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Neue Chance für alte Möbel

Plötzlich herrscht Betrieb im Görlitzer Totschek-Haus. Dort ist Ausverkauf. Manche kommen deshalb, andere wollen das Haus mal wieder von innen sehen.

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© Pawel Sosnowski/pawelsosnowski.c

Von Susanne Sodan

Görlitz. Ein brauner Skoda hält vorm Kaufhaus Totschek. Es regnet in Strömen, der Fahrer springt aus dem Auto, rein ins einstige Kaufhaus. Kurze Zeit später trägt er gemeinsam mit Gregor Leonhardt ein Möbelstück, eingewickelt in eine graue Decke, zum Kofferraum des Autos. Könnte ein Tisch sein. Seit langem steht das Kaufhaus Totschek an der Steinstraße in Görlitz leer, für mehrere Jahre aber hatte zumindest ein Teil des Komplexes eine Funktion: Gregor Leonhardt nutzte das Untergeschoss, um seine antiken Möbel zu lagern und die, die er wieder vorgerichtet hatte, für die Kunden auszustellen. Nun ist Ausverkauf.

Es ist ein ständiges Kommen und Gehen am Sonnabendnachmittag. Eine Frau und ihre Tochter treten durch den Eingang und steuern zielstrebig auf einen Spiegel zu, klemmen ein Schildchen an den goldfarbenen Rahmen: Verkauft. „Den haben wir gesehen, gekauft und jetzt markiert“, sagt die Frau. Abholen wollen sie den Spiegel offenbar später. „Ist der Nähmaschinentisch noch zu haben?“, fragt Luise Heyne. Die junge Frau stammt aus Görlitz, hat in den vergangenen Jahren in Dresden studiert. Mit ihrem Freund zusammen kommt sie jetzt zurück nach Görlitz. Die Wohnung haben die beiden schon, bei der Einrichtung fehlen noch einige Stücke, alte Stücke, „das finde ich schöner, als immer alles neu zu haben“. Der rot-braune Nähmaschinentisch wäre noch zu haben, Luise Heyne ist sich aber noch nicht ganz sicher.

„So was hatte die Oma“, sagt Axel Münch und deutet auf einen Waschtisch mit zwei Emailleschüsseln. Er, seine Frau Regina und Tochter Annett Münch sind zum einen große Antik-Freunde, zum anderen nutzen sie die Gelegenheit, sich das Totschek-Haus mal wieder von innen anzusehen. Vor langer Zeit, zu DDR-Zeiten, waren sie zuletzt hier drin, sagen Münchs. „War früher hier nicht mal ein Teil der Tauschzentrale drin?“, fragt Annett Münch. Vorne, an der Ecke zwischen Steinstraße und Obermarkt war jedenfalls zu DDR-Zeiten das Hauptgebäude der Tauschzentrale, erinnert sie sich. Die Vergangenheit vom Totschek-Haus reicht in die Gründerzeit zu Adolph Totschek, der hier das Kaufhaus einrichtete, das später sein Sohn weiterführte. Während des Nationalsozialismus blieben Totscheks, eine jüdische Familie, von Nazi-Repressalien nicht verschont. Sie emigrierten in die USA.

Die jetzigen Besitzer sind Philipp und Pablo Metz, Vater und Sohn. Die beiden wollen das Kaufhaus wiederbeleben und einen Ort für junge Menschen und ihre Geschäftsideen schaffen: für junge Gründer und Start-Ups, wahrscheinlich mit Café für alle im Erdgeschoss. Vorher aber muss der Komplex, eigentlich drei Häuser, grundlegend saniert werden. Deshalb muss Gregor Leonhardt jetzt ausziehen. Sein Vater führt auf der gegenüberliegenden Seite der Steinstraße das „Antikhaus Leonhardt“. Nebenan hat Gregor Leonhardt seine Werkstatt für die Aufarbeitung der Möbel, die „Einzelstück-Antiquitäten“. „Es denken immer alle, das wäre eine zusammenhängende Sache“, sagt Gregor Leonhardt, es sind aber getrennte Geschäfte. Sein Vater wird sein Antikhaus wie bisher weiterführen. Gregor Leonhardt dagegen hat die „Einzelstück-Antiquitäten“ nun abgemeldet. Ja, es sei lange klar gewesen, dass er aus dem Totschek-Haus irgendwann raus muss. Das kam jetzt zwar etwas schneller als gedacht, das eigentliche Problem ist allerdings: Für sein Geschäft brauche er einen Lager- und Vorführraum, möglichst in der Nähe der Werkstatt, erklärt Gregor Leonhardt. Den irgendwo außerhalb einzurichten, wäre nicht sinnvoll, er müsste dann die Möbel dauernd hin- und herkutschieren, die Kunden hin- und herschicken. Aber es hat sich einfach nichts Adäquates in unmittelbarer Nähe finden lassen. Was Gregor Leonhardt in Zukunft macht, verrät er noch nicht.

Das Ehepaar Rieck dreht noch eine Runde im Totschek-Haus. Sie sind für ein bestimmtes Sideboard im Stil alter Bauernmöbel hergekommen. Vor wenigen Tagen sahen sie es im Schaufenster. Riecks wohnen erst seit zwei Wochen wieder in Görlitz. Das Paar kam vor rund 13 Jahren das erste Mal in die Oberlausitz, wegen der Arbeit, haben hier ein Haus gekauft. Vor fünf Jahren aber zogen sie nach Schleswig-Hostein, erzählen sie. Die Entscheidung, jetzt zurück nach Görlitz zu kommen, habe zum einen ebenfalls mit der Arbeit zu tun, „und Görlitz ist eine gemütliche Stadt“, sagen sie. In den vergangenen Jahren haben sie nahe Hamburg gewohnt, das sei mit der Zeit auch stressig geworden. Das Sideboard ist leider weg, aber vielleicht findet sich noch etwas für ihr Görlitzer Heim.