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Mildes Urteil für Geiselnehmer

Bei Gericht ist der 35-Jährige kein Unbekannter. Für seine Flucht aus einer geschlossenen Unterbringung hat der Königswarthaer trotzdem Bewährung bekommen.

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© Matthias Weber

Von Miriam Schönbach

Görlitz. Wegen einer Geiselnahme ist ein 35-jähriger Mann aus Königswartha zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden. Das Landgericht Görlitz legte das Strafmaß am Donnerstag auf ein Jahr und sechs Monate fest. Es blieb damit deutlich unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Laut Urteilsbegründung ereignete sich die Tat am 15. Januar 2016 im Krankenhaus Großschweidnitz. Um seine Entlassung aus der geschlossenen Unterbringung zu erzwingen, nahm Andreas R. einen anderen Patienten in den Schwitzkasten und hielt diesem eine Rasierklinge an den Hals.

Der Angeklagte sagte vor Gericht aus, die Befreiungsaktion sei mit der späteren Geisel abgesprochen gewesen. Das Gericht folgte dieser Version nicht. Es bestehe kein Zweifel an der Tat, so der Vorsitzende Richter. In das Urteil floss zudem eine Vielzahl meist geringfügiger Straftaten ein, für die der Angeklagte in der Vergangenheit verurteilt wurde – vorwiegend wegen Drogen- und Diebstahlsdelikten. Das Verlesen des Vorstrafenregisters dauerte knapp 30 Minuten. – Trotzdem ging das Gericht von einem minderschweren Fall aus, weil sich der Mann in einer Stresssituation befunden habe. Der Angeklagte gab an, aus Not heraus gehandelt zu haben. Die aus seiner Sicht zu hohe Medikation der geschlossenen Unterbringung habe bei ihm zu einem permanenten Unruhezustand geführt. „Es war, als hätte ich Ameisen unter der Haut. Ich wollte an diesem Tag sterben“, erinnerte er sich. Zeugen, die bei der Straftat im Krankenhaus anwesend waren, bestätigten seinen unruhigen und aggressiven Zustand. Der Mann hatte sich selbst wegen Suizid-Gedanken ins Fachkrankenhaus bringen lassen, kurz zuvor hatte er dort eine Therapie auf eigenen Wunsch abgebrochen. Außerdem bescheinigte ihm der psychiatrische Gutachter Persönlichkeitsstörungen aufgrund von langjährigem Alkohol- und Cannabismissbrauch.

Der Staatsanwalt hatte eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren gefordert, der Anwalt des Angeklagten bestritt hingegen den Vorwurf der Geiselnahme und verwies auf die mögliche Einwilligung des späteren Opfers. Die Bewährungszeit wurde auf drei Jahre festgelegt. Dazu muss der 35-Jährige 100 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten. Außerdem wird er nach eigenen Angaben in einer Woche auf eigenen Wunsch mit einer weiteren Therapie in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Wermsdorf beginnen. Gegen das Urteil kann er innerhalb einer Woche Rechtsmittel eingelegen.