Merken

Neumarktquartier erst halb belegt

Vor einem Jahr hat der neue Wohnpark für Senioren und Familien eröffnet. Zweitere fehlen bisher. Das hat mehrere Gründe.

Teilen
Folgen
© Claudia Hübschmann

Von Marcus Herrmann

Meißen. Unbeachtet liegt der kleine Spielplatz im neu gestalteten Innenhof da. Sandkasten und Schaukel sind verwaist, Bänke und Sitzecken warten auf Nutzer. Ja, es ist Winter und nicht die Zeit, um draußen das Wetter zu genießen. Aber auch in den wärmeren Tagen des vergangenen Jahres sah es im Hof ähnlich aus. Was hier und in dem gesamten im Januar 2017 eröffneten Senioren- und Familienwohnpark Neumarktquartier fehlt, sind Familien mit Kindern. Dorit Birke heißt die Standortleiterin für den Pflegedienst Advita. Mit insgesamt 70 Mitarbeitern kümmert sie sich um das Wohl der Senioren, die in Tagespflege, betreutem Wohnen oder den drei Demenzwohngruppen des Neumarktquartiers und der Neumarktschule nebenan umsorgt werden.

Der liebevoll gestaltete Innenhof, von dem aus alle neuen Häuser erreichbar sind, ist häufig verwaist. Das liegt nicht nur an der Jahreszeit.
Der liebevoll gestaltete Innenhof, von dem aus alle neuen Häuser erreichbar sind, ist häufig verwaist. Das liegt nicht nur an der Jahreszeit. © Claudia Hübschmann

Ob Pflegefachkraft, Hauswirtschafter, Köche, Putzkräfte oder Verwaltungsangestellte – sie alle werden gebraucht, um den Bedürfnissen der über 110 Bewohner in beiden Häusern gerecht zu werden. 65 sind es gerade im Neumarktquartier. Zweimal täglich wird für die Bewohner zum Beispiel frisch gekocht. Dass viele Wohnungen derzeit frei, die Gänge oft wie leer gefegt sind, weiß auch die 50-Jährige. „Die Demenz-Gruppen sind allerdings voll besetzt, darüber hinaus 23 Plätze im Betreuten Wohnen“, schildert Birke die Situation im Neubau. 30 von 70 Wohnungen sind hier derzeit belegt. Woran es noch krankt, ist der Einzug von Familien. Von den 18 größeren Wohnungen sind zwar zehn belegt, aber eben nicht durch junge Familien.

Dabei ist das 11,5 Millionen Euro teure Wohnquartier vom Bauherren Volksbank-Raiffeisenbank bewusst als gemischtes Projekt angelegt worden – damit sich Alt und Jung auf dem Gelände begegnen, sich gegenseitig unterstützen. „Vielleicht sehen es viele noch immer als reines Seniorenwohnzentrum, wissen nicht, dass es hier auch tolle Wohnungen für Familien gibt“, sagt Dorit Birke. Acht Stück sind zu haben.

Ein weiteres Problem könnten die für Meißner Verhältnisse hohen Mieten für die allerdings auch voll ausgestatteten Wohnungen sein. Birke nennt hier einen Preis von 9,80 Euro kalt pro Quadratmeter. In der Pflegebetreuung zahlen Mieter einen individuellen Festpreis inklusive Nebenkosten und Aufwendungen für das Personal. Vielen älteren Leuten oder deren Angehörigen sind finanzielle Grenzen gesetzt, so dass sie sich die Betreuung nicht leisten können. Jene, die aber hier sind, bekräftigt Birke, fühlten sich sehr gut aufgehoben. Der Standort mit seiner Nähe zur Altstadt und zu Einkaufsmöglichkeiten oder Cafés – etwa in den Arkaden – sei ideal für die Senioren. Die kommen größtenteils aus Meißen und Umgebung sowie kleinen Orten des ländlichen Raumes. „Darunter sind auch viele Rückkehrer“, so Dorit Birke.

Was die Bewohner und die Leiterin des Standortes mit Sorge beobachteten, sei der zunehmende Verkehr am Neumarkt vom und zum Plossen. „Für viele unserer Klienten ist es ein Ärgernis, wenn sie auf ihren Balkons sitzen und die Kaffeetasse wackelt, weil unten ein Lkw nach dem anderen lang donnert“, erzählt Birke.

Die Pläne zum grundhaften Ausbau des Plossens halte sie für unverantwortlich und im Sinne der Meißner völlig verfehlt. „Auf dem schmalen Gehweg neben der dicht befahrenen Straße können Menschen mit Rollator gar nicht nebeneinander laufen, geschweige denn, sich sicher fühlen“, so Birke. Sie hofft daher, dass die Verkehrsplaner von Stadt und Freistaat eine andere Lösung als den Plossenausbau finden, nicht noch mehr Verkehr mitten durch die Stadt leiten. Denn mittelfristig wird sich das Neumarktquartier füllen, ist sie überzeugt. Die nächsten beiden Bewohner haben sich für März angesagt. Sie ziehen aus Berlin nach Meißen.