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Mildes Urteil für spektakulären Real-Einbruch

Die Straftat in Heidenau beendete im Januar eine ganze Serie. Trotzdem schont das Gericht den Täter und seine Freundin.

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© Archiv M. Förster

Von Heike Sabel

Heidenau. Mit dem Auto durch die geschlossene Glastür in den Heidenauer Real-Markt: Damit schrieb ein 30-jähriger Mann am 12. Januar Geschichte. Nach dem rabiaten Einparken stieg er aus dem Auto, kletterte über den Servicetresen, schnappte sich unter anderem 19 Handys und rannte stolpernd weg. Ein Coup, der auch Richter Andreas Beeskow am Pirnaer Amtsgericht das Attribut spektakulär wert ist.

© Norbert Millauer

Spektakulär ist auch das Urteil. Der Dresdner Angeklagte wurde am Donnerstag für den Real-Einbruch und fünf weitere Straftaten zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Eine mehr als kipplige und ganz knappe Entscheidung, sagte Beeskow.

Die Staatsanwaltschaft hatte drei Jahre beantragt. Ohne Bewährung. Sie hat nun eine Woche Zeit, gegen das Urteil in Berufung zu gehen. „Eine Woche zittern“, gab Beeskow Daniel B. und seiner Freundin Anne P., beide deutsche Staatsbürger, mit auf den Weg. Die war auch angeklagt. Gemeinsam drehten sie so manches Ding. Der Real aber geht nur auf seine Kappe.

Begonnen hatte es mit dem Diebstahl von zwei E-Bikes in Dresden. Das Pärchen suchte sich die teuersten aus, weil die beim Wiederverkauf den höchsten Profit versprachen. Später nahmen sich Bonny und Clyde, wie Beeskow das Gauner-Pärchen bezeichnete, den Obi in Pirna vor. Sie trugen Waren im Wert von mehreren Hundert Euro zusammen, deponierten sie am zuvor unter dem Schutz der Dunkelheit aufgeflexten Zaun. Doch Obi-Mitarbeiter fanden die Beute, bevor die beiden sie wegschleppen konnten. Was sie mit Holzkitt, einen Flaschenzug für 1 000 Kilogramm, zwei Toilettendeckeln und etlichem mehr wollten? Wohnung verschönern und verkaufen. Nur einmal wollte Daniel B. das Gestohlene nicht verkaufen. „Ein altes Rad ist was Feines“, sagte er zum Diebstahl eines Klapprades am Heidenauer Süd-Bahnhof. Ein schönes Auto auch. Der nächste Fall: ein gestohlener Volvo.

Daniel B. hat Fachabitur und eine Lehre gemacht, war Leiharbeiter, nahm Drogen und wurde arbeitslos. Statt Arbeitslosengeld zu beantragen, begann er zu stehlen und weiterzuverkaufen. Auch an Dealer. Mehr sagt er nicht. Aus Angst. Nicht vor dem Gericht, sondern vor der Szene. Richter Beeskow versteht es. Dann kam Daniel B. ein Zufall entgegen.

Bei einem Gebrauchtwagenhandel in Heidenau habe er im Vorbeigehen einen Bund mit allen Autoschlüsseln auf dem Dach eines Autos gesehen. Nun kann man so eine Fundsache abgeben oder mitnehmen. Daniel B. entschied sich für Letzteres. Nachts holte er dann nach und nach vier Autos, die er an verschiedenen Stellen in Heidenau abstellte. Warum gerade vier, fragte ihn der Richter. „Ich wollte es nicht übertreiben.“ Einer der gestohlenen Autos, der Ford, wurde mit gestohlenen Kennzeichen am Real zum Türöffner.

Daniel B. gab am Morgen des 12. Januar eines seiner Prinzipien auf. Er habe als Dresdner nicht im Umfeld seines Wohnortes „Scheiße bauen wollen“. Deshalb war er im November bis nach Döbeln gefahren, wo er einen Handyladen ausräumte. Der 12. Januar war der zweite Versuch am Real. Beim ersten Mal sah er Polizei und ließ es sein. „Beim zweiten Mal habe ich es durchgezogen.“ Ganz allein.

Anne P. lernte in der Gastronomie, machte bei den Einbrüchen und Diebstählen mit, ohne sich groß Gedanken zu machen, sagt sie. Sie hatte einige Jahre ein richtiges Drogenproblem. Inzwischen ist sie Mutter, lebt mit ihrem Sohn in einem betreuten Wohnen, hat den Entzug hinter sich und geht wöchentlich zur Beratung. Einen Überblick über ihre Schulden hat sie nicht. Deshalb schickt das Gericht sie zur Schuldnerberatung. Außerdem muss sie Sozialstunden leisten.

Dass auch Daniel B. mit Bewährung und einigen Auflagen davon kommt, überrascht. Sein großes Plus war sein Geständnis. Manchmal sagte er einfach: „Stimmt so.“ Das ersparte dem Gericht viel Zeit. Auf einige Zeugen konnte verzichtet werden. Am Ende erspart das Urteil dem Steuerzahler viel Geld. Das nämlich hätte die Haft gekostet. Daniel B. saß seit März in U-Haft. Er wird jetzt zum ersten Mal seinen Ende Mai geborenen Sohn sehen. In einer Verhandlungspause hatte er – noch in Handschellen – erstmals wieder mit seiner Freundin reden können. Sie weinte, als die Staatsanwaltschaft drei Jahre Haft beantragte.