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Nackte Tatsachen im Löbauer Ratskeller

Wirt Sven Neitsch lädt seine Gäste zu Abenden mit Strippern und Oben-ohne-Bedienung. Die Löbauer freut‘s.

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© Matthias Weber

Von Markus van Appeldorn

Löbau. Als prominentestes Haus am Platze hat der Ratskeller am Löbauer Altmarkt reiche Geschichte geschrieben. So tranken sich hier im Jahre 1597 drei Konventsherren des Sechsstädtebundes buchstäblich zu Tode. Nur wenige Tage, nachdem sie jeder einen drei Liter fassenden Weinpokal in einem Zug geleert hatten, war der Zug für sie abgefahren – gerüchteweise war die mangelnde Güte des aus Kamenz mitgebrachten Weins daran schuld. Bewiesen wurde das nie. Aber bekanntermaßen war ja immer der letzte Wein irgendwie schlecht.

So tragisch diese Geschichte ist – was sich in jüngster Zeit in den Kellergewölben des Rathauses abspielt, ist geradezu unerhört. Auf der „Speisekarte“ stehen seit neuestem außer Involtini vom Mecklenburger Bio-Kalb und Ratatouille auch pikantere Gerichte. Das Spezialmenü findet sich auf der Internetseite des Ratskellers unter dem Punkt „Events“. Für den vorvergangenen Sonnabend, 15. September, war die „Ladys Night“ angekündigt. „Damenwelt aufgepasst“, hieß es da und dann wurde es prickelnd: „Kommt in die Lounge, genießt fruchtige, süße oder erfrischende Cocktails und habt Spaß mit Randy, dem Kellner mit den nackten Tatsachen.“ Und das Beste daran: Eintritt frei.

„Ja, wir hatten zur Ladys Night einen Stripper da“, sagt Ratskeller-Betreiber Sven Neitsch. „Wir hatten zuerst ein bisschen Angst, dass jemand dieses Programm falsch interpretieren könnte, ob wir jetzt Richtung Rotlicht gehen“, sagt er. Aber das sei natürlich nicht so. Der rund 15-minütige Auftritt sei aber kein abendfüllendes Programm gewesen, sondern habe nur der Unterhaltung in der Lounge gedient. Und völlig blank gezogen habe Kellner Randy auch nicht. „Wir sind ja kein Strip-Lokal, sondern wollen das erste Haus am Platze bleiben“, sagt Neitsch. Die Veranstaltung sei natürlich auch nicht im Restaurant gewesen, sondern in der darunter liegenden Lounge. Den Löbauerinnen jedenfalls habe es sehr gefallen. „Es waren etwa 20 Damen da, aus jeder Altersgruppe“, sagt Neitsch. Damit sei die rund 30 Plätze fassende Lounge nahezu voll gewesen. „Es waren auch einige Damen da, die im Restaurant Stammgast sind. Die meisten haben an dem Abend erst bei uns gegessen und sind dann in die Lounge gewechselt“, so Sven Neitsch.

Seit gut eineinhalb Jahren betreibt der 29-jährige Koch das Traditionslokal. Nach 1992 blieben hier für lange Zeit die Lichter aus. Wiederbelebungsversuche in den Jahren 2010 und 2015 scheiterten. Sven Neitsch setzt mit seinem mehrseitigen Konzept nicht nur auf hochwertige Küche im Restaurant mit rund 35 Sitzplätzen, sondern eben auch auf die Lounge mit netter Abendunterhaltung. „Wir wollten mit dem Konzept den Löbauern auch ein bisschen die Schwellenangst nehmen, dass der Ratskeller nur für gehobenes Publikum sei“, erklärt Neitschs Frau Lisa. Sie erinnert an die einst bei den Löbauern sehr populäre „Havanna Bar“. Das Vakuum gemütlicher Abendunterhaltung wolle man mit der Lounge füllen. In Zukunft ist sogar denkbar, den Souterrain-Bereich wieder gastronomisch zu nutzen. „Uns sprechen viele Gäste auf die Kellerbar an, die dort zu DDR-Zeiten war“, sagt Lisa Neitsch. Aber dazu brauche es natürlich auch genügend Gäste.

Für die Neuausrichtung hat er vor ein paar Wochen das ganze Haus umgeräumt. Das Restaurant wanderte von der unteren Ebene in die Beletage, die Lounge kam nach unten. Zum Konzept gehören ebenso Disco- und Livemusikabende oder Karaoke. Sven Neitsch ist zufrieden, dass er den Ratskeller wieder etablieren konnte. „Wir haben auch viele Betriebsfeiern“, sagt er. Das Einzige, was seinem Haus in der letzten Zeit etwas Bauchschmerzen bereitet habe, sei die Dauerbaustelle der beiden Kreisverkehre. „Aber das Thema ist ja jetzt so gut wie erledigt“, sagt er.

Mit Programmen wie der „Ladys Night“ möchte sich Neitsch auch ein jüngeres Publikum erschließen. „So was eignet sich zum Beispiel für einen Junggesellen-Abschied“, sagt er. Der erste könnte womöglich bereits diesen Sonnabend bei ihm zu Gast sein. Denn auch die Herren sollen im Ratskeller nicht zu kurz kommen. Für den 29. September lädt Sven Neitsch ab 20 Uhr zur „Mens Night“ und verspricht „Leckere Drinks von unserer Oben-Ohne Bedienung serviert. Kann es was Schöneres geben?“ Der Eintritt ist natürlich wieder frei. Die Herren bekommen an diesem Abend übrigens wesentlich mehr geboten als die Damen – jedenfalls rein zeitmäßig. „Ich habe die Kellnerin für drei Stunden gebucht“, sagt Sven Neitsch. Und natürlich gilt auch an diesem Abend wie bei der „Ladies Night“ das Motto: Angucken ist erwünscht – Anfassen verboten.