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Neues Leben für den alten Grenzbahnhof

Glasbläserei, Ski- und Radverleih: Für das große Gebäude in Moldava gibt es viele Ideen. Bald rollen wohl auch Züge.

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© Egbert Kamprath

Von Steffen Neumann

Moldava. Die Fahrkartenschalter sind verwaist, die historische Wandverkleidung herausgerissen und in der Wartehalle blättert ein großes Wandbild vor sich hin. Das Bahnhofsgebäude in Moldava (Moldau) hat eindeutig schon bessere Zeiten gesehen. Um alle Beamten der Grenzpolizei, des Zolls, der Bahn und Post unterzubringen, wurde das Gebäude einst errichtet. Wohlgemerkt nicht nur für die österreichisch-ungarischen Beamten, sondern auch für die sächsischen. Einst diente hier sogar der spätere Dichter Alfred Branald als Bahnhofsvorsteher, wie eine Gedenktafel am Bahnsteig berichtet.

Das letzte Bier wurde vor drei Jahren ausgeschenkt. Nun gibt es neue Interessenten für die Immobilie. Genug Platz für neue Nutzer ist jedenfalls da.
Das letzte Bier wurde vor drei Jahren ausgeschenkt. Nun gibt es neue Interessenten für die Immobilie. Genug Platz für neue Nutzer ist jedenfalls da. © Egbert Kamprath
© Koerner, Heidemarie

Doch als 1945 die Bahnstrecke, über die Güterzüge Braunkohle aus dem Revier um Most (Brüx) ins sächsische Freiberg brachten, unterbrochen wurde, war auch das Schicksal des Gebäudes besiegelt. „Bis 1985 befand sich hier noch eine Berufsschule für Eisenbahner. Doch spätestens nach 1989 wurde das Gebäude nicht mehr so recht genutzt“, sagt Eva Kardová, die stellvertretende Bürgermeisterin von Moldava und als solche Schlüsselverantwortliche. Denn die Gemeinde ist seit drei Jahren Eigentümerin.

Ungarn, Österreicher, Vietnamesen

Eine Zeit lang lebten im ersten Stock noch Vietnamesen, die an der Grenze ihre Buden hatten. Doch seinem eigentlichen Zweck diente das Gebäude immer weniger. Erst wurde der Fahrkartenverkauf eingestellt, dann kam der Zug immer seltener und vor drei Jahren machte auch die Bahnhofsgaststätte dicht. Damit entfiel auch der Grund, das Gebäude überhaupt zu öffnen. „Nachdem Diebe Teile der historischen Ausstattung demontiert hatten, ließen wir die Türen lieber zu.“ Und schon seit über einem Jahr fährt auch der Zug nicht mehr. Ein Erdrutsch in der Nähe der Station Mikulov (Niklasberg) brachte den Bahnverkehr zum Erliegen.

Nüchtern betrachtet waren die knapp drei Millionen Kronen (111 000 Euro) Kaufpreis für das Gebäude eine Fehlinvestition. Das war damals immerhin ein kompletter Jahresetat der 150 Einwohner kleinen Gemeinde. Der Komplex ist baufällig und es ist längst nicht ausgemacht, wie er genutzt werden soll. „Im Gemeinderat waren wir uns uneins, am Ende hatten die Befürworter des Kaufs knapp die Oberhand.“ Zu denen zählt auch Kardová. Die Frau mit gräulichen Haaren und Brille wird nicht müde, sich als Optimist zu bezeichnen. Und diesen unerschütterlichen Optimismus strahlt sie auch aus. „Wenn mich heute jemand fragt, was das Bahnhofsgebäude macht, sage ich: Es atmet und das soll es ruhig noch ein paar Monate tun.“ Der vorherige Mieter hatte sich nicht um die Durchlüftung gekümmert und der Eigentümer, die staatliche Schienennetzverwaltung, erst recht nicht. Tonnen von Müll mussten aus dem Bahnhof entsorgt und künstliche Zwischenwände eingerissen werden. Es schimmelte und die Inneneinrichtung war vom Holzwurm zerfressen. Jetzt sind die Wände zwar kahl, aber die Luft ist gut.

Doch so langsam findet selbst Berufsoptimistin Kardová, dass etwas mit dem Gebäude passieren muss. Ideen, die 1 700 Quadratmeter bebaute Fläche zu nutzen, hat sie mehrere. „In das Gebäude soll unsere Tourist-Info einziehen, unter dem Dach ein Konferenzraum entstehen. Und wir wollen Gewerbetreibenden Räume anbieten.“ Es gibt tatsächlich Interessenten. Eine Glasbläserei will an die Tradition der Waldglashütten anknüpfen. Und ein Fahrrad- und Skiverleih hat nachgefragt. Das macht Sinn. Die vielen Radtouristen im Ort sind nicht zu übersehen. Und im Winter ist Moldava traditionell das Mekka der Langläufer, auch dank der guten Bahnanbindung. Nachdem die im letzten Winter weggefallen war, gibt es inzwischen gute Nachrichten. Nach mehreren Verschiebungen steht nun Ende Oktober als Termin für die Wiedereröffnung. Obwohl das noch nicht hundertprozentig sicher ist, erweist sich die Gemeinde auch in diesem Fall als optimistisch. Für den 18. November hat sie ein großes Fest zur Inbetriebnahme der Bahnstrecke geplant und daran wird nicht gerüttelt. Notfalls wird der Zug herbeigefeiert.

Ärger wegen Windradplänen

Und auch für das Bahnhofsgebäude ist Rettung in Sicht. Aus eigener Kraft kann die Gemeinde natürlich nicht sanieren. Aber nach langem Suchen hat Frau Kardová einen Fördertitel des Industrieministeriums gefunden, der umgerechnet fast eine Million Euro für die nötigsten Rettungsarbeiten verspricht. Damit kann das Dach erneuert, der Dachboden ausgebaut, das Erdgeschoss saniert und das Vordach mit den historischen, aber schon arg verrosteten gusseisernen Trägern restauriert werden.

So gesehen bringt das Bahnhofsgebäude ein bisschen Hoffnung in das triste Dasein der Grenzgemeinde. Vor Jahren noch hatte es sein Schicksal mit dem Bau von 18 Windrädern verbunden. Der Investor versprach Geld, die Gemeinde änderte dafür ihren Flächennutzungsplan und das Umweltministerium gab nach der Umweltprüfung unter Auflagen grünes Licht . Erst die fehlende Ausnahmegenehmigung vom Schutz seltener Tierarten brachte das Vorhaben ins Stocken. Außerdem hagelte es Kritik von beiden Seiten der Grenze. Auch die Beziehungen zur sächsischen Nachbargemeinde Rechenberg-Bienenmühle litten darunter.

Doch inzwischen gibt es zwischen beiden Orten einen regen Austausch. Das liegt auch an der engagierten und immer freundlichen Vizebürgermeisterin. Es geht um eine Pendelbusverbindung am Wochenende. Sie soll die Lücke schließen, die auf der Bahnstrecke bis heute besteht. „Das ist in beiderseitigem Interesse. Gerade die deutschen Touristen sagen uns immer wieder, dass sie vor allem wegen der Bahn herkommen“, sagt Kardová und verweist auf die denkmalgeschützte Strecke auf tschechischer Seite mit Tunneln, einem Viadukt und atemberaubendem Gratisfernblick ins böhmische Becken. Fernziel der Optimisten von Moldava bleibt die durchgehende Bahnverbindung von Most nach Freiberg wie vor 1945. Auch dabei hofft Kardová auf Unterstützung aus Sachsen.