlungen der EU, des Bundes und des sächsischen Freistaates. Ein Szenario, das sich Manfred Engelmann noch gar nicht ausmalen will. Noch hofft er auf einen Wetterwechsel – mit gleichmäßigem, satten Landregen.