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Lieber Hans-Georg Maaßen!

Offener Brief an den Verfassungsschützer mit geheimen Absichten

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© dpa

Auch wenn Sie gerade nicht in bester Verfassung sind, ich hätte da noch mal eine Frage zum Verfaschungs-, äh, Verfassungsschutz. Mich würde interessieren: Was genau machen Sie eigentlich beruflich? Also zum Beispiel dieses Video aus Chemnitz, auf dem zu sehen ist, wie mehrere Männer zwei andere mit dunklerer Hautfarbe verjagen und dabei rufen „Haut ab!“ und „Kanaken!“ und so weiter. Sie haben dieses Video in einem Interview mit der Bild-Zeitung kritisiert und gesagt, es sei vielleicht gar nicht echt, sondern womöglich eine „gezielte Falschinformation“. Inzwischen haben andere Zeitungsjournalisten Augenzeugen der Szene ausfindig gemacht und andere Videos aus Chemnitz ausgewertet. Sie kommen zu dem Schluss: Das Video ist wahrscheinlich echt. Jetzt mal im Ernst: Wäre das nicht eigentlich Ihr verdammter Job gewesen?

Später haben Sie gesagt, Sie seien falsch verstanden worden. Aber es war doch ein Interview, das jeder schwarz auf weiß nachlesen kann! Sie haben die Zitate freigegeben. Was gibt es da falsch zu verstehen? Oder sind Sie vielleicht selbst gar nicht echt? Gibt es noch einen anderen Hans-Georg Maaßen, einen, der Ihnen zum Verwechseln ähnlich sieht und heimlich Interviews in deutschen Medien gibt, um gezielte Falschinformationen zu verbreiten? Na, ich fürchte, wir werden die Wahrheit nie erfahren. Ist ja schließlich alles geheim, was Sie machen. So geheim, dass Sie höchstens mal der Bild-Zeitung ein Interview geben.

Und dann diese Debatte um das Wort „Hetzjagd“. Ja, klar kann man darüber streiten, ob von einer Hetzjagd nur die Rede sein kann, wenn es eine längere Verfolgung quer durch die Stadt gab, und ob das, was im Video zu sehen ist, nicht präziser als Jagdszene zu bezeichnen wäre. Aber, potztausend, worüber reden wir hier eigentlich!? Da haben Nazis den Hitlergruß gezeigt. Da wurde ein jüdisches Restaurant von einem Dutzend Vermummten angegriffen, den Besitzer traf ein Stein. Ein Polizeibericht spricht von hundert Rechten, die durch die Straßen von Chemnitz ziehen und Ausländer „suchen“. Aber wehe, es sagt jemand „Hetzjagd“!

Mir kommt das ungefähr so vor, als hätte es eine Massenkarambolage auf der Autobahn gegeben, und der Verfassungsschutz mahnt hinterher, es heiße nicht „Tempolimit“, sondern „Geschwindigkeitsbegrenzung“, und außerdem müssten erst mal die Videos in Ruhe ausgewertet werden, bevor man sich ein Urteil erlauben könne, ob überhaupt etwas Schlimmes passiert sei, das könne aber schon ein paar Wochen dauern …

Vielleicht schauen Sie selbst einfach ab und zu mal wieder in die Verfassung, die Sie eigentlich schützen sollten. In Artikel 33 heißt es zum Beispiel: „Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.“ Eignung! Befähigung! Fachliche Leistung! Doch, doch, Sie können mir glauben: Der Artikel ist echt.

Ihr Marcus Thielking

Der „Offene Brief“ ist eine satirische Rubrik im Wochenend-Magazin der Sächsischen Zeitung.